28. September 2013: Klimabericht des Weltklimarates
Gestern wurde in Stockholm in einer 30-seitigen Kurzversion der 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates veröffentlicht. An dem insgesamt mehr als 2000 Seiten starken Bericht haben 259 Hauptautoren aus 39 Ländern vier Jahre lang gearbeitet. Sie sichteten den Stand der Wissenschaft seit 2007, dem Jahr, in dem der 4. Sachstandsbericht erschienen ist. Mehr als 50.000 Kommentare – auch von Klimaskeptikern – wurden berücksichtigt. Fazit: Die Konzentration von CO2, Methan und Stickstoffoxiden habe sich auf ein seit mindestens 800.000 Jahren nicht da gewesenes Niveau erhöht.
Der Einfluss der Menschheit auf die Klimaerwärmung steht außer Frage. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent sind die von der Zivilisation erzeugten Treibhausgase hauptverantwortlich für die seit 1850 gemessene Erwärmung der Atmosphäre. Jedes der vergangenen drei Jahrzehnte war wärmer als das vorangegangene und als jede beliebige Dekade seit 1850.
In der nördlichen Hemisphäre war der Zeitraum von 1983 bis 2012 mit großer Wahrscheinlichkeit die wärmste 30-Jahr-Periode seit 1400 Jahren. Natürliche Faktoren wie Vulkanausbrüche oder Sonnenaktivitäten haben auf den Klimawandel nur untergeordneten Einfluss. Weniger als die Hälfte des Anstiegs um 0,85 Grad Celsius seit 1880 geht auf das Konto natürlicher Schwankungen.
Die Tatsache, dass die globale Mitteltemperatur in den vergangenen 15 Jahren langsamer angestiegen ist als in den Jahrzehnten zuvor, ist keine Entwarnung und ändert nichts am langfristigen Trend. Die wissenschaftlichen Belege und Erkenntnisse, die die Aussagen der Wissenschafter unterlegen, sind noch aussagekräftiger geworden. „Die Klimaerwärmung ist eindeutig“, schreiben die Forscher im 5. Weltklimabericht. „Es gibt sehr viele Erfassungssysteme, mehr Satelliten und neue Instrumente, sodass man das gesamte Klimasystem besser erfassen kann“, sagt z. B. Prof. Ulrich Cubasch, einer der federführenden Autoren des Berichts. „Da hat sich sehr viel getan, und deshalb hat man viel mehr Zuversicht, dass man all das, was man kennt, auch richtig darstellt.“
Im Vergleich zur vorindustriellen Ära stieg der CO2-Gehalt der Luft von 0,028 % auf 0,040 %:
- Erstens wegen der Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas)
- Zweitens wegen der Änderung der Landnutzung (womit die Abholzung der Urwälder gemeint ist)
Ohne den natürlichen Treibhauseffekt („Glashauseffekt“) der Lufthülle würde auf der Erde eine Durchschnittstemperatur von – 18 Grad Celsius herrschen. Neben Stickstoff (78 %) und Sauerstoff (21 %) enthält die Luft auch Spurengase (1 %), wie z. B. Argon oder Kohlendioxid (CO2). Letzteres ist, obwohl es in der Luft nur mit 0,040 % enthalten ist, besonders stark für den Treibhauseffekt verantwortlich. Aber auch andere Spurengase tragen deutlich zum Treibhauseffekt bei: Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas N2O), Ozon (O3) und die rein künstlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).
Die Wissenschafter warnen in ihrem Bericht, dass, wenn der Anstieg der Emissionen von CO2 unverändert bliebe, bereits 2050 derart viel Kohlendioxid in der Atmosphäre wäre, dass die Temperatur um 2,3 Grad Celsius ansteigen würde. Ab einem Plus von zwei Grad rechnet die Wissenschaft mit dem Einsetzen unumkehrbarer und unkontrollierbarer Änderungen des Ökosystems der Erde. Selbst bei starken Verringerungen der Emissionen dürfte die Temperatur bis 2100 um 1,55 Grad steigen. Wenn aber keine Änderung des derzeitigen Trends stattfindet, so ist mit einem Anstieg von mehr als 4 Grad Celsius zu rechnen.
Eine der ziemlich genau abschätzbaren Folgen ist das Ansteigen des Meeresspiegels. Seit 1901 ist der Pegelstand um knapp 20 Zentimeter gestiegen. Bis Ende des Jahrhunderts werden es je nach Emissionen 45 bis 115 Zentimeter sein. Damit wären weite Regionen, etwa in Bangladesch, überflutet. Gründe sind die höhere Wassertemperatur (und damit die höhere Ausdehnung der Wassermassen) sowie das Abtauen der Gletscher und Polkappen.
Rund 90 Prozent der von 1970 bis 2010 im Klimasystem freigesetzten Energie ist laut Bericht des Weltklimarates in die Erwärmung der Ozeane geflossen. Übrigens: Während der letzten Zwischeneiszeit (vor 116.000 bis 129.000 Jahren) lag der Meeresspiegel fünf Meter höher als jetzt – es war allerdings auch um mindestens zwei Grad wärmer.
Die Forscher rechnen damit, dass es im Zuge des derzeitigen, durch die Menschheit verursachten Klimawandels mehr und längere Hitzeperioden geben wird. Vor allem in den Städten dürfte die Hitze ein Problem werden. Auch Phänomene wie Starkregen werden zunehmen. In Mitteleuropa werden die Winter wärmer und nasser, aber nicht sonniger. Schon jetzt fällt in Lagen unter 1000 Metern Seehöhe mehr Regen und weniger Schnee.
Dieser Bericht des Weltklimarates ist ein Weckruf für die Politik. Denn „an dem Tag, an dem alle Wissenschafter mit hundertprozentiger Sicherheit vor dem Klimawandel warnen, wird es zu spät sein“, sagt die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. .
Es grenzt an eine Tragödie, dass der Klimaschutz im österreichischen Wahlkampf praktisch kaum thematisiert wurde.
„Ungeachtet aller bereits sichtbaren Klimaänderungen ist der Kampf um die sogenannte Wettbewerbsfähigkeit, das heißt das Weiterdrehen des eingeübten Wirtschaftssystems, vorrangiger. Es ist, als wäre die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aus wirtschaftlicher Sicht unvermeidbar. Höchste Zeit für eine andere Sicht. Höchste Zeit auch für mutige Politiker.“ (Dr. Martin Stricker in den Salzburger Nachrichten vom 28. September 2013)