24. Dezember 2019: Jesus wäre ein Klimaschützer

 

Den Menschen ist vielfach der Respekt vor der Schöpfung abhanden gekommen. Gerade zu Weihnachten sollten wir uns daher ein Beispiel an Christus nehmen, der eine ganz besondere Beziehung zur Natur hatte. 

 

Ein Übersetzungsfehler führte zu einem der größten Missverständnisse in der Geschichte der christlichen Kirchen. In der Schöpfungsgeschichte, dem 1. Buch Mose, heißt es: „Macht euch die Erde untertan.“ Entsprechend überheblich haben sich Hunderte von Generationen aufgeführt. Heute stehen wir vor dem Ergebnis der angeblich göttlich verordneten Gier und Ausbeutung. Wir Menschen haben unsere Erde geschunden. Das Heulen und Zähneknirschen ist groß angesichts der unübersehbaren Folgen der Plünderung.

 

Eigentlich hätte die Übersetzung vom Aramäischen ins Griechische und zurück sinngemäß lauten müssen: „Macht die Erde urbar und kümmert euch um sie, pflegt und hegt sie, passt auf sie auf!“

 

Im Namen des biblischen Unterwerfungsgebots ist jedoch das Gegenteil passiert. Wir Menschen pumpen schädliche Abgase in die Luft, wir vergeuden und verseuchen unser sauberes Wasser, wir betonieren die Landschaften zu, auf dass sie nicht mehr atmen können, wir roden die Urwälder, wir produzieren Lebensmittel im Überfluss, werfen sie wider weg und sehen zu, wie Millionen verhungern, wir fischen die Meere leer, wir vergiften die Erde, um an ihre Schätze heranzukommen, wir setzen auf lebensgefährliche Atomenergie, wir rotten mit unserem Verhalten Tausende Pflanzen- und Tierarten aus, wir vertrocknen den Boden und verwüsten ihn buchstäblich und treiben damit die Menschen dort in die Flucht. Wenn sie sich dann auf die Suche nach einer neuen lebenswerten Herberge machen, begegnen wir ihnen – mit wenigen Ausnahmen – abweisend. So haben es auch schon Josef und Maria in Bethlehem erlebt.

 

Was hätte Jesus Christus, dessen Geburt wir heute feiern, zu dieser Entwicklung gesagt? Hätte sie ihn kalt gelassen, wie so viele von uns? Hätte er sie geleugnet, wie es auch manche tun? Hätte er sich zurückgelehnt und auf die technologische Lösung aller Probleme gehofft? Oder würde er jeden Freitag, seinem Sterbetag, für den Kampf gegen den Klimawandel demonstrieren?

 

Jesus wäre heute wohl ein Klimaschützer. Keiner, der bei einer Partei wäre, auch nicht bei einer NGO. Organisationen und Hierarchien waren ihm suspekt. Er wäre aber auf jeden Fall einer, der sich für die Erhaltung der Schöpfung einsetzt. Kompromisslos. Unerschrocken. Rebellische, wie er einst die Händler aus dem Tempel geworfen hat, würde er heute den großen Umweltsündern entgegentreten. Er würde es aber nicht mit Angstparolen versuchen, sondern mit einem positiven Ansatz. Die christliche Botschaft, die wir auch am Heiligen Abend feiern, baut längst nicht mehr auf Angst. Das war einmal, im Alten Testament. Da wurde Gott häufig als ein Gott der Drohungen und der Strafe wahrgenommen. Im Weihnachtsevangelium nach Lukas sagt der Engel des Herrn hingegen zu den Hirten, als er ihnen die Geburt Jesu verkündet: „Fürchtet euch nicht!“

 

Der katholische Publizist und Umweltaktivist Franz Alt hat ein Bild vom „ökologischen Jesus“ entwickelt, das heute, in der Zeit des Klimawandels, aktueller ist denn je. Papst Franziskus hat dann in seiner Enzyklika „Laudato si“ mit aller Vehemenz die Umweltsünden unserer Gesellschaft angeprangert. Beide sehen den Ausweg nicht im alleinigen staatliche Umweltgebot, wie es viele verlangen. Sie mahnen auch den Beitrag jedes Einzelnen ein.

 

Sie setzen auf den inneren Wandel. Auf die Bereitschaft der Menschen zur Umkehr, zur Besinnung auf Werte, die zu Weihachten hochgehalten, aber nicht immer gelebt werden: Liebe, Friede, Demut, Bescheidenheit, Achtung vor der Schöpfung. Beide sehen die Rettung der Erde als eine globale Aufgabe der globalen Bürgergemeinschaft, an der sich alle beteiligen müssen.

 

Jesus hätte sich daran nicht nur beteiligt, er wäre vermutlich vorangegangen. Zahlreich sind im Neuen Testament die Stellen, in denen er Bezug zu Natur und Umwelt nimmt und deren Achtung anmahnt. (…)

 

In unserer Welt leben wir nach den Prinzipien des Vorantreibens, des Machens, des Müssens, wie Franz Alt sagt. Nichts darf dem Zufall, geschweige der Vorsehung überlassen werden, alles unterliegt dem Willen des Menschen, der sich Schritt für Schritt zur Allmächtigkeit aufschwingt.

 

Die Entwicklung unseres Klimas zeigt uns auf, wie absurd diese Allmachtfantasien sind. Wir können die Erde nicht retten und für die nächste Generationen lebenswert erhalten, wenn wir weiterhin nur an technische Lösungen glauben. Wir brauchen dazu auch die innere Umkehr, den Willen zur Veränderung und den Glauben daran, dass wir es besser machen können. Wir müssen auch selbst Verantwortung übernehmen.

 

Die Mischung aus staatlichen Rahmenbedingungen, technischen Möglichkeiten und individuellem Engagement kann uns aus der Sackgasse führen. Im Zusammenhalt liegt die Kraft. Nicht im Egoismus, im Schielen nach den eigenen Vorteilen. Wenn wir miteinander arbeiten und nicht wie zuletzt in Madrid gegeneinander, dann ist die Wende möglich.

 

 

 

Quelle:

Ausschnitte aus dem Leitartikel von Manfred Perterer in den Salzburger Nachrichten vom 24. Dezember 2019