30. Juli 2018: EU plant strengere Klimaziele

 

Der Energiekommissar der EU lässt mit einem ambitionierten Vorstoß aufhorchen. Er ruft die Mitgliedsstaaten in einem Brief dazu auf, den CO2-Ausstoß deutlicher zu reduzieren als bisher geplant, nämlich um 45% statt 40% bis 2030. 

 

Europa sendet somit im Klimaschutz ein politisches Signal aus, und zwar vor der COP 24, der Klimakonferenz in Katowice in Polen Ende des Jahres. Schon im Juni einigten sich die zuständigen Umwelt- und Energieminister der EU in Verhandlungen mit EU-Parlament und EU-Kommission auf neue Ziele für erneuerbare Energien. Sie sollen bis 2030 32% des Energiemixes ausmachen statt wie bisher geplante 27%.

 

EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, ihre Anstrengungen deutlich zu verstärken. Er will bis 2030 eine Reduktion der CO2-Emissionen von 45% statt 40 % erreichen. Die Energieeffizienz soll bis 2030 von 30 auf 32,5% gesteigert werden. 

 

EU-Ziele bis 2030

Bisherige Ziele

Neue Ziele    

Reduktion des CO2-Ausstoßes

Anteil der erneuerbaren Energien

Steigerung der Energieeffizienz

40%

27%

30%

45%

32%

32,5%

 

Aus diesen Zielen ergibt sich das, was man jetzt von den EU-Mitgliedsstaaten offiziell abgesegnet haben will. Europa sendet ein Signal aus, vor allem an China, ähnlichen Ehrgeiz zu entwickeln. „Wir können das nicht alleine schaffen“, betonte der EU-Energiekommissar. Die EU sei für weniger als 10% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

 

Was sagt der Ökonom und Klimaexperte Stefan Schleicher dazu? Die EU stehe unter Zugzwang, denn bei der Klimakonferenz im Dezember in Katowice werde sich herausstellen, dass die EU nicht gut dastehe. „Die EU muss nachbessern, wenn sie dort nicht das Gesicht verlieren möchte.“

 

Aber das Problem ist, dass viele Länder, auch Österreich, bereits den bisherigen Zielen hinterher hinken. Wie sollen sich da die neuen Ziele durchsetzen?

 

Schleicher: “Diese Ziele müssen erst einen Reality-Test bestehen. Da schaut es derzeit sicher nicht gut aus – aus mindestens zwei Gründen: Es gibt eine Gruppe von Mitgliedsstaaten, die sich schon bisher sehr gewehrt hat, die jetzt bekannt gegebenen, bisher konsensfähig gemachten Ziele zu unterstützen. Und sogar in den westlichen Mitliedsstaaten, an erster Stelle Deutschland, gibt es eine klare Evidenz, dass die bisherigen Ziele nicht erreicht werden. Deutschland hat ein großes Problem mit dem sogenannten Kohleausstieg. Und wenn das Deutschland nicht schafft, kippt praktisch jedes EU-Ziel.“

 

Da drängt sich die Frage auf, was die neuen Ziele nützen, wenn nicht einmal die alten eingehalten werden. Dazu Schleicher: Nur sich Ziele zu setzen, das reiche nicht. Das wäre so, wie wenn sich jemand zum Ziel setze, ab jetzt zwei, drei Kilogramm abzunehmen.  

 

Genau so wichtig wie Ziele sind die Maßnahmen, die Teilziele und die Kontrollen, wie weit die Teilziele erfüllt wurden. Und wie wäre es, wenn man die Klimasünder zur Verantwortung zieht und sie bestraft? Wegen Verfehlung der Kyoto-Ziele musste Österreich z. B. 500 Millionen Euro Strafe zahlen. Bei Nichterfüllung des Pariser Klimaabkommens würden Strafzahlungen in Milliardenhöhe fällig.

 

Aber Stefan Schleicher hält nicht viel von Strafzahlungen: „Ich würde nicht Sanktionsmechanismen ansprechen wollen, sondern einfach ein besseres Verständnis, wie wir Energiesysteme gestalten können. Und diese Diskussion ist in der EU bisher zu kurz gekommen. Das gilt auch für Österreich.“

 

Österreich hat sich verpflichtet, den CO2-Ausstoß spätestens bis 2050 auf null zu reduzieren. Insofern ist die Frage, ob die neuen Ziele überhaupt erreichbar sind, müßig. Wir müssen sie erreichen und uns deshalb einfach mehr anstrengen!

 

Auch Schleichers Aussage bekennt ganz klar: „Ja, die Ziele sind erreichbar.“ An erster Stelle sollten dort die Weichen gestellt werden, wo es langfristige Wirkungen gebe. Hierher gehöre z. B. der Gebäudebestand. An zweiter Stelle der Bereich Mobilität, und zwar nicht nur, wo es um E-Mobilität und um Fahrzeugantriebe gehe, sondern wo wir ganz neue Vorstellungen entwickeln müssten, was Mobilität bedeute und wie wir besser den Zugang zu Gütern, Personen und Orten ohne intensiven Energieaufwand schaffen könnten.

 

Da drängt sich die weitere Frage auf: Warum geht nichts weiter? Warum geschieht das viel zu langsam? Schleicher: „Einerseits weil es hier versteckte Interessen gibt. Beispiel deutsche Autoindustrie: Sie scheint den Übergang zu neuen Techniken verschlafen oder bewusst blockiert zu haben. Dann gibt es ein Problem bei den politischen Entscheidungsvorgängen, die langfristig schwer konsensfähig zu machen sind.“

 

Das neue Ziel bedarf der Zustimmung aller Mitgliedsländer. Wie groß sind die Chancen, dass Österreich zustimmt? Schleicher: „Da muss man sich ansehen, was das bisher in Österreich vorgelegte Konzept für eine integrierte Klima- und Energiestrategie zu sagen hat. Eine vorsichtige Antwort lautet: Da ist noch viel nachzubessern.“