27. April 2014: Unzulässige Vergleiche bei den Klimagas-Emissionen

 

Mächtige Industriebosse lassen nichts unversucht, gegenüber Österreichs Politik und Bevölkerung mit Abwanderung zu drohen – unter anderem wegen der hohen Energiepreise und Klimaschutz-Auflagen in der EU. Wie Zeitungen, die sich „unabhängig“ nennen, dabei  mitspielen, sieht man am Beispiel der „Oberösterreichischen Nachtrichten“ (OÖN, Wochenendausgabe vom 26. April d. J.). Diese Zeitung behandelte in Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung OÖ auf einer Doppelseite (Beilage „Magazin", Seite 6 und 7) die Klimathematik unter dem Titel „CO2 - ein ,heißes’ Gas“ und brachte dabei leider nicht nur wervolle Informationen, sondern ließ sich auch zu einer höchst fragwürdigen Darstellungsweise hinreißen, indem sie sich unzulässiger Vergleiche und verwirrender Darstellungen bediente, um die EU-Klimapolitik lächerlich zu machen, Österreichs Klimaschutz-Bemühungen als ausreichend hervorzuheben und Österreichs Strafzahlungen (z. B. wegen der Nichterreichung des Kyoto-Zieles) als ungerechtfertigt darzustellen. 

 

Diese Darstellung kann nicht unwidersprochen bleiben. Auf einige Punkte soll im Folgenden eingegangen werden:

 

1) Unzulässiger Vergleich zwischen den natürlichen CO2-Emissionen als Teil des Kohlenstoffkreislaufes und den CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (siehe Bildausschnitt 2 rechts oben):

 

Die oben genannte Zeitung vergleicht die CO2-Emissionen der Natur (Atmung, Verwesung, Vulkanismus...) mit den CO2-Emissionen der Zivilisation.

Zitat: "Die anthropogenen - vom Menschen verursachten - Kohlenstoffdioxid-Emissionen betragen jährlich circa 36,3 Gigatonnen und sind nur ein kleiner Anteil des überwiegend aus natürlichen Quellen stammenden Kohlenstoffdioxids von jährlich etwa 550 Gigatonnen."

 

Warum ist dieser Vergleich unzulässig?

 

1.1) Was Tiere und Menschen ausatmen, das nehmen die Pflanzen wieder auf.  Dieser natürlichen CO2-Kreislauf (eigentlich "C-Kreislauf", "Kohlenstoffkreislauf") existiert schon hunderte Millionen Jahre: Pflanzen produzieren aus H2O (Wasser) und CO2 (Kohlenstoffdioxid) mit Hilfe der Sonnenstrahlung pflanzliche Biomasse (Verbindung aus Kohlenstoff und Wasser) und setzen dabei O2 (Oxygenium, Sauerstoff) frei. Tiere und Menschen konsumieren direkt oder indirekt diese pflanzliche Biomasse, gewinnen aus der Verbrennung des Kohlenstoffs Energie und atmen das Verbrennungsprodukt CO2 aus. Selbst die Verbrennung von Biomasse für technische Zwecke (z. B. fürs Heizen) befindet sich im Rahmen diese Kreislaufes, wenn nicht mehr verbrannt wird als nachwachsen kann.

 

1.2) Auch zwischen Vulkanismus (Aussoß von Kohlenstoff, gebunden mit Sauerstoff im CO2) und nachfolgender Einlagerung von Kohlenstoff in den Boden (Humusbildung) bzw. Einschluss in die Erdkruste (Fossilisation) herrscht ein - wenn auch schwankendes - Gleichgewicht. Für diese - übrigens extrem langen - Schwankungszyklen tragen wir Menschen keine Verantwortung.

 

1.3) Wenn wir allerdings Kohle, Erdölprodukte und Erdgas verbrennen, dann verbrennen wir Kohlenstoff, der in fossilen Energieträgern gebunden ist. Dieser Kohlenstoff wurde vor Millionen von Jahren, als die Luft mehr Kohlenstoffdioxid enthielt und daher das Klima wärmer und die Wetterextreme ärger als heute waren, der Atmosphäre entzogen, indem Biomasse von Sedimenten überdeckt wurde und so von der Biosphäre in die Gesteinszone verlagert wurde. Mit der seit ca. 150 Jahren stattfindenden massiven Freisetzung und Verbrennung von fossilen Energieträgern gelangt nun zusätzlicher Kohlenstoff, verbunden mit Sauerstoff, also als Kohlenstoffdioxid CO2 in großen Mengen in die Atmosphäre, wo es sich anreichert. Daran sind auch wir Autofahrer schuld, denn auch wir  fahren mit fossilen Kraftstoffen. 

 

Die Anreicherung in der Atmosphäre hat damit zu tun, dass die Natur diesen Kohlenstoff über den Umweg der Pflanzen nur extrem langsam fossilisieren (wieder im Boden einlagern) kann – unvorstellbar langsamer als das heutige Tempo der Kohlenstoff-Freisetzung.

 

2) Dass die OÖN in diesem Zusammenhang den Klimawandel-Skeptiker Horst-Joachim Lübecke zitieren, ist bezeichnend (siehe unten Bildausschnitt 2 rechts oben):

 

Wem der Klimaschutz wirklich ein Anliegen ist, der vermeidet es, solche Herren zu Wort kommen zu lassen, oder verweist auf sie im Sinne von Negativbeispielen. Auch die Atomlobby hat immer wieder versucht, mit dem Hinweis auf die natürliche Strahlung die Gefahren und Probleme der Atomenergienutzung zu verharmlosen.

 

3) Unzulässiger Vergleich zwischen menschlicher Atmung und den Emissionen des Autoverkehrs (siehe unten Bildausschnitt 2 Mitte rechts):

 

Die oben genannte Zeitung vergleicht die Atmung mit dem CO2-Ausstoß der Autos:

Zitate: "Bei 1 Milliarde Autos weltweit 1,5 Milliarden Tonnen CO2."

"7 Milliarden Menschen weltweit erzeugen rund 3 Milliarden Tonnen CO2."

 

Warum ist dieser Vergleich unzulässig?

 

Die Atmung ist ein Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufes. Das CO2, das Menschen und Tiere ausatmen, entsteht in ihren Körpern bei der langsamen Verbrennung des Kohlenstoffs, der in der Nahrung enthalten ist. Das heißt, dieser Kohlenstoff stammt von den Pflanzen. Die Pflanzen aber ernähren sich vom CO2 aus der Luft (und vom Wasser aus dem Boden). Sie nehmen also den Kohlenstoff auf, den Menschen und Tiere ausatmen. 

 

Autos werden allerdings mit fossilem Kraftstoff betrieben. Das heißt, es wird zusätzliches Kohlenstoffdioxid emittiert und führt zur Anreicherung in der Atmosphäre.

 

Schon jeder Hauptschüler weiß, dass man das CO2 aus der Verbrennung fossiler Treibstoffe nicht mit dem CO2, das Menschen und Tiere ausatmen, vergleichen kann! 

 

4) Hinkender Vergleich zwischen den CO2-Emissionen der EU und denen von China (siehe unten Bildausschnitte 2 links unten und Bildausschnitt 3):

 

Ja, China emittiert große Mengen CO2, vor allem aus der Kohleverbrennung, aber erst seit einigen Jahrzehnten. Man tut China  unrecht, wenn man die Treibhausgas-Emissionen der EU mit denen Chinas vergleicht, ohne darauf Bezug zu nehmen, dass China fast 2 1/2 Mal so viele Einwohner hat wie die EU. Bis vor kurzem lagen die Pro-Kopf-Emissionen Chinas noch unter denen der EU.

 

Weiters muss man berücksichtigen, dass die Industrieländer schon seit 150 Jahren fossile Energieträger in großem Stil verbrennen. Deshalb stammt der CO2-Müll, der sich in der Atmosphäre angesammelt hat, hauptsächlich von uns Menschen der Industrieländer – und nicht von den Chinesen. Das heißt, wir dürfen uns nicht auf die Chinesen ausreden, sondern müssen selber beim globalen Klimaschutz vorangehen.

 

5) Beschönigende Darstellung der EU-Treibhausgas-Emissionen:

 

4,6 Milliarden Tonnen Treibhausgase emittierte die EU im Jahr 2011 (im Bildausschnitt 2 links unten). Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen beträgt 34,03 Milliarden Tonnen (im Bildausschnitt 3 links oben). Somit emittiert die EU nicht "knapp über 10 Prozent" (im Bildausschnitt 3 oben Mitte), sondern eben 13,5 Prozent des weltweiten Ausstoßes.

 

  

 

Gesamtbild der Doppelseite: 

 

 

 

 

 

Vier Bildausschnitte:

 

 

Bildausschnitt 1:

 

 

Bildausschnitt 2:

 

 

Bildausschnitt 3:

 

 

Bildausschnitt 4: