27. Juni 2019: Traiskirchen rief den Klimanotstand aus
Für denkende Menschen ist die Erderwärmung ein Thema, das sie sehr beschäftigt. Viele Menschen sind verunsichert und mutlos. Es macht traurig, dass die Kluft zwischen dem, was für den Klimaschutz getan werden müsste, und dem, was tatsächlich unternommen wird, immer größer wird. Weltweit nehmen Wetterkapriolen zu. Der heurige Juni lehrt uns in Europa das Fürchten. Australien hat den heißesten und trockensten Sommer seit Beginn seiner Wetteraufzeichnungen erlebt. Der Anstieg des Meeresspiegels und das Wegschmelzen der Gletscher sind klare Zeichen der Erderwärmung. Die niederösterreichische Stadt Traiskirchen rief den Klimanotstand aus. Andere Gemeinden werden folgen.
CO2-Konzentration erreicht neuen Rekord
Es gibt kein Entkommen aus der Tatsache, dass unsere Atmosphäre heute deutlich mehr vom Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) enthält als noch vor dem Industriezeitalter. US-Wissenschafter registrierten kürzlich die höchste CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre seit Beginn ihrer Aufzeichnungen. Das Mauna-Loa-Observatorium in Hawaii, das seit den 1950er Jahren Messungen vornimmt, verzeichnete 415,26 ppm (Teile pro Million). Das heißt, der CO2-Gehalt in der Atmosphäre liegt bei 0,041 Prozent. Vor der Industrialisierung, d. h. etwa um 1850, lag der CO2-Wert nur bei 0,028 Prozent.
Dennoch werden die Klimaskeptiker und Leugner des vom Menschen verursachten Klimawandels (z. B. Präsident Trump!) nicht müde, ihre destruktive Botschaft unters Volk zu bringen
Es handelt sich zum Großteil um unbelehrbare und unbekehrbare Menschen. Aber auch Uninformiertheit, Verdrängung und Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse spielen eine Rolle. Manche machen sich überhaupt über Klimaschutzbemühungen lustig und prophezeien das Scheitern des Klimaschutzes. Sie sehen die Menschheit in eine globale Katastrophe schlittern.
Die zweite Gruppe sind die Verharmloser der Erderwärmung
Sie benehmen sich so, als gäbe es noch viele Jahre Zeit für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Obwohl die Lage sehr ernst ist, neigen sie dazu, eher auf die Bremse zu steigen: „Klimaschutz ja, aber nicht so schnell!“ Zu den Verwässerern des Klimaschutzes zählt auch Österreich: Der Verbrauch fossiler Energieträger steigt statt zu sinken.
Andere Motive sind Egoismus und wirtschaftliche Interessen
So will zum Beispiel die indische Milliardärsdynastie Adani nach Jahren intensiver Lobbyingtätigkeit im australischen Queensland die größte Kohlemine der Welt eröffnen. Bis zu 60 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohle sollen jährlich über eine fast 190 Kilometer lange Bahnstrecke an die Küste nahe dem Great-Barrier-Riff gebracht und nach Indien verschifft werden, wo sie verstromt werden und zur weiteren Erhitzung unserer Atmosphäre beitragen. Die Steinkohle soll sowohl über als auch unter Tag abgebaut werden. Bei Vollausbau würde die Mine laut der NGO Stop Adani Alliance jedes Jahr vier Mal so viel Treibhausgase verursachen wie Australien selbst. Dagegen nimmt sich US-Präsident Donald Trump wie die Inkarnation der Vernunft aus. Umweltorganisationen und Bürger laufen Sturm gegen diesen Plan. Vergeblich, wie es zur Zeit aussieht. Das Argument, es werden Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert, das zieht.
Zur vierten Gruppe zählen vor allem Politiker – in erster Linie im konservativen Lager
Warum befindet sich für viele Politiker der Klimaschutz immer noch weit unten auf der Liste der dringendsten Anliegen? Warum stehen Straßenbau und die Errichtung von Autobahnen immer noch an erster Stelle? Warum favorisieren z. B. in Oberösterreich Schwarz und Blau die Errichtung einer Linzer Ostumfahrungs-Autobahn als Verbindung von A7 und A1 statt sich vehement für Errichtung einer leistungsfähigen, schnellzugtauglichen Bahnverbindung zwischen Pregarten und Linz einzusetzen?
Was muss noch passieren, um solche Politiker zum Mobilitäts-Umdenken zu bewegen? Genügt es nicht, dass wir den heißesten Juni seit Beginn der Aufzeichnungen hautnah erleben und die Experten eindringlich darauf hinweisen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird?
Deshalb müsste doch klar sein, dass beim größten Klimaschutz-Sorgenkind, bei der Mobilität, eine Änderung notwendig ist – eine Verkehrswende:
- Vermeiden von motorisiertem Verkehr
- Verlagern: Nicht vermeidbaren motorisierten Verkehr zum öffentlichen Verkehr bzw. zur Bahn verlagern
- Ökologisch, solar: Umstellung des motorisierten Verkehrs auf umweltfreundliche, vor allem CO2-neutrale Antriebstechniken mit Strom als hauptsächliche Primärenergie
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Verkehrswende auf Widerstände stößt, denn es geht um Gewohnheiten, und die Autobauer und die Frächter sind auf Wachstum aus. Deshalb wählt die Mehrzahl der Politiker den einfacheren Weg, nämlich Straßen und Autobahnen zu bauen. Denn Wählerstimmen sind ihnen wichtig.
Man schreckt auch davor zurück, das Steuersystem zu ökologisieren, also z. B. fossile Energieträger durch eine CO2-Steuer zu belasten. Noch schlimmer: Die Politik lässt es zu, dass für Kerosin (Flugbenzin) keine Mineralölsteuer eingehoben wird. Zusätzlich ist für Flugtickets im internationalen Flugverkehr keine Umsatzsteuer zu bezahlen (Flugzeuge verursachen pro Personenkilometer mehr als doppelt so hohe CO2-Emissionen wie Pkw, acht Mal so hohe CO2-Emissionen wie Reisebusse und 28 Mal so hohe Emissionen wie die Bahn in Österreich).
„Klimaschutz ja, aber keine Belastung für die Bürger“, heißt es. „Keine neuen Steuern!“ Exkanzler Sebastian Kurz lehnt Steuern auf CO2-Emissionen fossilen Ursprungs ab. Begründung: Das gehe auf Kosten des ländlichen Raumes und der Pendler, die auf das Auto angewiesen sind.
Würden sich so manche Politikerinnen und Politiker intensiver mit der CO2-Steuer auseinandersetzen, dann wäre ihnen bekannt, dass die Fachleute für eine solche Steuer einen ökologischen Ausgleich vorsehen würden: Die Einnahmen aus der CO2-Steuer würden gleichmäßig unter die Bevölkerung zurückerstattet; Gewinner wären jene, die wenig oder gar kein fossiles CO2 emittieren.
Darauf zu warten, dass die Bevölkerung auf freiwilliger Basis auf Energie aus erneuerbaren Quellen, auf Energie- und Verkehrseffizienz und auf Energie- und Verkehrssparen umsteigt, das würde zu lange dauern. Deshalb muss die Politik sich zu einem interfraktionellen Schulterschluss durchringen, die Menschen zum Umdenken bewegen und steuernde Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems setzen.
Schlimm ist auch, dass bezüglich Klimaschutz selbst innerhalb der EU keine Einigkeit zustande kommt. Beim Gipfeltreffen des Europäischen Rates vom 20. und 21. Juni in Brüssel blockierten vor allem die rechtskonservativen Regierungen die verbindliche Festlegung auf ein neues Klimaziel bis 2050 – ganz vorn Polen, dann auch Ungarn, Tschechien und in geringem Maße auch Estland.
Die fünfte Gruppe wird von den Wirtschaftstreibenden gebildet, die begriffen haben, dass die direkten Schäden im eigenen Geschäft zunehmen.
Jene Unternehmen, die sich bloß einen grünen Anstrich verpassen, werden immer weniger. Denn wenn die Temperaturen steigen und Extremereignisse zunehmen, dann ist das mit zunehmenden Kosten verbunden – für Versicherungen, Transporte, Kühlung, Wasser und Emissionsrechte, einbrechende Nachfrage im Markt nach bestimmten Produkten usw. Es wächst daher die Zahl derer, die bereit wären, mehr zu tun als bisher. „Wir warten eigentlich nur noch, dass endlich die Ansage der Politik kommt, dass es ernst wird.“ Man ist bereit, sich mit dem Klimawandel auseinander- zusetzen und etwas dagegen zu tun. Es herrscht weithin Verwunderung, dass die Politik nichts vorgibt.
Viele Unternehmen fürchten sogar, dass große Anleger jene meiden werden, die zu viel Treibhaugase ausstoßen. 80 Prozent der Großunternehmen erwarten große Auswirkungen durch den Klimawandel, ergab eine Befragung der anerkannten britischen Organisation Carbon Disclosure Project.
Manche sehen in der Erderwärmung zwar eine große Gefahr, ihre Klimaschutz-Bemühungen könnten aber doch intensiver sein - die Bemühungen der Vorstände der Zementindustrie, der Manager der Aluminiumproduzenten, der Bosse der Autobranche, der Funktionäre der mächtigen Interessenvertretungen.
Die sechste Gruppe sind jene, die sich die Untätigkeit vieler Politiker nicht mehr länger bieten lassen und sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen.
Es gibt die vielen ermutigenden Zeichen und Strömungen, wie z. B. die weltweite FridaysForFuture-Bewegung, die von der jugendlichen Schwedin Greta Thunberg ihren Ausgang genommen hat. Vor allem die Jugend ist es, die weltweit Weichenstellungen fordert.
Österreich gehört leider zu den Säumigen. Nur durch wesentlich stärkere Anstrengungen kann unser Land die Klimaziele erreichen und sich dadurch eine 8,7 Milliarden-Euro-Strafe ersparen.
Wissenschafterinnen und Wissenschafter melden sich vehement für den Klimaschutz zu Wort, z. B. die Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Die Österreicherin Katharina Rogenhofer initiierte ein Klimavolksbegehren, für das nach der Wahl im Herbst die Unterstützungsphase beginnt.
Die Gemeinde Traiskirchen ruft den Klimanotstand aus. Weitere Gemeinden – und auch Länder – werden mit Sicherheit folgen. Dänemark übernimmt als erste Klimaregierung Europas mit einem grünen Regierungsprogramm die Klimaschutz-Vorreiterrolle. Danke, Traiskirchen! Danke, Dänemark!