6. März 2014: Stromkonzerne schreiben Verluste

 

 

Die niedrigen Großhandelspreise bei Strom seien eine Folge des mit Milliarden Euro geförderten Ausbaus von Wind- und Sonnenstrom, besonders in Deutschland, behaupten die Chefs der Konzerne.

 

Österreichs größter Stromkonzern Verbund mit 3,27 Milliarden Euro Umsatz hat 2013 fast eine Milliarde Euro für unrentabel gewordene Gaskraftwerke im In- und Ausland abgeschrieben. Deutschlands zweitgrößter Stromkonzern RWE hat im Vorjahr erstmals nach 60 Jahren Verlust gemacht. Der französische Konzern GdF meldete ebenfalls einen Verlust.

 

Die Frage ist, wodurch der Strompreisverfall verursacht wird. Binnen fünf, sechs Jahren hat sich der Großhandelspreis an der EEX (European Energy Exchange, Strombörse in Leipzig, an der Strom aus Deutschland, Frankreich und Österreich gehandelt wird) fast halbiert. Die Folge: Milliardenabschreibungen auf Gas- und Kohlekraftwerke wurden notwendig, weil sich diese oft ganz neuen Anlagen wegen der niedrigen Großhandelspreise nicht mehr rechnen.

 

Natürlich gibt die Energiewirtschaft nicht gerne zu, wo die Hauptursache liegt: Es findet keine Substitution fossiler Energieträger durch Wind- und Solarstrom statt, weil CO2 zu billig ist bzw. überhaupt keinen Preis hat. Zu billig, weil der Handel mit Emissionszertifikaten (Fossilkraftwerke und energieintensive Industrien) versagt hat, und daher die Tonne CO2 spottbillig ist. Und in jenen Sektoren, die zum Zertifikatenhandel nicht verpflichtet sind, gibt es überhaupt keine CO2-Abgabe.

 

Die Energiewende ist derzeit leider ein additiver Prozess. Das heißt, zum Verbrauch fossiler Energieträger kommt Wind- und Solarstrom dazu. Es herrscht zeitweise Stromüberschuss. In Wirklichkeit müsste ein substitiver Prozess stattfinden: Der Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe müsste sinken, an deren Stelle müssten Wind- und Solarstrom bzw. davon abgeleitete Energieträger treten – wie z. B. Kohlenwasserstoffe, die aus solarem Wasserstoff und CO2 synthetisiert werden.

 

Aber wenn das CO2 aus fossilen Energieträgern so billig ist, kann der Markt nicht im Sinne einer Reduktion fossiler Brenn- und Treibstoffe und der Entwicklung alternativer und komplementärer Strukturen wirken. Komplementärstrukturen, wie z. B. Stromspeicheranlagen, wären aber sehr wichtig, weil das Aufkommen bei Wind- und Solarstrom stark schwankt und daher durch Ausgleichsstrom ergänzt werden muss.

 

Dazu kommt, dass die kaufmännische Praxis beim Stromhandel nicht mehr zur neuen physikalischen Situation passt.

 

1)      Die Stromgewinnung aus Wind und Sonne ist wegen der Schwankungen kaum voraussehbar und daher für die Spekulation nicht geeignet. Wenn Stromhändler im Sinne des freien Strommarktes den Strom an der Börse im Voraus einkaufen (Termingeschäfte), um preisliche Vorteile nützen zu können, dann kann es vorkommen, dass zum Lieferzeitpunkt der Wind ausbleibt und der Verkäufer gezwungen ist, den Strom von einer anderen Quelle aufzutreiben – vielleicht sogar von Fossil- oder Atomkraftwerken –, um den vertraglich zugesicherten Strom liefern zu können. Das passt absolut nicht zur Energiewende. Daher ist die Spekulation ein Feind der Energiewende.

 

2)      Versorgungssicherheit und Qualität (frei von Atomstrom und von Strom unbekannter Herkunft) müssen Vorrang haben vor den Dividenden der Aktionäre. Sie müssen aber auch Vorrang haben vor dem Wettbewerb. Das gegenseitige Unterbieten bei den Stromtarifen darf nicht die Versorgungssicherheit gefährden. 

 

3)      Ebenso wichtig ist Transparenz bei den Strompreisen. Der derzeitige Tarifdschungel ist ein Problem.

 

4)      Außerdem geht von dem Wettlauf der Stromhändler, die Konsumenten mit dem billigsten Strom zu ködern, ein fatales Signal aus. Es wird die Illusion genährt, wir bräuchten einfach nur auf erneuerbare Energien umzusteigen und könnten ansonsten so weitermachen wie bisher. In Wirklichkeit müssen wir den Energieverbrauch halbieren.

 

5)      Der Marktpreis bei Strom ist in Europa sehr niedrig. Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energiequellen (z. B. Betreiber von Kleinwasserkraftwerken) müssen mit indirekt oder direkt gefördertem Strom von Atom- und Braunkohlekraftwerken konkurrieren. Das ist ein unhaltbarer Zustand.  

 

Die Ursachen für das Chaos beim Strommarkt liegen einerseits bei der derzeit üblichen kaufmännischen Praxis des Stromhandels, andererseits auch bei dem zu niedrigen bzw. fehlenden CO2-Preis und beim ins Hintertreffen geratenen Komplementärstrukturen, wie Stromspeicherung und E-Mobilität – und nicht bei der Ökostromförderung, wie von der E-Wirtschaft und von der E-Control behauptet wird!

 

Die Energiewende ist für die großen Elektrizitätsversorgungsunternehmen und für die Stromhändler eine enorme Herausforderung. Sie müssen Teil der Energiewende werden bzw. sich in die Energiewende integrieren lassen. 

   

Verbund-Chef Anzengruber hat Recht, wenn er sagt: „Das ist keine Krise, das ist ein tief greifender Umbruch."