8. Oktober 2018: Weltklimarat (IPCC) schlägt Alarm

 

Knapp 100 Forscher aus der ganzen Welt veröffentlichten heute Nacht in Südkorea einen Sonderbericht zur Klimasituation. Klare Aussage: Gegen die Klimaerwärmung wurde seit dem Abkommen in Paris 2015 zu wenig unternommen. Um das Weltklima sei es noch schlechter bestellt als angenommen. Daher müsse jetzt gehandelt werden, denn die Zeit dränge, für das Weltklima werde es knapp.

 

Beim Klimagipfel in Paris 2015 hat man sich darauf geeinigt, die Klimaerwärmung müsse auf höchstens plus 2 Grad Celsius begrenzt werden, wenn möglich auch darunter auf 1,5 Grad, gemessen an der vorindustriellen Zeit. Drei Jahre später muss man nun feststellen, dass das Klimaschutzabkommen in Vielem noch gar nicht umgesetzt ist. Noch mehr: Das Abkommen scheint auch bereits obsolet zu sein, denn die 91 Experten des Weltklimarates aus 40 Staaten stellen nun in ihrem Sonderbericht fest, dass die Klimaerwärmung nicht über 1,5 Grad steigen dürfe, denn sonst käme es zu unumkehrbaren Folgen für unseren Planeten.

 

Auf 1,5 Grad fehlt aber nicht mehr viel, denn um 1 Grad hat sich das Weltklima seit Beginn der Industrialisierung bereits erwärmt. Es bleiben uns noch 0,5 Grad Celsius.

 

Im Sonderbericht des Weltklimarates wird darauf hingewiesen, dass – abgesehen davon, dass schon bisher die globalen Folgen spürbar seien, wie extreme Wetterereignisse, steigender Meeresspiegel, schwindendes Meereis in der Arktis – die Erderwärmung schneller und mit schwereren Folgen als bisher angenommen erfolge. Es seien daher „schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen“ nötig (1). Das sei nur möglich, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen drastisch gesenkt werde – um 45 Prozent bis 2030, auf null bis 2050.

 

Der Weltklimarat veranschaulicht, worin der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad besteht: Das Risiko für Dürren wäre noch größer, es gäbe noch mehr tropische Wirbelstürme und noch heftigere Niederschläge. Der Meeresspiegel würde um 10 cm höher steigen als bei 1,5 Grad. Das mache für 10 Millionen Menschen einen Unterschied, denn für jene 10 Millionen, die in Küstennähe wohnen oder auf kleinen Inseln, kann es den Lebensraum wegschwemmen oder Salzwasser ins Landesinnere spülen und Ackerflächen unfruchtbar und Grundwasser ungenießbar machen.

 

2 Grad würden die Meerestemperatur steigen lassen, die Ozeane stärker versauern, mehr sauerstoffarme Zonen in den Weltmeeren mit sich bringen. Da ginge es nicht nur um Korallenriffe, sondern auch um Wirtschaftszweige wie Fischerei und Tourismus. Durch 2 Grad könnten doppelt so viele Pflanzenarten ihren Lebensraum verlieren. Das hätte z. B. Folgen für die Landwirtschaft. Was kann dann noch angebaut werden und mit welchem Aufwand?

 

Um die Erwärmung zu bremsen, seinen die Zusagen der Staaten 2015 in Paris nicht ausreichend. Der Weltklimarat mahnt, dass wir unser Verhalten ändern müssten. Radikal ändern! Denn unterm Strich müsste der Treibhausgas-Ausstoß auf null sinken.

 

 

Stellungnahmen in Österreich (2)

 

Prof. Georg Kaser, Gletscherforscher und weltweit anerkannter Klimaexperte:

Der Sonderbericht des IPCC sei mit allen Regierungsvertretern der 196 Regierungen der Erde besprochen, und sie alle hätten zugestimmt, dass sie den Inhalt verstanden hätten und ernst nehmen würden. Der Sonderbericht enthalte erstmals Handlungsanleitungen, das heißt, es würden Wege aufgezeigt, wie es machbar sei, dieses 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Angesprochen auf die Verantwortung Österreichs, wo im Mai 2018 die „Klima- und Energiestrategie“ vorgestellt worden sei, weist Kaser auf die Aussagen von Experten hin, die diese „Klima- und Energiestrategie“ als zu mutlos und als zu wenig ambitioniert bezeichnet hätten. Diese Klima- und Energiestrategie sei angesichts der neuen Erkenntnisse schon überholt.

 

NGOs allgemein:

Die Klima- und Energiestrategie strebe lediglich an, die Treibhausgas-Emissionen um 36 % bis 2030 zu reduzieren. Nötig wäre aber weit mehr. Für das Industrieland Österreich müsste eine Reduktion um 65 % möglich sein. Aber diese Bundesregierung habe das Budget für Klima, Energie und Umwelt vor kurzem um 300 Millionen Euro gekürzt. Mittel für die thermische Sanierung seien in den letzten Jahren halbiert worden. 140 km/h auf Autobahnabschnitten seien kontraproduktiv. Noch vor 2030 müsse es einen Verkaufsstopp für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben, das Energiesystem müsse auf 100% erneuerbare Energie umgestellt werden, bei Neubauten und beim Austausch von Heizkesseln dürfe nur mehr erneuerbare Energie zugelassen werden.

 

Johannes Wahlmüller, Global 2000:

Aus für Öl- und Gasheizungen! 100% emissionsfreie Fahrzeuge spätestens bis 2030! Aus für Kohleverstromung an 2020! Ökologische Steuerreform, und zwar rasch!

 

Peter Koren, Industriellenvereinigung:

Die Industrie leiste einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen, denn sie sei dem Emissionshandel unterworfen. Außerdem sei die Klimakrise nur global zu geteilter Verantwortung lösbar. Österreichs Klima- und Energiestrategie sei sehr ambitioniert. Die Umweltauflagen müssten in einem machbaren Rahmen bleiben. Übrigens verursache Europa nur 10 % des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes

 

Elisabeth Köstinger, Umweltministerin:

Sie lässt die Kritik über die Klima- und Energiestrategie nicht gelten. Österreich sei auf gutem Weg. Wichtig sei, dass jetzt mit der Umsetzung begonnen werde, vor allem in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Minus 36% Rückgang bei den CO2-Emissionen seien auf Basis dieser Strategie zu schaffen. Es seien sogar Maßnahmen der Klima- und Energiestrategie vorgezogen worden, z. B. der Ausstieg aus der Ölheizung. Die OMV habe bezüglich Förderungen für Ölheizkesseltausch das Aussetzen dieser Aktion geplant. Die Kürzung des Fördervolumens bei der thermischen Sanierung habe damit zu tun, dass diese Förderungen nicht ausgeschöpft wurden und die Förderrichtlinien zu kompliziert waren und nun überarbeitet würden. Weltweit sei die wichtigste Maßnahme der Ausstieg aus der Kohle. Zum Thema Ökosteuern meint sie, dass auf europäischer Ebene eine Initiativen im Laufen sei, die einen CO2-Mindestpreis vorsehe – als Ergänzung zum bestehenden CO2-Handelssystem. Ansonsten seien für sie Anreize ausrechend. Die Bundesregierung wolle die Menschen entlasten und nicht belasten.

 

Verkehrsminister Norbert Hofer:

Die Kritik des Weltklimarates, es müsse mehr für den Klimaschutz getan werden, richte sich nicht gegen Österreich, denn Österreich mache sehr viel, wie z. B. beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs und bei der Förderung der E-Mobilität. Zum Thema 140 km/h auf Teilen der Autobahnen warnt er vor voreiligen Schlüssen. Er deutet angesichts des Weltklimaberichts erstmals sogar einen Rückzug an: „Es gibt, wenn ich ganz offen sagen darf, eine Diskussion, ob wir die 140 km/h in Österreich tatsächlich umsetzen oder nicht.“ (1)

 

Quellen:

(1) Salzburger Nachrichten vom 9. Oktober 2018, Seite 19

(2) Ö1-Journalsendungen vom 8. Oktober 2018