29. November 2014: Kauf-Nix-Tag kontra herkömmliche Wachstumsideologie

 

Auf der ganzen Welt bemühen sich Politiker und Notenbanker, die Wirtschaft „in Schwung zu bringen“ (als ob derzeit alles still stünde) und die Menschen zum Konsumieren zu ermutigen. 


Ist nicht der „Kauf-Nix-Tag“ kontraproduktiv? Klare Antwort: Nein, er ist ein wichtiges Zeichen! Denn in den vergangenen Jahren seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 sind die kritischen Stimmen zum pausen- und hemmungslosen Konsum in der westlichen Welt lauter geworden. Kein Wunder, gelten doch übermäßiger Konsum und der Glaube, sich alles leisten zu können, als Mitauslöser der Krise. Und viele Konsumenten, die mit dem Adventbeginn in eine Art Kaufrausch verfallen, beschleicht dabei ein komisches Gefühl.

 

Akkurat in den USA, dem Shoppingland schlechthin, haben Aktivisten 1992 den „Kauf-Nix-Tag“ zum ersten Mal organisiert. Dort heißt er „Buy Nothing Day“, der jedes Jahr am letzten Freitag im November stattfindet – in Europa am letzten Samstag.

 

Die Erfinder wollen nicht, dass die Menschen ab diesem Tag nie wieder was kaufen, sondern etwas weniger. Und sie wollen, dass beim Einkauf darauf geachtet wird, woraus und wie das Gekaufte hergestellt wird, ob etwa die Arbeitskräfte in den Betrieben fair behandelt werden. Und sie wenden sich gegen die Wegwerfmentalität.

 

Außer Frage steht, dass wir vieles kaufen, das wir gar nicht brauchen. Laut einer Studie von Marketagent.com kaufen 56 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zumindest fallweise Dinge, die sie nicht brauchen. Jede Österreicherin bzw. jeder Österreicher hat im Durchschnitt vier Kleidungsstücke im Kasten, die sie/er noch nie getragen hat und auch nicht mehr tragen wird.

 

Was aber passiert mit dem europäischen Wirtschaftssystem, das auf Wachstum ausgerichtet ist, wenn Kaufzurückhaltung um sich greift? Viele Wissenschafter meinen, es würde nicht mehr funktionieren, weil es davon abhängig ist, dass immer mehr konsumiert wird. Der Hausverstand sagt uns aber, dass auf einer begrenzten Welt nicht unbegrenztes Wachstum möglich ist. Schon das jetzige Ausmaß des Konsums von Herrn und Frau Durchschnittsösterreicher ist nicht welt- und enkeltauglich. Es ist nicht möglich, dass alle Menschen auf der Welt so viel konsumieren wie wir Menschen der westlichen hochentwickelten Industriestaaten. Und da wollen Wissenschafter und Politiker, dass unser Konsum noch wachsen soll?

 

Gut ist, dass die Anzahl der kritischen Experten und Laien immer größer wird. Einer von ihnen ist der Ökonom und Wachstumskritiker Niko Paech von der Universität Oldenburg. Er spricht von „Konsum-Burn-out“. Wir besäßen alle so viel, dass die Zeit fehle, dies alles so abzuarbeiten, dass es einen spürbaren Nutzen erzeuge.

 

Der Übergang von der Wirtschaft des materiellen Wachstums zur stationären Wirtschaft – oder anders ausgedrückt: vom quantitativen zum qualitativen Wachstum – ist eine große Herausforderung. Die westliche Welt muss sich dieser Herausforderung stellen!