Prinzipien eines ökologischen Energie- und Verkehrskonzeptes


1. GANZHEITLICHE SICHTWEISE

 

Die vom Energie- und Verkehrsbereich verursachten Probleme sind weithin dieselben, nämlich ökologische Probleme. Daher ist es sinnvoll, dass bei der Suche nach Lösungen beide Problemkreise zusammen gesehen werden, und zwar vor dem Hintergrund eines ökologischen Gesamtkonzeptes.

 


2. ZIELE EINES ÖKOLOGISCHEN GESAMTKONZEPTES

 

  • Erhaltung/Wiederherstellung der natürlichen Zusammensetzung der Luft und des natürlichen Schichtenaufbaues der Atmosphäre.
  • Erhaltung/Wiederherstellung des natürlichen Klimas und der Klimasysteme.
  • Wiedererreichung des natürlichen Sonnenspektrums (Aufbau der Ozonschicht als UV-Filter).
  • Erhaltung/Wiederherstellung der natürlichen Reinheit der Grund- und Oberflächengewässer und deren Selbstreinigungskraft;
    Erhaltung/Wiederherstellung natürlicher Wasserspeicher und Fließgewässerbiotope und eines gesunden Wasserhaushaltes; sparsamer Umgang mit Wasser;
    Erhaltung/Wiederherstellung der natürlichen Zusammensetzung des Meerwassers und der Meeresoberflächen.
  • Erhaltung/Wiederherstellung der natürlichen Vitalität der Lebewesen, der Vielfalt der belebten Natur, der Kreisläufe in der belebten und unbelebten Natur, der Lebensgemeinschaften und Biotope.
  • Schutz aller Arten von Lebewesen (auch jener, denen kein erkennbarer ökonomischer Nutzen zukommt) und Erhaltung/Wiederherstellung der erforderlichen Lebensräume; Tierschutz.
  • Erhaltung/Wiederherstellung regionaler Urzustände, Vielfalten und Schönheiten der Natur (Natur-, Biotopen- und Landschaftsschutz).
  • Erhaltung/Wiederherstellung der natürlichen Vitalität der land- und forstwirtschaftlichen Böden, Kulturpflanzen, Haustiere und Nutzwälder.
  • Schutz der Böden vor Erosion, Verdichtung und schonungsloser Auslaugung;
    Verhinderung weiterer ungehemmter Verbauung (Straßenbau, Zweitwohnungen, überdimensionale Wohnflächen ...).
  • Erhaltung/Wiederherstellung überschaubarer Strukturen - Vermeidung von nicht überschaubaren Großstrukturen.
  • Erhaltung/Wiederherstellung der Wirtschafts- und Kulturfähigkeit der ländlichen Räume und bäuerlichen Landwirtschaft.
  • Schonung der Bodenschätze.
  • Umfassender Gesundheitsschutz: Gesunde Lebensmittel, gesunde Baustoffe, gesundes Wohnen, freundliche Siedlungsraumgestaltung, gesunde Kleidung;
    Umweltschutz als vorbeugender Gesundheitsschutz;
    Anerkennung ergänzender Heilverfahren (z.B. Homöopathie);
    Begrenzung technischer Strahlen- und Kraftfelder;
    Lärmschutz;
    Förderung gesunder Lebensweise.
  • Begrenzung technischer Risken:
    Vermeidung der / Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie;
    Vermeidung großer Chemiewerke;
    Verbot von zu gefährlichen Verfahren und Stoffen;
    strenge Kontrolle der Entwicklung im Bereich Gentechnologie;
    Abrüstungsbemühungen;
    Vermeidung von Veränderungen, die zur Häufung von Naturkatastrophen führen.

     "natürlich" meistens im Sinne von "vorindustriell"

 


3. KREISLAUFPRINZIP

 

Eingriffe in die belebte und unbelebte Natur müssen die Vielfalt und Vitalität schonen und die natürlichen Kreisläufe respektieren. Einerseits muss sich der Mensch selber als Kreislaufwesen erkennen, andererseits muss er sich bei seinem Schaffen das Kreislaufprinzip der Natur zum Vorbild nehmen. Menschliche Aktivität darf sich nur im Rahmen der zulässigen Belastbarkeiten und innerhalb der Kreisläufe entfalten.


Nur durch ökologisch nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen unter Nutzung natürlicher Energieflüsse können die Lebensgrundlagen erhalten werden.

Für die Energieversorgung bedeutet dies, dass sich der Mensch mit dem begnügen muss, was die biosphärischen Kreisläufe der erdgeschichtlichen Gegenwart an Energiestoffen hervorbringen (Biomasse, Biogas, Bioöl) und was ihm der Energiefluss ermöglicht, der von der Sonne auf die Erde trifft (Wärme und Strom aus Sonnenstrahlung; Wasserkraft, Windkraft; in der Luft, im Wasser und im Boden gespeicherte Wärme).


Nicht alles, was die belebte und unbelebte Natur an Stoffen verbirgt oder hervorbringt, ist gesund bzw. in beliebigen Mengen förderlich. Die fossilen und nuklearen Energiestoffe sind z.B. problematische "Bodenschätze", die man besser dort lässt, wo sie in der Erdkruste lagern.

4. GRENZEN DES WACHSTUMS

 

Auf einer begrenzten Erde mit begrenzten Ressourcen und begrenzter Belastbarkeit der sensiblen Gleichgewichte und Kreisläufe sind ständig steigende Intensität der Nutzung, ständig wachsender Stoffumsatz und ständig zunehmender Energieverbrauch nicht möglich.


Ist Wirtschaftswachstum wirklich ein Wert an sich oder ist nicht eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig? Wirtschaftswachstum, also die Steigerung der Güterproduktion und der Dienstleistungen, ist doch eigentlich nur dann notwendig, wenn es darum geht, für alle ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Wo aber schon genügend Güter produziert werden, wo bereits ein gewaltiges Konsumvermögen vorhanden ist, wo partiell bereits Sättigung herrscht, Verschwendung beginnt, Bedarfsweckung betrieben werden muss, muss schon die Frage gestellt werden, ob hier materielles Wirtschaftswachstum noch notwendig ist. Wenn noch dazu das Wachstum des materiellen Stoffumsatzes auch aus ökologischen Gründen abzulehnen ist, muss ein anderer Weg zur Sicherung der Arbeitsplätze gesucht werden.

 

Der Wirtschaftsjournalist Horst Knapp (1925-1996) schrieb bereits 1975 in den "Finanznachrichten", dass sich die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums "nur auf den materiellen 'Stoffwechsel' der Volkswirtschaften zu beschränken" brauche, "also auf den 'ecological demand' (Bedarf an Bodenschätzen, Energiequellen und auch an Boden selbst und Belastung der Natur mit Abgasen, Abwasser und Abfällen); die 'Produktion' an immateriellen Leistungen ist unbegrenzt steigerungsfähig."

 

Auf die Frage, ob der Wohlstand sinke, wenn das Wirtschaftswachstum zu stagnieren beginne, antwortet Horst Knapp: "Dass Stillstand Rückschritt bedeutet, wird durch häufige Zitierung nicht richtiger. Selbst bei einem absoluten Wachstumsstillstand würde der Wohlstand, wenn man darunter das Bruttonationalprodukt je Kopf versteht, nur dann sinken, wenn - wie in Entwicklungsländern - die Bevölkerungszahl steigt. Versteht man unter Wohlstand sinnvollerweise nicht den laufenden Konsum, sondern den Bestand an Konsumvermögen, kann der Wohlstand selbst bei Null-Wachstum weiter steigen, nur dauert es dann eben länger, bis man sich von einem real nicht weiter steigenden Einkommen das Geld für die nächste größere Anschaffung absparen kann.

 

Partiell sind Wohlstandseinbußen aber durchaus denkbar, etwa als Folge der vermutlich wachsenden Steuerlast oder wenn die Wachstumsverlangsamung vorübergehend zur Freisetzung von Arbeitskräften führt." (1)

 

Das bekannteste Buch, das sich - ein Jahr vor der ersten Ölkrise, also 1972 - mit der Wachstumsproblematik befasste, war "Grenzen des Wachstums - Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit" von Dennis Meadows u. a. Dem folgten 1974 "Es geht auch anders" von E. F. Schumacher und 1975 "Ein Planet wird geplündert - Die Schreckensbilanz unserer Politik" von Herbert Gruhl.  

 
Seit der Aussage von Prof. Horst Knapp sind wir mittlerweile Zeugen nicht nur positiver, sondern auch negativer Begleiterscheinungen des Produktionswachstums und des damit steigenden materiellen Lebensstandards geworden.

 

Da das Wirtschaftswachstum die Grundlagen für die "Gefälligkeitsdemokratie" schuf, bringt die Wachstumsverlangsamung verständlicherweise Konflikte mit sich. Für einen graduellen Übergang zur (annähernd) stationären Wirtschaft ist das Konfliktbewältigungspotential sicher vorhanden. (1)


Manche meinen, Wirtschaftswachstum sei notwendig, um sich den Umweltschutz leisten zu können. Doch dies wäre eine kostspielige Strategie, denn die ökologischen Probleme würden stets mitwachsen. Nur partiell, und zwar vor allem im Öko-Bereich, ist Wirtschaftswachstum noch zu vertreten und entspricht dort auch einem enormen Aufholbedarf.


Kritisiert muss in erster Linie das unselektive Wachstum werden, Wachstum um seiner selbst willen, ohne danach zu fragen, in welchem Bereich und zu welchem Zweck die Wirtschaft wachsen soll und welche Folgen daraus entstehen. Die Wachstumsdiskussion ist auch deshalb so schwierig, weil das Bekenntnis zum Wirtschaftswachstum fixer Bestandteil im Credo der meisten Nationalökonomen und Politiker ist. Wirtschaftswachstum wurde sozusagen zum Selbstzweck.

Zur Überwindung des unselektiven Wachstums sind neue, ergänzende Ziele der Wirtschaftspolitik zu formulieren und zu definieren:

  • "Lebensqualität": Befindlichkeit der jetzt Lebenden (Lebensweise, Körper- und Seelenzustand, Beschaffenheit der Stätten des Wohnens und Arbeitens, Zustand der Umwelt und Natur, soziale Gerechtigkeit, Verteilung der Arbeit, des Einkommens und des Vermögens usw.)
  • "Qualität der Lebensgrundlagen": Zustände und Veränderungsvorgänge bezüglich Atmosphäre, Klima, Wasser, Böden, Vitalität und Vielfalt der Lebewesen, Kreisläufe usw. - Zustand der Lebensgrundlagen, wie wir sie den künftigen Generationen überlassen.
  • "Entwicklung": Darstellung des jährlichen Fortschrittes oder Rückschrittes bezüglich "Lebensqualität" und "Qualität der Lebensgrundlagen" (Wachstum = quantitative Vergrößerung; Entwicklung = qualitative Verbesserung)

Die Berechnung des BSP muss dahingehend erweitert werden, dass auch die Größen "Lebensqualität", "Qualität der Lebensgrundlagen" und "Entwicklung" berücksichtigt werden.


Der Verbraucherpreisindex und die Abgabenquote müssen so dargestellt werden, dass die Mehrausgaben für "Entwicklung" nicht als Negativum aufscheinen.

Während bezüglich Güterversorgung in den Wohlstandsstaaten zum Teil bereits Sättigungserscheinungen feststellbar sind, würde in diesen Staaten das Wachstum in den Bereichen Energie und Verkehr noch lange keine Grenzen erreichen. Der Reisetrieb erfasst weiteste Schichten der Bevölkerung. Unbegrenzte Mobilität wird bereits als Wert gehandelt. Umso wichtiger ist es, dass dem ökologischen Versagen des Marktes durch begrenzende Rahmenbedingungen abgeholfen wird - entsprechend der Tatsache, dass die Freiheit der Mobilität und die Freiheit der Verkehrsmittel- bzw. Verkehrstechnik-Wahl nur eine begrenzte sein kann. Es muss gelingen, den Mobilitätstrieb zu kultivieren.


Auch bezüglich Güterverkehr ist ein Wachstum feststellbar, das alles andere als begrüßenswert ist. Die niedrigen Treibstoffpreise machten es möglich, dass es sich rentierte, nicht nur Produkte kreuz und quer durch Europa zu transportieren, sondern sogar einzelne Produktionsschritte in verschiedene Länder zu verlegen.

Selbst Güter von ökonomisch marginaler Bedeutung wurden und werden immer noch über den halben Erdball transportiert, bis daraus ein Endprodukt entsteht. Die einzelnen Volkswirtschaften sind dadurch einem mörderischen Konkurrenzkampf ausgeliefert, weil die "natürlichen" Schranken der Entfernung immer mehr schwinden. Mit dem weiteren Abbau der Handelsschranken (GATT) wird sich dieser Trend noch verstärken. Gewachsene Wirtschaftsstrukturen und lokale Wirtschaftsgefüge werden (nicht nur in Entwicklungsländern) ebenso gefährdet wie Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften so mancher Sozialstaaten, Österreich nicht ausgenommen. Mit schamloser sozialer und ökologischer Ausbeutung kann immer mehr Gewinn erzielt werden.

 

Die billigen Treibstoffe verursachten nicht nur gewaltige ökologische Probleme, sondern sie ermöglichten und bewirkten bei der Entwicklung des Welthandels eine Dynamik, die bereits gefährlich wurde.


Es ist wichtig, dies alles den Bürgerinnen und Bürgern in den hoch entwickelten Industriestaaten zu vermitteln. Denn mit Notwendigkeit haben die Entwicklungen im Energie- und Verkehrssektor absolut nichts mehr zu tun.


Absolut notwendig ist hingegen die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Von hier leiten sich die Grenzen ab, innerhalb derer Energieverbrauch und Verkehr sich entwickeln dürfen.


Hätten die Politiker der hoch entwickelten Industriestaaten rechtzeitig begrenzende, ökologisch lenkende Maßnahmen gesetzt (z.B. im Rahmen eines Programms fossile Brenn- und Treibstoffe mit einer schrittweise steigenden CO2-Abgabe zu belasten), dann wären diese Ton angebenden Staaten heute beim Klimaschutz, also beim Energiesparen, bei den erneuerbaren Energien und beim öffentlichen Verkehr bzw. bei der Bahn, viel weiter fortgeschritten und weniger abhängig von fossilen Energieträgern und von Atomstrom. Die Einnahmen aus den Öko-Abgaben hätten für die Finanzierung des Klimaschutzes verwendet werden können.


Aber was die Politiker verabsäumt haben und an Maßnahmen unterlassen haben, erledigt jetzt der Markt, aber ohne Schonung, überfallsartig, sprunghaft, ohne soziale Rücksichtnahme und mit krisenhaften Begleiterscheinungen. Dass schon viel früher regulierende Eingriffe der Politik nötig gewesen wären, zeigt sich ja auch im Finanzwesen.

 

 

5. VORSORGEPRINZIP

 

 

Nur radikaler Umweltschutz (radikal = von der Wurzel her) packt die Probleme bei den Ursachen an und ist daher sinnvoll - und auch am billigsten.


In einigen Jahren oder Jahrzehnten wird man mit der jetzt lebenden Entscheidungsträger-Generation sehr hart ins Gericht gehen, weil sie zu lange nur Symptombekämpfung betrieben hat und sich mit kosmetischen Maßnahmen begnügt hat.


So ist es z.B. zu wenig, nur die Emissionen pro Emittenten zu verringern zu versuchen, ohne strukturelle Änderungen anzustreben (z.B. Heizkraftwerke und Fernwärme statt Hausbrand), ohne die Herkunft der Brennstoffe zu ändern (biogene Brennstoffe statt fossile Brennstoffe). Wer sich bloß mit Emissionsbegrenzung begnügt, bedenkt nicht, dass sich die emittierten Stoffe irgendwo anreichern müssen, auch wenn die Emissionsgrenzwerte noch so niedrig sind. Wer nicht den systematischen Aufbau der Energieversorgung auf alleiniger Basis erneuerbarer Energiequellen anstrebt, kann das CO2-Problem nie lösen.


Halbheiten und Halbherzigkeiten führen zu nichts. Ökologische Konzepte müssen die gründliche und vollständige Lösung der essentiellen Öko-Probleme anstreben. Sie müssen daher logischerweise radikal sein und auf Langfristigkeit und Ganzheitlichkeit angelegt sein.


Ohne radikales Konzept bewirkt z.B. die Errichtung eines weiteren Flusskraftwerkes sogar etwas Unökologisches, nämlich einen Anstieg des Gesamtenergieverbrauches; zur Zeit des Niederwassers (Winter) muss zusätzlich Strom in kalorischen Kraftwerken (fossile Energie) erzeugt werden oder importiert werden (z.T. von Atomkraftwerken).


Auch in der Verkehrsplanung kommt es zu Fehlern, wenn nicht ökologisch-langfristig und ganzheitlich gedacht wird. Es ist z.B. gefährlich, wenn Verkehrspolitiker und Verkehrsplaner vorhaben, nur Teilbereiche des Verkehrs umzugestalten. Derzeit ist der Nahverkehr das Liebkind der Verkehrspolitik. Dabei passiert es, dass so manche Nahverkehrs-Maßnahme so gar nicht in ein ökologisches Fernverkehrskonzept passt (das noch dazu vielleicht gar nicht existiert). Bei rechtzeitiger Offenheit für ein erweitertes, optimiertes Bahnnetz hätte sich so manche Kombination ergeben, die bei wesentlich geringerem Investitionsaufwand den gleichen Effekt ergeben hätte.


Ökologische Energie- und Verkehrsstrukturen erfordern meist langfristige Investitionen. Bahntrassen z.B. können nicht alle zehn Jahre geändert werden; Waggons, Lokomotiven und Triebwägen müssen Jahrzehnte Dienst tun. Daher ist weitblickendes, ökologisch aufgeschlossenes Denken und Planen unerlässlich.

Für die Bahn ist wichtig, dass die Planer, trotz der vielen Rufe nach Betriebswirtschaftlichkeit und nach freiem Markt, kühlen Kopf bewahren und nicht in Kleinkariertheit und Kurzsichtigkeit verfallen, sondern sehr wohl ein "ökologisches Schattenkonzept" im Hinterkopf präsent haben und die betriebswirtschaftlichen Investitionen der Gegenwart so gestalten, dass sie auch einem ökologischen Konzept entsprechen und auch dann bestehen können, wenn die Verkehrspolitik von ökologisch aufgeschlossenen Personen übernommen wird.

 


6. VORRANG DES ESSENTIELLEN BEI FALLWEISEN KONFLIKTSITUATIONEN ZWISCHEN MEHREREN ÖKOLOGISCHEN ANLIEGEN

 

Natur- und Umweltschutz erfordert - besonders im Bereich Energie und Verkehr - bauliche und technische Aktivitäten. So kann es zu einem Konflikt zwischen Umwelttechnik und Landschafts- bzw. Naturschutz kommen (Windräder, Sonnenzellenflächen, Eisenbahnbau - Biotope, schöne Landschaft), wobei Kompromissbereitschaft wichtig ist.

 

Im Zweifelsfall hat das Essentielle und Globale Vorrang vor dem Ästhetischen und Regionalen, hat die Lebensbasis Vorrang vor dem, was darauf aufbaut.(2)


Angenommenes Beispiel: Ausbau einer Eisenbahnstrecke auf 160 km/h mit dem Ziel, eine ökologische Alternative zur parallelen Autobahn zu schaffen. Eine Bürgerinitiative ist in Sorge, dass harte Eingriffe in die Landschaft getätigt werden. Dieser Sorge wird entsprochen, indem ein anderer Trassenverlauf gewählt wird. Eine andere Bürgerinitiative will den Ausbau der Eisenbahn um jeden Preis verhindern. Hier muss allen Ernstes die Frage gestellt werden, mit welchen Maßnahmen diese Bürgerinitiative dem CO2-Problem zu Leibe rücken will.


In ganz schwierigen Fällen (wenn z.B. zwei essentielle Anliegen gegenüberstehen) sollen Mehrkosten nicht gescheut werden (z.B. Eisenbahntunnel).

 


7. GERECHTIGKEIT

 

Der technische Fortschritt hat es den Bewohnern der Industrieländer ermöglicht, sehr weit an die Grenzen der Naturnutzung heranzukommen, ja sie auf Kosten der übrigen Erdenbewohner und auf Kosten der künftigen Generationen zu überschreiten.


Alles Machbare sei auch ethisch vertretbar, glauben sie. Weil ihnen diese Grenzüberschreitung möglich ist, meinen sie, dass sie ihnen auch erlaubt sei. Und sie machen davon reichlich Gebrauch. Sie leben - was unbegreiflich ist - auf Kosten ihrer eigenen Nachkommen. Eine ganze Gesellschaft, ganze Strukturen sind darauf ausgerichtet, den Holocaust vorzubereiten, Schritt für Schritt. Dabei rechtfertigen sie ihr Handeln mit billigen Ausreden: "Es geht nicht anders!" oder "Es wird schon nicht so schlimm sein!" oder "Die Kinder werden es besser machen."


Da diejenigen, deren Grundrecht auf eine intakte Natur und Umwelt mit Füssen getreten wird, nämlich die Kinder und kommenden Generationen, in unserer Demokratie kein Mitspracherecht besitzen, setzen sich die Interessen derjenigen durch, die kurzsichtig nur auf die Gegenwart ihr Augenmerk richten.


In der Demokratie besteht die Gefahr, dass die Politiker um der Wählerstimmen willen dem Drängen von Mehrheiten und Lobbys nachgeben und sich dem Wollen jener beugen, die das Hier und Jetzt zum Absolutum erklären, das Angenehme zum Recht erheben und im Gewohnten eine Notwendigkeit sehen.


Diese "Demokratiefalle" kann wahrscheinlich nur dadurch umgangen werden, indem dafür gesorgt wird, dass die Kinder und künftigen Generationen durch eine mächtige Lobby vertreten werden und durch gesetzliche Vertreter sogar in der Gesetzgebung präsent sind (absolutes Vetorecht, Recht auf Gesetzesvorlagen).

Die Demokratie wird nur dann überleben, wenn sie den Mut zur Selbstbeschränkung aufbringt.


Ein ökologisches Energie- und Verkehrskonzept ist ohne Bekenntnis zu Grenzen des Energie- und Verkehrswachstums nicht vorstellbar. Der Lebensstandard der Wohlhabenden darf nur so hoch sein, dass er auch von den übrigen Erdenbewohnern nachgeahmt werden kann, ohne dass der ökologische Rahmen gesprengt werden muss. Was Kant in seinem "kategorischen Imperativ" als ethische Forderung formuliert hat, gilt heute genauso: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können!" Die hier geforderte Einschränkung der persönlichen Freiheit muss jeder für sich alleine vollziehen, muss aber auch der Staat von seinen Bürgern einfordern. Er hat als Hüter des Gemeinwohles auch der Anwalt derer zu sein, die unter den ökologischen Schäden zu leiden haben, vor allem auch jener, die noch gar nicht leben und sich daher nicht wehren können. Dies sei besonders jenen Politikern deutlich ins Ohr gesagt, die der Meinung sind, die in Umfragen eruierten Wünsche der Mehrheit der jetzt Lebenden müssten erfüllt werden.


Ebenso hat der Staat sowohl als einzelner als auch als Mitglied der Völkergemeinschaft sich um Gerechtigkeit gegenüber den Armen dieser Welt zu kümmern. Der Lebensstil der Industrieländer ist allein schon deswegen ein Unrecht, weil es gar nicht möglich ist, dass alle Erdenbewohner diesen Stil verwirklichen können.

 



8. NOTWENDIGKEIT EINER GESTALTENDEN ENERGIE- UND VERKEHRSPOLITIK
    ABSAGE AN EINE BLOSS REAGIERENDE ENERGIE- UND VERKEHRSPOLITIK

 

Es war so einfach. Man ließ den Verkehr sich entwickeln und reagierte auf die Nachfrage mit dem Bau von Straßen. Heute zeigt sich, dass verkehrsträgerübergreifende Lösungen verabsäumt wurden und dass es viele ökologische und Verkehrsdichteprobleme nicht gäbe, wenn rechtzeitig in die Entwicklung aktiv eingegriffen worden wäre.


Im Energiesektor war es ähnlich. Die Entscheidungsträger waren zufrieden, wenn Energie ausreichend und billig zur Verfügung stand, und mischten sich ansonsten nicht in die Entwicklung ein. Die enge Verflechtung zwischen E-Wirtschaft und Politik verzögerte die Ökologisierung des Energiesektors. Die Experten der E-Wirtschaft waren zugleich auch Berater oberster politischer Gremien, während Ökologen bei politischen Entscheidungsträgern lange Zeit überhaupt kein Gehör fanden. Oberstes Ziel war, den steigenden Energiebedarf befriedigen zu können. Dem Energiespartrend folgend, wurden/werden zwar energiesparende Maßnahmen gesetzt, die sich jedoch in erster Linie auf Techniken und Standards bezogen/beziehen und nicht auf das Energieverbrauchsverhalten, sodass sie das Energieverbrauchs-Wachstum nicht aufhalten konnten/können. Die Folge ist, dass einerseits die Nachfrage nach Energiedienstleistungen weiter steigt und andererseits die erneuerbaren Energiequellen - mit Ausnahme der Wasserkraft - nur schlecht genutzt werden (Biomasse) oder überhaupt nur einen äußerst geringen Beitrag zu gesamten Energieversorgung leisten.


Ökologische Strukturen stellen sich eben nicht von selber ein. Auf dem Markt dominieren nämlich nur die kurzfristigen, unmittelbaren und persönlichen Interessen und bewirken dort Nachfrage und entsprechendes Angebot. Der Markt reagiert nicht auf die Tatsache, dass auf lange Sicht nur das wirtschaftlich ist, was die Umwelt und Natur schont und intakt erhält. Die ökologischen Interessen würden erst dann Nachfrage erzeugen, wenn die Zerstörung schon so weit fortgeschritten wäre, dass die Menschen sie unmittelbar als Mangel erleben würden. Dann wäre es allerdings zu spät.


Damit es nicht so weit kommt, muss zur Wahrung der langfristigen Interessen der Staat eingreifen. Er muss dort ordnend und organisierend auftreten, wo die Kulminierung von Individualinteressen zum Chaos führen würde und wo massenhaft auftretendes sorgloses Verhalten Strukturen hervorbringen würde, die ökologisches Verhalten erschweren oder gar unmöglich machen.


Da Freiwilligkeit und Opferbereitschaft nicht ausreichen, um eine möglichst breite Verhaltensänderung und ein rechtzeitige, organisierte, geordnete Ökologisierung herbeizuführen, muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ökologische Strukturen durchsetzen können und somit der Bevölkerung bzw. der Wirtschaft ökologisches Verhalten möglich und leicht gemacht wird, ja sich sogar lohnt. Unökologisches Verhalten muss sich hingegen aufgrund der Rahmenbedingungen verteuern, ja es muss sogar zum Teil verhindert werden.


Der Eingriff des Staates ist übrigens in anderen Bereichen längst zur Selbstverständlichkeit geworden: Pensionsvorsorge, Solidarabgabe für Krankheit und Unfall, Schulpflicht, Bauordnung, Steuern, KFZ-Haftpflichtversicherung usw. Der Staat zwingt die Bürgerinnen und Bürger zum gemeinsamen Tragen, zur Vorsorge und zum Weitblick, und er organisiert die Verteilung der finanziellen Belastungen.

 



9. ÖKOLOGISIERUNG DER BEREICHE ENERGIE UND VERKEHR ALS AUFGABE DER POLITIK

 

Die Erhaltung der Lebensgrundlagen für die Nachkommen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Menschen. Da es dabei um eine Pflicht geht, die zum Großteil nur durch Zusammenarbeit aller und bei gemeinsamer Kraftanstrengung erfüllt werden kann, gehört die Erhaltung der Lebensgrundlagen (ökologische Nachhaltigkeit) auch zu den Aufgaben des Staates, der Politik (so wie die Bereiche Gesundheit, Sicherheit, Rechtssprechung, Bildung, Infrastruktur ...). Der Staat hat für das Gemeinwohl Sorge zu tragen und alle zum solidarischen Mittragen zu veranlassen.


Da der Markt bei ökologischen und sozialen Anliegen und bei Aufgaben, die das Gemeinwesen betreffen, kaum oder erst zu spät reagiert, muss sich der Staat darum kümmern, dass die Daseinsvorsorge nicht zu kurz kommt, die Schwächeren geschützt werden, das Gemeinsame bzw. Ganze sich gegenüber ausufernden Einzelinteressen behaupten kann und auch das Wohl der armen Völker als Aufgabe gesehen wird.


Der Staat muss in die Entwicklung der besonders schwierigen Sektoren Energie und Verkehr lenkend eingreifen und durch ein ökologisches Energie- und Verkehrsprogramm dafür sorgen, dass die Märkte mit Rahmenbedingungen versehen werden, die in der Lage sind, ausreichend schnell ökologischen Techniken, Organisationsformen, Strukturen und Verhaltensweisen zum Durchbruch zu verhelfen.


Da ökologische Energieversorgung und ökologisch und sozial verträgliche Mobilität als Grundbedürfnisse betrachtet werden müssen, darf die Ökologisierung nicht an den Kosten scheitern und auch nicht durch unkluges, tollpatschiges Vorgehen oder durch marktwirtschaftliche Experimente gefährdet werden.


Zu den Schwächeren gehören vor allem die künftigen Generationen. Sie sind im Parlament nicht vertreten, "ihr" Ministerium (Umweltministerium) ist für Energie und Verkehr nicht zuständig, die Interessensvertretungen (Kammern) vertreten lediglich die Interessen der Mitglieder und nicht die von deren Kindern.

Wo ist die Interessensvertretung der künftigen Generationen? Unsere demokratische Verfassung und unsere demokratischen Einrichtungen schließen unsere Nachkommen zu wenig ein oder sogar aus. Eigentlich leben wir die Diktatur der Gegenwart über die Zukunft.


Hier ist die Politik gefordert, Verständnis für die künftigen Generationen zu wecken, den Gemeinwohl-Begriff zu weiten und eine mit Vollmacht ausgestattete Vertretung der künftigen Generationen zu schaffen. Maßnahmen, die einem menschenwürdigen Leben der Nachkommen dienen, müssen Vorrang haben vor Maßnahmen für den Wohlstand der gegenwärtigen Generationen.

 

Literatur:
(1) KNAPP Horst, Interview mit der Zukunft ... 14 Kurzantworten auf 14 Grundsatzfragen. Finanznachrichten (Wochenschrift für Wirtschaftspolitik) Nr. 26 vom 27. Juni 1975, hgg. von Horst Knapp  

(2) BAUER Dolores, VIRT Günter, Für ein Lebensrecht der Schöpfung. Analysen, Visionen und Strategien zur Bewältigung der Umweltkrise; Salzburg 1987