8. Dezember 1013: Die künftigen Generationen brauchen in unserer Demokratie eine Vertretung
Es gibt Bereiche, wo Österreich eine Vorreiterrolle übernommen hat, z. B. bei der Ablehnung der Atomenergie und der Gentechnik in der Landwirtschaft. Aber beim Klimaschutz ist Österreich säumig.
Wir – und die übrigen Industrieländer – leben auf Kosten unserer eigenen Nachkommen. Teile unserer Gesellschaft, ganze Trägheits-Strukturen sind darauf ausgerichtet, wie bisher weiterzumachen und die Warnungen der Wissenschaft (wie den kürzlich veröffentlichten Klimabericht des Weltklimarates) zu verdrängen, ja zu ignorieren.
Obwohl der Klimaschutz zu den wichtigsten Vorsorge-Aufgaben unserer Zeit gehört, war er vor der Nationalratswahl in den Auseinandersetzungen und Informationen der politischen Parteien kaum ein Thema. Und es besteht die Gefahr, dass der Klimaschutz auch nach der Wahl in den Regierungsverhandlungen und in der Regierungsarbeit nur eine untergeordnete Rolle spielen wird.
Der wichtigste Teil der Klimapolitik muss die Energie- und Verkehrswende sein, also der Übergang vom fossilen (und nuklearen) Zeitalter in die solare Zukunft. Diese Wende ist eine gewaltige Herausforderung, die nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen – vor allem die politischen Parteien – und wenn nach einem Plan, d. h. nach einem Gesamtkonzept vorgegangen wird.
Es handelt sich dabei um ein Generationenprojekt, das viel zu lange aufgeschoben wurde und mit dem daher sofort begonnen werden muss. Die bestehende und auf die Nutzung fossiler Energieträger abgestimmte Infrastruktur, die uns heute ein angenehmes Leben ermöglicht, muss sukzessive umgebaut werden. Das ist neben der technischen auch eine politische Mammutaufgabe, denn die Interessenskonflikte sind riesig und die zu erwartenden bzw. bereits eingetretenen Widerstände enorm. Dazu kommen die destruktiven Wortmeldungen der Klimaskeptiker und der Energiewende-Kritiker.
Dennoch: Auf der Basis eines ganzheitlichen Konzeptes ist eine neue Kraftanstrengung möglich – und notwendig. Denn es darf nicht so weitergehen.
Vielen Menschen ist der Klimaschutz ein großes Anliegen. Aber da wir die Konsequenzen unseres Tuns noch nicht oder noch nicht ausreichend spüren, ist die praktische Umsetzung des Klimaschutzes, die natürlich auch mit Änderungen und Einschnitten verbunden ist, noch nicht mehrheitsfähig. Außerdem besteht in unserer Demokratie die Gefahr, dass die politischen Parteien um der Wählerstimmen willen sich dem Drängen jener Mehrheiten und Lobbys beugen, die das Hier und Jetzt zum Absolutum erklären, das Angenehme zum Recht erheben und im Gewohnten eine Notwendigkeit sehen.
Da die Kinder und kommenden Generationen, deren Grundrecht auf eine intakte Natur und Umwelt und auf ein ausgeglichenes Klima mit Füßen getreten wird, in unserer Demokratie kein Mitspracherecht besitzen, setzen sich die Interessen derjenigen durch, die kurzsichtig nur auf die Gegenwart ihr Augenmerk richten.
Es gibt Vordenker und Visionäre, die von ihren eigenen Parteien zurückgepfiffen werden. Ein Politiker bestätigte dies indirekt, indem er resignierend feststellte: „Wenn wir das umsetzen, was die
Klimaschützer fordern, dann werden wir nicht mehr gewählt.“
Was dieser Politiker ansprach, ist die Problematik unserer derzeitigen Demokratie. Diese "Demokratiefalle" kann wahrscheinlich nur dadurch umgangen werden, indem dafür gesorgt wird, dass die Kinder und künftigen Generationen durch eine mächtige Lobby vertreten werden – zuerst durch eine Vertretung in Form eines Sozialpartners und dann durch gesetzliche Vertretung, die sogar in der Gesetzgebung präsent ist (absolutes Vetorecht, Recht auf Gesetzesvorlagen).
Regierung und Opposition müssen nun dringendst gemeinsam einen Weg suchen, wie den künftigen Generationen eine Vertretung zugestanden werden kann. Und sie müssen dafür sorgen, dass es rasch zu einem ambitionierten Energiewende-Gesamtkonzept kommt, mit dessen Umsetzung bald begonnen werden kann. Sie dürfen nicht mehr darauf warten, was die anderen EU-Länder tun. Denn vielleicht warten die anderen nur darauf, was wir tun!
Die Demokratie wird in den Industrieländern nur dann überleben, wenn sie den Mut zur Selbstbeschränkung aufbringt.