3. Oktober 2020: Warum geht beim Klimaschutz so wenig weiter?
Eine Antwort findet die Wirtschaftskammer, deren Präsident Harald Mahrer kürzlich vor „europäischen Alleingängen beim Klimaschutz“ warnte. Zu den Bremsern gehört aber auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der sich eine autofreie Wiener Innenstadt nicht vorstellen könne.
Im Gegensatz zu seinen Amtskollegen in Paris, Brüssel, Kopenhagen oder London, um nur einige moderne Städte zu nennen, hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig damit ein Problem, sich eine autofreie Wiener Innenstadt vorzustellen. Seine fehlende Vorstellungskraft ließ sich Bürgermeister Ludwig von seinen Juristen bescheinigen, die einen entsprechenden Verordnungsentwurf der politischen Konkurrenz für den ersten Wiener Bezirk aus rechtlichen Gründen verwarfen. Das ist übrigens immer praktisch, wenn etwas an rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Da erübrigt sich jede andere Debatte.
Ähnlich warnend äußerte sich sein politischer Konkurrent Harald Mahrer: „Wir sollten lieber darauf warten, dass die anderen etwas tun.“ Europäische Alleingänge beim Klimaschutz könnten eher schaden als nützen.
Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer, unterstütze Harald Mahrer bei dessen Vorsicht: „Natürlich steht die Wirtschaft zum Green Deal, aber wir dürfen nicht das Kind mit dem Bad ausschütten.“ Im Klartext: Eh nett, aber der Klimaschutz kann noch warten, wir sind noch nicht so weit. Wird schon werden.
Weiter kritisierte Kopf die „unkalkulierbaren Kosten“, die die Investitionen in den Klimaschutz verursachen würden. Heißt das, der Generalsekretär der Wirtschaftskammer will beim Klimaschutz sparen, dafür aber noch mehr brennende Wälder, Hitzeperioden und Dürren, noch mehr Wirbelstürme, Hochwässer und Hagel in Kauf nehmen?
Gott sei Dank sind Konzernchefs schon weiter bei ihrem Denken als so manche Kammerfunktionäre. So haben 150 Leiter europäischer Konzerne in einem offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um die entschlossene Verschärfung der EU-Klimazieles „auf mindestens 55 Prozent“ ersucht, wie die Zeitung „Die Welt“ berichtete. Was von der Leyen bekanntlich auch tat.
Auf der Liste finden sich unter anderen Deutsche Bank und Telekom, Versicherungen und Energieriesen wie RWE, Total und Vattenfall. Sie sehen die Möglichkeit des Green Deal. Sie sehen das gewaltige EU-weite Förderungs- und Absicherungsprogramm. Sie sehen Planungssicherheit.
Und vielleicht haben die Chefs ja auch Kinder, die längst zu dem Fridays-for-Future-Demos gehen und ihren Vätern zu Hause die Hölle heiß machen.
Quellen: Textausschnitte aus KLIMABLOG von Martin Stricker in den „Salzburger Nachrichten“ vom 26. September und 3. Oktober 2020