23. Oktober 2019: „Wir leben in vielen Bereichen auf zu großem Fuß“
Die Sprecherin der „Fridays for Future“-Bewegung im Land Salzburg ist die 17-jährige Ursulinen-Gymnasiastin Gloria Berghäuser. Bei einer von den Salzburger Nachrichten veranstalteten Diskussion nannte sie das generelle Problem der reichen Länder beim Namen: „Wir leben in vielen Bereichen auf zu großem Fuß.“ Die Schülerin stellte in Aussicht, dass die Bereitschaft zu Freitagsdemonstrationen erst dann abnehmen werde, wenn „die Politiker ihre Hausaufgaben gemacht haben. Dann kehren wir in die Klassenzimmer und machen unsere.“ (Anm.: „…dann kehren wir in die Klassenzimmer zurück und machen unsere Hausaufgaben.“)
Im Februar 2019 nahmen bei der ersten Demonstration rund zehn Leute teil. Zuletzt aber waren es bereits 6.000. Es ist der „Fridays for Future“-Bewegung gelungen, auch bei den Politikern und bei den Medien Umwelt- und Klimaschutz zum Hauptthema zu machen. Gibt es einen Ausweg aus der Klimakrise? Und wenn ja, dann welchen? Über diese Frage diskutierten im Salzburger-Nachrichten-Saal
- der Vorstandssprecher der Salzburg AG, Leonhard Schitter,
- der Grazer Uni-Professor und Mitglied des ‚Wegener Centers, Karl Steininger,
- der Chef der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Michael Staudinger,
- und eben Gloria Berghäuser.
Michael Staudinger wehrte sich gegen den Ausdruck Klimakrise. Was wir erleben, sei nur ein Vorgeschmack auf eine tatsächliche Krise. Die Menschen täten sich mit dem Thema deshalb so schwer, weil es sich erstmals um ein Katastrophenszenario handelt, das erst die nächsten Generationen voll treffen werde. „Bei einem Hochwasser wissen wir, es ist in zwei oder drei Tagen da. Da laufen alle zusammen und handeln. Bei der Klimakatastrophe fahren wir wie in einem Zug ohne Bremse auf die Mauer zu.“
Karl Steininger bezifferte den wirtschaftliche Schaden aus der Klimakrise allein für Österreich mit vier bis acht Milliarden Euro pro Jahr ab 2050. Dazu kämen Strafzahlungen von rund fünf bis zehn Milliarden Euro in den Jahren 2020 bis 2030.
Salzburg-AG-Chef Leonhard Schitter forderte einen Klimapakt zwischen allen Beteiligten: Politik, Energiewirtschaft und Konsumenten. Es sei viel verschlafen worden. Um das Regierungsziel zu erreichen, dass bis 2030 aller Strom in Österreich aus erneuerbaren Quellen stammt (derzeit sind es 75 Prozent), muss ab jetzt jeden zweiten Tag ein Windrad in Betrieb genommen werden. „Und wir brauchen pro Jahr 200.000 Photovoltaikdächer.“ Schitter bedauerte, dass nach einer Umfrage von „Österreichs Energie“, deren Präsident er ist, nur 60 Prozent der Menschen an Energie und deren sauberer Gewinnung interessiert seien. 39 Prozent seien hingegen desinteressiert, sogenannte Ökomuffel.
Das Thema Klimaskeptiker erklärte ZAMG-Direktor Michael Staudinger mit dem bedeutenden wirtschaftlichen Hintergrund. In den Böden der Erde lagere Öl im Wert von 27.000 Milliarden Euro. Um eine Trendwende im Klima und das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssten zwei Drittel davon im Boden bleiben. Da gehe es also um extrem viel Geld. Diese Lobby betreibe vehement Gegenpropaganda wie einst die Tabak- oder Asbestindustrie. Und diese Gegenpropaganda habe zum Ziel, Zweifel an den Erkenntnissen der Wissenschaft zu schüren. Am Ende soll dann das Gefühl herauskommen: „Machen wir weiter so wie bisher.“ Staudinger appellierte vor allem an die Medien, Aufklärung zu betreiben und Bewusstsein für eine Verhaltensänderung zu fördern.
Auf dem Podium herrschte Einigkeit darüber, dass die Wende in der Klimapolitik eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft sei. Gloria Berghäuser sagte, sie wolle der älteren Generation aber keinen Vorwurf machen, diese habe nicht an allem Schuld. Es sei in der Vergangenheit einiges falsch gemacht worden. Es sei aber nicht das Ziel ihrer Bewegung, einzelne Bürger dafür verantwortlich zu machen. Die „Fridays for Future“-Bewegung sei dagegen, die Verantwortung auf die Konsumenten abzuschieben.
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 23. Oktober 2019