28. Oktober 2014: Der Klimaschutz und die Energiewende brauchen mehr als bloß ab und zu einen EU-Klimagipfel


 

Warum geht beim Klimaschutz nichts weiter? Darum, weil die bisherige Klimapolitik sich mit Halbheiten begnügte und deshalb die Energiewende zu keiner breiten Bewegung werden konnte. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die energieintensive Industrie und die großen Stromversorger nicht voll hinter der Energiewende stehen.

 

Natürlich können wir nicht 100%ig beweisen, dass wir Menschen Verursacher oder Mitverursacher des Klimawandels sind. Wir können aber auch das Gegenteil nicht beweisen. Deshalb ist es vernünftig, ja sogar – wegen der enormen Tragweite des Problems – unsere Pflicht, die Klimagasemissionen, vor allem den CO2-Ausstoß, vorsorglich zu reduzieren. Das heißt, unseren Energieverbrauch durch Nutzung der Potenziale bei der Energieeffizienz zu senken und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Das erfordert Anstrengungen und Umschichtungen, die einerseits Arbeitsplätze kosten, andererseits neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Zusätzlich bringt es uns Vorteile: geringeren Energieverbrauch, Unabhängigkeit von Energieimporten aus politisch problematischen Ländern, Exportchancen bei Energietechniken usw.

 

Wenn man davon ausgeht, dass die Umstellung der Energieversorgung auf umweltfreundliche, unerschöpfliche Energiequellen und auf weitgehende Unabhängigkeit von Importen fossiler Energieträger notwendig ist, dann müssten die Politiker diese Umstellung als ihre Pflicht betrachten und die Rahmenbedingungen entsprechend ändern. Leider tun sie es nur halbherzig und machen sich daher eigentlich schuldig.

 

Aber auch Konzernchefs und Aktionäre machen sich bis zu einem gewissen Grad mitschuldig, weil sie sich mit aller Kraft gegen die – zugegebenermaßen – großen Herausforderungen, die mit der Reduktion des CO2-Ausstoßes, mit der Umstellung auf Energieeffizienz und auf erneuerbare Energien verbunden sind, zur Wehr setzen und mit Abwanderung drohen – oder sogar dorthin abwandern, wo höhere Dividenden erzielbar sind.

 

Den Politikern müsste klar sein, dass der energieintensiven Industrie finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand (Steuerzahler) gewährt werden muss. Aber auch die Aktionäre dieser Industriebetriebe müssen ihren Anteil leisten. Von Seiten der Konzernchefs muss es die Bereitschaft geben, sich den neuen Anforderungen zu stellen und die nötigen Änderungen vorzunehmen (energieintensive Industriezweige nach Höhe der Abhängigkeit von Energie: Petrochemie, Düngemittel, Aluminium, Zement, Eisen und Stahl, Zellstoff und Papier, Glas).

 

Industrie ist ja ein bedeutender Teil der Wirtschaft, und „Wirtschaft“ ist Produktion von Gütern und Leistung von Diensten zur Befriedigung von Bedürfnissen. Nachdem heute das Grundbedürfnisses nach Erhaltung der Lebensgrundlagen und des Schutzes des Klimas an Bedeutung gewinnt, ist dort in vermehrtem Ausmaß das Schwergewicht der Industrie zu sehen, sei es bezüglich Produktionsweisen und Energieeinsatz oder auch in Bezug auf die Produktpalette.

 

Von Seiten der Industrie beschwört man immer wieder die Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Nun: Gerade der Klimaschutz und die Energiewende sind eine enorme Herausforderung, die nur mit einem gerüttelt Maß an Innovationen gemeistert werden können. Wieso versucht die Industrie hier abzublocken und sich Innovationen in den Weg zu stellen?

 

Klimaschutz und Industrie sind kein Widerspruch. Klimaschutz und Energiewende sind kein Störfaktor. Im Gegenteil: Sie bedeuten Arbeit, Wertschöpfung, Gewinn, Arbeitsplätze.

 

Österreichs Industrie hat die Chance, Vorreiter zu sein und daraus Gewinn zu erzielen!

 

 

 

 

 

Was ist für den Klimaschutz und für die Energiewende noch notwendig?

 

 

 

1) Bereitstellung von Ausgleichsenergie durch Errichtung von ergänzenden Strukturen, wie z. B. Stromspeicheranlagen:

 

Um dem wachsenden Anteil von Wind- und Solarstrom und somit dem räumlich und zeitlich stark schwankenden Stromaufkommen entsprechen zu können, sind zum Ausgleich Komplementärstrukturen und -techniken, wie Stromspeicheranlagen, Hochspannungsleitungen, Erzeugung von Kohlenwasserstoffen auf der Basis solar gewonnenen Wasserstoffs, E-Mobilität usw. notwendig.

 

Folgende Speichertechniken sind möglich: mechanische Speicherung (Pump-, Druckluft- und Schwungradspeicherung), chemische Speicherung (Aufladen von Batterien, Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser, Erzeugung von Kohlenwasserstoffen durch Synthese von Wasserstoff und CO2), Elektrostatische Speicherung (Aufladen von Kondensatoren), Wärmespeicherung (Umwandlung von Strom in Wärme)

 

 

 

2) Streichung von jedweder Art von Förderungen für fossile Energien

 

 

 

3) Staatlich geregelte schrittweise Verteuerung fossiler Energie, um erreichen zu können, dass bei der Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien Fortschritte gemacht werden:

 

Die derzeitige Energiewende-Politik besteht hauptsächlich darin, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Somit ist die Energiewende ein additiver Prozess. Sie müsste aber ein substitiver Prozess sein: Mit dem Ausbau der Erneuerbaren müsste der Verbrauch fossiler Energieträger zurückgehen. Das kann über den Markt nur dann funktionieren, wenn fossile Energieträger mit einer über einen längeren Zeitraum steigenden CO2-Abgabe belastet werden. Dazu ausführliche Darstellungen hier.

 

Die derzeitige Energiewende-Politik besteht hauptsächlich darin, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Somit ist die Energiewende ein additiver Prozess. Sie müsste aber ein substitiver Prozess sein: Mit dem Ausbau der Erneuerbaren müsste der Verbrauch fossiler Energieträger zurückgehen. Das kann über den Markt nur dann funktionieren, wenn fossile Energieträger mit einer über einen längeren Zeitraum steigenden CO2-Abgabe belastet werden. Dazu ausführliche Darstellungen hier.

 

Auf Grund der Tatsache, dass – vor allem in Deutschland – Wind- und Solarstrom stark gefördert wird, ohne dass die deutsche und EU-Energiepolitik dafür sorgt, dass Strom in zunehmendem Ausmaß dafür verwendet wird, fossile Energieträger zu ersetzen, kommt es immer häufiger zu Stromüberschuss und dadurch zu chaotischen Verwerfungen am europäischen Strommarkt. 2008 kostete die Megawattstunde Strom noch 80 Euro, derzeit aber nur 34 Euro (Quelle: Österreichischer Rundfunk Ö1, Mittagsjournal vom 5. November 2014). Eine ganzheitliche, ausgeglichene Energiepolitik würde größten Wert darauf legen, dass Komplementärstrukturen mitwachsen können (Verteuerung fossiler Energieträger durch CO2-Abgabe, Errichtung von Speicheranlagen usw.)

 

Die Verteuerung fossiler Energieträger durch eine steigende CO2-Abgabe würde eine zunehmende Nachfrage nach Strom aus Wasser, Wind und Sonne bewirken – und auch nach abgeleiteten Produkten, wie z. B. nach Wasserstoff, der mit Hilfe von Strom erzeugt wird, oder nach Kohlenwasserstoffen, die aus Wasserstoff und CO2 synthetisiert werden.

  

Der Vorteil der CO2-Abgabe gegenüber dem Emissionshandel besteht darin, dass alle Sektoren erfasst werden, also die gesamte Wirtschaft, der Verkehr, die Raumwärme und die Haushalte.

 

 

 

4) Unterstützung der Energiewende durch aufgeschlossene Aktionäre, die bereit sind, ihre Entscheidungen nicht bloß am kurzfristigen Gewinn zu orientieren:

 

Die Energiewende ist eine Angelegenheit, die von der gesamten Bevölkerung Investitionen fordert. Sie muss deshalb auch von den Aktionären finanziell mitgetragen werden.

 

 

4.1 Deshalb sind die Drohungen der Chefs der energieintensiven Industrie, ihre Standorte wegen Emissionsvorgaben der EU in Billig-Energie-Länder zu verlegen, nicht nur lächerlich, sondern auch verantwortungslos. Derzeit kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eigentlich die Aktionäre Politik machen, und zwar nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung, und dass die Politiker bloß ihre Marionetten sind.

 

 

4.2 Auch beim Stromsektor müssen die Chefs und Aktionäre in die Pflicht genommen werden, denn die herkömmlichen kaufmännischen Praktiken taugen für das neu entstehende Energiesystem nicht mehr. Dazu müssen wahrscheinlich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Stromhandels geändert werden, um bei der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien die Versorgungssicherheit garantieren zu können.

 

 

- Die derzeitige Praxis beim Stromhandel, den Strom dort zu beziehen, wo er gerade am billigsten ist oder wo für den Bezug sogar eine Belohnung lukrierbar ist, passt nicht zur neuen physikalischen Situation, die das Bereithalten von Kapazitäten für Ausgleichsstrom bzw. den Aufbau einer Komplementärstruktur (z. B. Errichtung von Speicheranlagen) erfordert.

 

- Es geht nicht an, dass österreichische Flusskraftwerke zeitweise zurückgefahren werden (also das Wasser ungenutzt das Kraftwerk passiert), weil gerade der Import von deutschem Windstrom lukrativer ist.

 

 

- Es muss damit Schluss gemacht werden, dass Stromhändler im Sinne des freien Strommarktes den Strom an der Börse im Voraus einkaufen dürfen (Termingeschäfte), um preisliche Vorteile nutzen zu können, dann aber, wenn zum Lieferzeitpunkt die vertraglich gesicherte Windstrommenge nicht lieferbar ist, Strom von Fossil- oder Atomkraftwerken einspringen muss.

 

 

- Es ist verantwortungslos, österreichische Gaskraftwerke einzumotten, obwohl sie derzeit die einzigen zur Verfügung stehenden Kapazitäten für Ausgleichsstrom sind – und obwohl man weiß, dass bei Verbindungsproblemen zu den norddeutschen Windenergieanlagen oder bei einer plötzlichen Windflaute die österreichische Stromversorgung wegen des mangelnden Ausgleichsstroms nicht mehr gewährleistet werden kann.

 

 

- Aus verschiedenen Gründen ist die Tonne CO2 extrem billig. Der Emissionshandel erfüllt die Aufgabe, für die er geschaffen wurde, nicht mehr. Die Politiker haben aber – unter Druck der energieintensiven Industrie, der großen Stromversorger, der Sozialpartner und der öffentlichen Meinung – nicht den Mut, fossile Energieträger zu verteuern (Förderungen für fossile Energien zurückzufahren, CO2-Emissionszertifikate vom Markt zu nehmen und eine CO2-Abgabe einzuführen). So rentiert es sich sogar, Kohlekraftwerke zu betreiben.

 

 

- Da keine Substitution fossiler Energieträger durch Wind- und Solarstrom stattfindet, außerdem der Energieverbrauch in Europa wegen der Wirtschaftskrise etwas gefallen ist, herrscht Energieüberschuss, speziell bei Strom. Der Marktpreis bei Strom ist deshalb sehr niedrig. Das trifft jene Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die keine Förderung erhalten oder für die die Förderung ausgelaufen ist, besonders hart, denn sie müssen mit indirekt oder direkt gefördertem Strom von Atom- und Braunkohlekraftwerken konkurrieren. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

 

 

- Vom Wettlauf der Stromhändler, die Konsumenten mit dem billigsten Strom zu ködern, geht das fatale Signal aus, dass wir einfach nur auf erneuerbare Energien umzusteigen brauchen und ansonsten so weitermachen können wie bisher. In Wirklichkeit müssen wir den Energieverbrauch halbieren. 

 

 

 

Die Manager der E-Wirtschaft sehen die Ursachen für das Chaos beim Strommarkt bei der Ökostromförderung, besonders der deutschen. Sie werden nicht müde, vor Stromausfällen zu warnen, weil die Übertragungsnetze nicht für Spitzenlasten von deutschem Windstrom ausgelegt sind.

 

In Wahrheit trägt in Österreich – neben der zaghaften Energiepolitik – die E-Wirtschaft selber Mitschuld an dieser kritischen Situation, weil den Chefs die Bedienung der Aktionäre wichtiger war und ist als das Bereithalten bzw. der Aufbau der nötigen Kapazitäten bei den Komplementärstrukturen. Die Chefs der E-Wirtschaft müssen einsehen und die Aktionäre dafür gewinnen, dass das Bereithalten von Gaskraftwerken im Sinne der Versorgungssicherheit absolut notwendig ist, auch wenn es nicht rentabel ist.

 

Die Energiewende ist für die großen Stromversorger eine enorme Herausforderung. Sie müssen Teil der Energiewende werden bzw. sich in die Energiewende integrieren lassen und sich damit abfinden, dass sie wegen der zunehmend dezentralen Stromaufbringung an Macht verlieren werden.

 

 

 

5) Die Energiewende ist ohne Rückgang des Gesamtenergieverbrauchs nicht vorstellbar. Deshalb können die „Energiestrategie Österreich 2020“ und das „Energieeffizienzgesetz“ nicht als brauchbare Grundlagen und Vorgangsweisen bei der Energiewende bezeichnet werden.

 

5.1 Im Energieeffizienzgesetz, das mit Beginn des nächsten Jahres in Kraft tritt, wird – wie auch in der „Energiestrategie 2020“ (2010) – nur das Ziel verfolgt, das Wachstum des Energieverbrauches durch Energieeffizienz zu verhindern. Das heißt, es soll erreicht werden, dass trotz Zunahme der beanspruchten Energiedienstleistungen (Wachstum der Industrieproduktion, Zunahme der in Österreich beheizten Gesamt-Wohnfläche…) und trotz Anstieg der Dienstleistungen im motorisierten Verkehr (stärker motorisierte Autos, mehr gefahrene Jahrskilometer pro Kfz …) der Energieverbrauch bis 2020 auf dem Niveau von 2005 möglichst stabil bleibt.

 

Die Energiewende verdient aber nur dann ihren Namen, wenn sie neben dem Umstieg auf erneuerbare Energien auch die Reduktion des österreichischen Energieeinsatzes mit einschließt. Denn aus erneuerbaren Energiequellen kann laut Studien bis 2050 nur erreicht werden, die Hälfte des heutigen Jahresenergieverbrauchs aufzubringen.

 

 

 

Quelle: "Energiestrategie Österreich 2020"

Graphik: KS-I, vergrößerbar

 

 

 

5.2 Das österreichische Energieeffizienzgesetz sieht weiters vor, die Energieversorger seien dafür verantwortlich, dass die Konsumenten sparsamer mit Energie umgehen. Wie soll das funktionieren? Das Scheitern ist vorprogrammiert. Dieses Gesetz spart auch den Verkehr aus und sorgt nicht für staatlich gelenkte Verteuerung fossiler Energieträger. Also ist auch davon auszugehen, dass eine Substitution fossiler Energien durch erneuerbare nicht oder kaum stattfinden wird. 

 

 

5.3 Daher ist es wichtig, dass in die kommende „Energiestrategie Österreich 2030“, die demnächst Diskussionsthema sein wird, die CO2-Abgabe aufgenommen wird und die Stabilisierung der gesamtstaatlichen Nachfrage nach Energiedienstleistungen und Dienstleistungen im motorisierten Verkehr als Ziel festgeschrieben wird. Nur dadurch kann es gelingen, dass die steigende Energie- und Verkehrseffizienz zu einem Rückgang beim Energieeinsatz führt und nicht durch steigende Nachfrage bei den energetischen Dienstleistungen „aufgefressen“ wird (stärker motorisierte Autos, mehr gefahrene Jahrskilometer pro Kfz., größere beheizte Räume und höhere Raumtemperatur…).

 

Durch geringeren Energieverbrauch wird die steigende CO2-Abgabe egalisiert.

 

Die Belastung fossiler Energien mit einer CO2-Abgabe bewirkt, dass alle Energieträger preislich nachziehen. So können sowohl der geordnete Rückzug aus der fossilen Energie als auch die Reduktion des Gesamtenergieverbrauches gelingen (Abkoppelung von der alleinigen Steuerung der Energieentwicklung durch die Weltmarktpreise, die einmal steigen und dann wieder fallen). Die Errichtung von Ökostromanlagen wird durch die CO2-Abgabe mit der Zeit rentabel, sodass Förderungen auslaufen können und künftig nicht mehr nötig sind.

 

 

 

6) Die EU braucht Pionierstaaten, die als Trendsetter vorausgehen:

 

Der letzte EU-Klimagipfel zeigte doch wieder ganz deutlich, dass es nicht gelingen wird, rechtzeitig alle 28 EU-Staaten für ein gemeinsames Energiewende-Tempo zu gewinnen.