31. August 2020: Nachhaltiger Lebensstil nach Corona
Ernährung und Kleidung, Kommunikations- und Unterhaltungstechnologien, Wohnen und Mobilität – all das verbraucht Ressourcen und befördert Treibhausgase in die Umwelt. Die Hauptlast der negativen Folgen tragen die ärmsten Nationen der Erde.
Ulrich Brand, Politikwissenschafter an der UNI Wien, bezeichnet das als „Imperiale Lebensweise“. In seinem neuesten Buch “Post-Wachstum und Gegen-Hegemonie. Klimastreiks und Alternativen zur imperialen Lebensweise“ versucht er, Alternativen aufzuzeigen. Die Coronavirus-Pandemie könnte einen Anstoß geben.
„Ein Baumwoll-T-Shirt, das zehn Euro kostet, wurde mit Sicherheit nicht in Europa gefertigt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde die Baumwolle in Südostasien angepflanzt, gespritzt und bewässert. Das Färben des Stoffes verschmutzte dort einen Fluss. Die Näherin, die das Laibchen zusammenfügte, verdient im Monat knapp 30 Euro.
Für die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich ist diese Seite der Globalisierung unsichtbar, sagt Ulrich Brand. Der Globalisierungsprozess schreibt sich in den Alltag der Menschen ein. Er hat damit auch eine gewisse Zustimmung.“
Denn man sehe der günstigen Kleidung, den seltenen Erden im Smartphon oder den Futtermitteln für billiges Fleisch den ökologischen und sozialen Fußabdruck nicht an, so Brand. Die Corona-Pandemie, die könnte nun ein Anstoß zur Veränderung sein, wie Brand auch in seinem einleitenden Kapitel seines Buches „Post-Wachstum und Gegen-Hegemonie“ schreibt.
„Mit einmal haben wir eine Diskussion um Güterketten: Wo kommt das medizinische Gerät her, wo kommen die Medikamente her, wo kommen die Vorprodukte her für die österreichische Autoindustrie und für andere Industrien.“
Jetzt müssten sich Politik und Gesellschaft die Frage stellen, wo man sinnvoll regionalisieren kann. Dass es jetzt eine radikale Wende in Richtung eines ökologischen und sozial fairen, globalen Wirtschaftens gebe, glaubt Brand nicht. Aber die Veränderungen der vergangenen Monate würden wichtige Lernprozesse anstoßen, etwa zur Rolle des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft.
„Nachdem uns Jahrzehnte lang gesagt wurde, ‚der Staat, ein guter Unternehmer’, merken wir jetzt, dass der öffentliche Sektor sehr wichtig ist. Deshalb ist die Krise auch nicht so dramatisch in Österreich wie beispielsweise in den USA oder in Großbritannien.“
Auch bei gegenwärtigen Konjunkturmaßnahmen sieht Brand ein ökologisches Umdenken. Wurden im Laufe der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren in Österreich und Deutschland noch Abwrackprämien ausbezahlt, um die Autoindustrie zu stützen, verzichte man jetzt auf solche klimaschädliche Programme. Doch – auch das hält Brand fest – alles sei nur ein erster Schritt, wenn man die Klimakrise aufhalten wolle.
Quelle: Ausschnitt aus der Ö1-Radiosendung „Mittagsjournal“ vom 31. August 2020, der den Titel „Nachhaltiger Lebensstil nach Corona“ trägt