Ein bloßes Nein zur Kernenergie ist zu wenig
Seit dem Super-GAU in Fukushima am 11. März 2011 ist die Atomenergie in Österreich eine Energiequelle, die von einer sehr großen Mehrheit abgelehnt wird. Österreichs Atomenergiebefürworter – die es nach wie vor noch gibt – wissen, dass sie gegenwärtig in ihrer Heimat chancenlos sind.
Aber das offizielle Österreich ist nach wie vor bei EURATOM zahlendes Mitglied (ca. 50 Mio. Euro pro Jahr). Außerdem befürwortet dieses offizielle Österreich die Kernfusion, obwohl diese – zwar qualitativ anders – aber quantitativ genau so gefährlich ist wie die Kernspaltung. Die EU (und somit auch Österreich) finanziert gemeinsam mit Indien, Japan, den USA, China, Südkorea und Russland den Bau des Fusions-Versuchsreaktors ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) im französischen Caradache.
Österreich rühmt sich wegen des relativ hohen Anteils erneuerbarer Energiequellen am Gesamtenergieverbrauch und übersieht dabei, dass es das Glück hat, mit den Alpen gesegnet zu sein, was Wasserkraft in Hülle und Fülle bedeutet. Dieser Segen fehlt den Tschechen und Slowaken, die so gerne von Österreich wegen ihrer Atompolitik kritisiert werden. Österreich hätte erst dann das volle Recht zu kritisieren, wenn es zeigen würde, wie man auch ohne die zweite Gefahr, die von den fossilen Energien ausgeht, auskommen kann. Das heißt, der Anteil der erneuerbaren Energiequellen am Gesamtenergieeinsatz müsste schon viel höher sein, und der Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe (derzeitiger Anteil ca. 3/4) müsste deutlich schneller zurückgehen als der Anstieg bei den erneuerbaren Energien.
Dies müsste sich in einem generellen Rückgang des Gesamtenergieverbrauches zeigen. Der blieb aber in den letzten 5 Jahren stabil, und das auch nur wegen der Wirtschaftskrise und wegen der warmen Winter. Wenn sich die Energiepolitik weiterhin mit Halbheiten begnügt, droht wieder ein Anstieg. Somit ist Österreichs Kampf gegen die Atomkraftwerke in Temelin, Dukovany, Mochovce und Bohunice wenig glaubwürdig.
Wirksam kann Österreichs Anti-Atom-Politik nur dann sein, wenn sie glaubwürdig ist. Das ist nur dann möglich, wenn Österreich bei der Energiewende deutlich sichtbare Fortschritte macht.
Stand 2007:
Die wenig konsequente österreichische Energiepolitik ermöglicht leider einen weiterhin wachsenden Energieverbrauch. Sie trieb mit Übereifer die Strommarktliberalisierung voran, ohne für ausreichende ökologische Rahmenbedingungen zu sorgen. Die Folge ist, dass nicht nur der Verbrauch fossiler Energie ständig steigt (von 1990 bis 2006 von ca. 800 PJ/a auf ca. 1100 PJ/a), sondern dass Österreich auch mit Atomstrom überschwemmt wird (schon heute stammen mindestens 10% des österreichischen Strombedarfes aus Atomkraftwerken).
Obwohl man sich über jede zusätzliche Biomasse-, Solar-, Windkraft-, Biogasanlage freut, kann überhaupt nicht von einer konsequenten Umstellung auf erneuerbare Energiequellen die Rede sein.
Eine starke Präsenz der Atomlobby und der Mangel an Informiertheit und Sensibilität bei vielen Politikern haben bewirkt, dass die Atomenergie wieder im Gespräch ist und als möglicher Ausweg aus
der Energie- und Klimakrise bezeichnet wird.
Es braucht nur der Ölpreis wieder stark steigen und es brauchen nur die Schäden, die mit dem Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe angerichtet werden, plötzlich bedrohlich zunehmen (akute
Klimaänderungen ...), sodass dringende Einschränkungsmaßnahmen notwendig werden würden - und schon wäre auch bei uns die Atomenergie mehrheitsfähig.
Ein weithin emotionales "Nein" lässt sich bei entsprechender Droh-Kampagne (Einschränkung des Autoverkehrs usw.) leicht in ein "Ja" zur Kernenergie oder zumindest zu einem Ja zu Atomstromimporten
umwandeln. Keine Regierung würde es durchstehen, längere Zeit fossile Brenn- und Treibstoffe zu kontingentieren, zumindest nicht so lange, bis aus erneuerbaren Energiequellen genügend Energie zur
Verfügung stünde. Der Ruf nach Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf und nach sofortiger Errichtung von weiteren AKW (mit "westlicher" Technologie, die ja angeblich ganz sicher sei, als ob so etwas
überhaupt möglich wäre) würde immer lauter werden. Die Atom-Lobby wartet auf diesen Moment, ihre Energiequelle als rettenden Ausweg aus dem CO2-Dilemma anbieten zu können.
Es hat wenig mit Ökologie zu tun, auf Atomkraftwerke zu verzichten, dafür aber vermehrt fossile Energieträger einzusetzen bzw. billigen Atomstrom ins Land zu lassen. Wenn wir Österreicher uns im
Kampf gegen die Atomenergie-Nutzung nicht lächerlich machen wollen, müssen wir mit Taten zeigen, dass wir nicht nur eine Energiezukunft ohne eigenes Atomkraftwerk wollen, sondern auch eine
Zukunft ohne fossile Energiequellen und ohne Atomstromimporte.
Die Kernfusion, deren großtechnische Nutzung unter großem Aufwand angestrebt wird, würde uns ähnliche Risken bescheren wie die Kernspaltung.
Stand 2014:
Vernichtende Analyse der derzeitigen Anti-Atom-Politik Österreichs:
a) Wenig ambitionierte „Energiestrategie Österreich 2020“ (bis 2020 20 % mehr Energieeffizienz, 34 % erneuerbare Energien, 16 % weniger Treibhausgas-Emissionen):
- Diese Energiestrategie findet sich damit ab, dass die Nachfrage nach Energiedienstleistungen weiter steigt. Sie geht also von weiterem Wachstum bei der Nachfrage nach Energiedienstleistungen in den Bereichen Energie und motorisierter Verkehr aus, und zwar von ca. 1.100 PJ im Jahr 2005 auf 1.300 PJ im Jahr 2020. Die zunehmende Energieeffizienz in der Höhe von ca. 200 PJ soll lediglich dazu dienen, den Energieeinsatz auf ca. 1.100 PJ stabil zu halten – statt der Notwendigkeit zu entsprechen, den Energieeinsatz um 200 PJ zu senken.
- Energieverbrauch nur stabilisieren statt senken: Die steigende Energieeffizienz dient nicht der Reduktion fossiler Energieträger, sondern ermöglicht nur eine höhere Nachfrage nach Energiedienstleistungen bei gleichbleibendem Energieeinsatz (statt eines substitiven Prozesses findet ein additiver Prozess statt).
- Der Anteil erneuerbarer Energien steigt nach dieser Energiestrategie weniger als die angenommene Nachfrage nach Energiedienst-leistungen:
- Bei den erneuerbaren Energien wird in der Energiestrategie davon ausgegangen, dass die Aufbringung von ca. 280 PJ im Jahr 2005 auf ca. 390 PJ im Jahr 2020 steigen wird (das ist bloß ein Anstieg von 110 PJ, der übrigens praktisch heute schon erreicht ist).
- Dieser Anstieg bei den erneuerbaren Energien (110 PJ) kann demnach in der Energiestrategie nicht mit dem angenommenen Anstieg der Nachfrage nach Energiedienstleistungen (200 PJ) mithalten.
b) Die reale Entwicklung des Energieverbrauches in Österreich entspricht der Energiestrategie Österreich 2020:
Der Energieverbrauch Österreichs hält sich stabil, weil die steigende Energieeffizienz und die Wirtschaftskrise das Wachstum beim Energieverbrauch verhindern. Ansonsten würde er mit Sicherheit höher liegen. Somit dient die zunehmende Energieeffizienz lediglich dazu, Wachstum beim Energieverbrauch zu verhindern – statt den Energieverbrauch zu senken.
c) Diese verantwortungslose Energie- und Verkehrspolitik bedarf dringend einer Änderung.
Es fehlt ein Energiewende-Gesamtkonzept, das die Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien und die Halbierung des Energieeinsatzes mit einschließt.
Mit der „Energiestrategie Österreich 2030“ muss eine wirkliche Energiewende eingeleitet werden:
- Verbrauch fossiler Energieträger gegen Null reduzieren (im Verkehr derzeit ca. 90 % fossile Treibstoffe).
- Expansion bei der Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ökologisch und sozial verträglich).
- Gesamtenergieverbrauch durch steigende Energieeffizienz und durch Energiesparen in Richtung Halbierung senken – denn Studien belegen, dass aus erneuerbaren Energiequellen aus heutiger Sicht nur die Hälfte des derzeitigen Energieeinsatzes aufbringbar ist.
- Mit der Energiewende muss es zugleich eine Verkehrswende geben. Beide müssen eine Einheit bilden.
Die Bevölkerung für die Energiewende gewinnen:
Auf den Zusammenhang zwischen Anti-Atom-Politik und echter Energiewende muss immer wieder hingewiesen werden. Die Energiewende muss der Bevölkerung erklärt und begründet werden. Durch intensiven Dialog mit der Bevölkerung muss die Energiewende zu den Menschen „gebracht“ werden, vor allem durch flächendeckende, unabhängige Energie- und Mobilitätsberatung.
Gleiche Lebensqualität ohne Atom- und Fossilenergie und mit halbem Energieaufwand muss zum Prinzip werden - vor allem in den reichen Industriestaaten. Im Rahmen dieses Prinzips muss den „Nachzüglern“ bei der Lebensqualität ein Aufholen ermöglicht werden.