29. Jänner 2018: Wetterextreme, weil die Klimaerwärmung den Jetstream verändert

 

 

Die Wissenschaft prophezeit seit Jahren, dass die Erderwärmung zu mehr Wetterextremen führen wird. So wie jetzt – Schneemassen in den Westalpen und Wärmerekorde in Südspanien.

 

 

Folgender Text ist der Tageszeitung „Salzburger Nachrichten“ vom 29. Jänner 2018 entnommen 1

 

Vielfliegern ist der Jetstream2 ein Begriff. Die kräftige Höhenströmung zieht in Schlangenlinien von West nach Ost. Sie beschert Flugzeugen auf dem Weg von den USA nach Europa Rückenwind und bremst in der Gegenrichtung. Abgesehen davon wirkt der Jetstream als Wettermacher. Wie ein Förderband transportiert er Hoch- und Tiefdruckgebiete nach Europa und sorgt für Sonne oder Wolken.

 

Doch der Jetstream verändert sich. Ursache dürfte die menschgemachte Erderwärmung sein. Darauf deuten immer dichtere Forschungserkenntnisse hin. Am Ende steht, was Klimaforscher seit Jahren vorhersagen: Wetterextreme werden nicht nur häufiger, sie dauern auch immer länger an. So wie derzeit. Seit längerem herrschen in Europa für die Jahreszeit sehr milde Temperaturen. Erst vor wenigen Tagen hatte es im südspanischen Valencia den Rekordwert von 26,6 Grad Celsius. Montpellier in Südfrankreich meldete mit 14,5 Grad die wärmste je im Jänner gemessene Nachttemperatur. Gleichzeitig versanken die Westalpen im Schnee, im Norden tobte der Sturm „Friederike“.

 

Was hat der Jetstream damit zu tun? „Der Jetstream wird angetrieben durch die Temperaturunterschiede zwischen der warmen Äquatorregion und der kalten Arktis“, erklärt Jascha Lehmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Je stärker der Temperaturunterschied, desto stärker die Westwindströmung. Je geringer die Differenz, desto schwächer.

 

Nun setzt die menschgemachte Erderwärmung der Arktis am meisten zu. Das Polareis schmilzt in Rekordtempo. Nirgendwo sonst wird es rascher wärmer – und dem Jetstream geht das Tempo aus. Er wird langsamer und gerät ins Schlingern. Bereit 2012 beobachtete die US-Wetterbehörde NOOA, dass die normalerweise flotte West-Ost-Bewegung des Jetstreams immer wieder in eine gemächliche, beinahe stationäre Nord-Süd-Schwingung umschlägt. Das Phänomen ist nicht neu. Häufung und Dauer schon.

 

Die NOOA verortete als Ursache die Erwärmung der Arktis und die damit einhergehende Verringerung des Temperaturunterschieds zur Tropenzone. Seither bestätigte eine Reihe von Studien unter anderem des PIK, der Pennsylvania State University oder der Rutgers-Universität in New Jersey den Zusammenhang.

 

So wird es immer wahrscheinlicher, dass die Veränderung der großen Windsysteme unseres Planteten durch die Erderwärmung tatsächlich das Wetter beeinflusst.

 

Schlingert der Jetstream – so wie in den vergangenen Wochen über den USA – weit nach Süden aus und bleibt in seiner Bewegung nach Osten mehr oder weniger stecken, schaufelt er polare Kaltluft an. Was die grimmigen Temperaturen erklärt, die weite Teile der USA im Griff hatten. Über dem Atlantik wiederum geht es in einer großen Kurve weiter. Das führt zu den derzeitigen Wetterlagen in Europa. Warme und feuchte Luft wird verfrachtet. Sie treibt die Temperaturen in Spanien und Frankreich in die Höhe, fällt in den Alpen als Niederschlag, diesmal als Schnee, zu Boden und verursacht Turbulenzen an den nordeuropäischen Küsten.

 

Eine Änderung dieser Wetterlage kommt sicher. Spätestens, wenn sich der Jetstream wieder nach Osten in Bewegung setzt. Das aber kann, Erderwärmung sei Dank, dauern.

 

Im Sommer vermag dieses Phänomen eine paar heiße Tage zu einer Hitzewelle zu verlängern oder auch, wie in den vergangenen Wintern, aus bislang üblichen wenigen vorweihnachtlichen Föhntagen eine wochenlange Wärmeperiode zu machen.

 

Verursacht wird die Erderwärmung vor allem durch die Verbrennung von Kohl, Öl und Gas in Kraftwerken, Fabriken und Fahrzeugen.

 

 

1 Dieser Text stammt von Dr. Martin Stricker, dem großer Dank gebührt, weil er sich jeden Montag in den Salzburger Nachrichten informierend und motivierend dem Thema „Klimawandel“ widmet.

 

2 Jetstream (engl.) = Strahlstrom, ein äußerst intensiver, bandförmiger, nicht beständiger, von W nach O gerichteter Luftstrom mit Geschwindigkeiten zw. 150 km/h und bis zu mehr als 600 km/h in der oberen Troposphäre im Übergangsgebiet zw. polaren Kaltluft- und subtropischen Warmluftmassen (Frontalzone), der mit starken horizontalen Temperatur- und Druckgradienten verbunden ist. Im Jetstream herrscht, meist bei Wolkenlosigkeit, starke Turbulenz. (Quelle: Das Lexikon für Österreich in 20 Bänden mit ausgewählten Beiträgen aus den ORF-Redaktionen, Duden-Verlag)