4. September 2021: Goldrausch um die Arktis
Laut Messungen erhitzt sich die Arktisregion drei Mal so rasch wie der Rest der Welt. Selbst die Wissenschaft ist von dieser Entwicklung überrascht.
Doch die Tragödie lockt mit Profiten. Unter dem rund 14 Millionen Quadratkilometer großen Arktischen Meer – es ist größer als Russland – sollen gewaltige Bodenschätze schlummern. Für den Südpol gibt es dieses Problem nicht, denn der bleibt dank internationaler Verträge von 1958 und 1991 militärisch, wirtschaftlich und ökologisch verschont von der Menschheit. Weil es so etwas für die Arktisregion nicht gibt, wird die Frage nach deren Eigentümer immer lauter gestellt.
Den Anrainernationen gilt die Arktis dank Erderwärmung und Eisschmelze als bald erreichbare Schatztruhe. Angeblich warten Edelmetalle, seltnen Erden und Gold. Dazu 14 Prozent der weltweiten Erdöl- sowie 30 Prozent der Erdgasreserven. Die müssen allerdings im Boden bleiben, wenn die Regierungen ihre längst gegebenen Klimaschutzversprechen halten wollen.
Geologen aller Anrainernationen messen, was das Zeug hält, um zu klären, wem welcher Teil der Arktis gehört. Bei der offiziell verantwortlichen UNO-Kommission liegt ein Teil des Augenmerks der Schiedsrichter auf den Festlandsockeln der einzelnen Nationen. Sie liegen unter Wasser, gelten aber als Fortsetzungen des nationalen Festlandes, etwa aufgrund gleicher Gesteinsstruktur.
Ab der Küste sind 200 Seemeilen für die exklusive nationale Nutzung vorgesehen. Es könnten 150 mehr werden, wenn Festlandsockel lang genug sind. Es ist ein Messen und Schachern um jede Meile.
Nicht alle arktischen Gebiete können zugeordnet werden. Gebietsansprüche überschneiden sich überall. Letztlich soll die Arktis wie dreieckige Tortenstücke zur Ausbeutung an die Anrainerstaaten verteilt werden – falls nicht jemand militärisch Fakten schafft, Russland etwa.
Noch aber könnte sich Kooperation als der beste Weg erweisen, meint Volker Rachold vom Deutschen Arktisbüro am Alfred-Wegener-Institut. Russland stehe ohnehin ein Großteil des
Kuchens zu. Trotzdem: Im März startete der Kreml ein riesiges U-Boot-Manöver. Die Schiffe durchbrachen meterdickes Eis. Stützpunkte und Häfen aus der Zeit des Kalten Krieges werden reaktiviert.
Sogar China versucht über viel Engagement in Grönland am arktischen Ball zu bleiben, auch wenn Peking den Dänen nicht gleich die ganze Insel abkaufen wollte – wie Ex-US-Präsident Donald Trump. Washington ist präsenter, als es sichtbar ist. In Kopenhagen und Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, soll ein ganzes Diplomatenkorps im Einsatz sein. Grönland steht ein besonders großes Stück der Arktis zu – hat aber kein technische Know-how.
Aber „es dürfte noch viele Jahre dauern, bis aus der Arktis wirklich in größeren Mengen wertvolle Bodenschätze gefördert werden. Niemand weiß das genau“, sagt Experte Rachold. Doch die Anrainer beäugen sich misstrauisch und rüsten auf. Sogar die neutralen Schweden und Finnen denken um.
„Ich halte die Schlagzeilen über ein Wettrüsten um die Arktis für übertrieben“, meint Rachold beschwichtigend. Selbst aus Moskau kämen deutliche Zeichen der Kooperationsbereitschaft. Von einer Zusammenarbeit würden ja alle profitieren. Technisch ist die Arktis noch immer schwer zu meistern. Aber auch beim Umweltschutz sieht Rachold Fortschritte bei der Kooperation. Die Wissenschaftsgemeinschaft in der Arktis habe einen sehr hilfsbereiten Umgang untereinander.
Bisher betonten alle Anrainerstaaten inklusive Russland, die Ansprüche friedlich regeln zu wollen. Zuletzt wurde dies auch wieder bei einem Treffen des Arktischen Rates in Island unterstrichen. In diesem Gremium sind die Anrainerstaaten USA, Russland, Kanada, Island, Finnland, Norwegen, Schweden und Dänemark sowie Grönland und Verbände der arktischen Inuit-Völker vertreten. Klimaschutz steh dort auf der Agenda – theoretisch zumindest.