23. Februar 2018: Energie- und Verkehrswende kann nur mit CO2-Abgabe gelingen

 

 

 

Die Politik hat es bisher unterlassen, fossile Brenn- und Treibstoffe und Fossilstrom mit einer schrittweise steigenden CO2-Abgabe zu belasten. Deshalb gibt es bei der Energie- und Verkehrswende kaum Fortschritte.

 

 

Zwei fatale Versäumnisse

 

Vor allem in Deutschland, aber auch in anderen EU-Ländern boomt auf Grund von Förderungen der Ausbau der Solarstromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik, ohne dass die Politik dafür sorgt, fossile Brenn- und Treibstoffe und Strom von fossil betriebenen Wärmekraftwerken (und Atomstrom, um ein Ausweichen zu verhindern) staatlich geregelt schrittweise zu verteuern.

 

Die Folge ist, dass die Energiewende derzeit kein Substitutionsprozess ist, sondern ein Additionsprozess. Das heißt, Strom von Wind und Photovoltaik dient nicht dazu, den Einsatz fossiler Energieträger zurückzudrängen, sondern insgesamt das Energieangebot zu erhöhen und somit Energie zu verbilligen. Das führt zu Chaos am Strommarkt und zu einem Stocken der Energiewende. Derzeit kommt außerdem die Tatsache dazu, dass der Weltmarktpreis bei Öl niedrig ist.

 

Die Politik hat es auch verabsäumt, dem stark schwankenden Stromaufkommen aus Photovoltaik und Windkraft in der Form zu entsprechen, dass in die Bereitstellung von Ausgleichsstrom investiert wird, damit Flauten durch gespeicherten Grünstrom überbrückt werden können.

 

 

Die schlimmen Folgen dieser Versäumnisse

 

Sinkende Energiepreise kommen bei der Bevölkerung gut an, stegende Energiepreise hingegen nicht, schon gar nicht das Drehen an der Steuerschraube. Preise bzw. Steuern haben aber nun einmal eine wichtige steuernde Funktion. Und wenn man fossile Energie nicht verteuert, dann entsteht nur ein Energiewende-Torso. Andere sagen, ein Energiewende-Chaos. Es kommt nur schleppend oder gar nicht zur Nutzung der Effizienz-Potenziale bei der Energie und beim motorisierten Verkehr. Und es entsteht auch kein Druck, das Energie- und Verkehrsverhalten zu korrigieren.

 

Tatsache ist: Trotz Förderungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und trotz Fortschritten bei der Energieeffizienz kam und kommt es zu keinem Rückgang bei den Treibhausgas-Emissionen.

 

Da Öl und somit Treibstoffe billig sind, herrscht ein deutlicher Trend zu mehr Flug- und Schiffsreisen und zu schweren, stark motorisierten Autos. 

 

Die Ökostromförderung ist ständiges Diskussionsthema, obwohl viele Grünstromanlagen (vor allem Kleinwasserkraftwerke, Biogasanlagen und Holzkraftwerke) wegen der niedrigen Börsen-Strompreise ohne deutliche Förderung nicht überleben können. Gäbe es eine CO2-Abgabe, so würde die Ökostromförerung nach einiger Zeit überflüssig. Grünstrom würde sich dann wegen höherer Energiepreise rentieren.

 

Die herkömmlichen kaufmännischen Praktiken der Stromkonzerne taugen nicht für die Energiewende. Ihnen ist es am wichtigsten, Konsumenten zu gewinnen, indem sie ihnen billigen Strom anbieten. Deshalb tätigen sie Stromzukäufe im Ausland – z. B. an der Strombörse in Leipzig –, weil der Strom dort häufig extrem billig ist, z. T. sogar verschenkt wird oder gar mit einer Belohnung („Negativpreis“) zu haben ist.

 

Eine weitere häufige Praktik der Stromkonzerne besteht darin, die Möglichkeit zu nutzen, Strom an der Börse im Voraus zu kaufen (Termingeschäfte), um preisliche Vorteile lukrieren zu können. Wenn dann aber zum Lieferzeitpunkt die vertraglich gesicherte Windstrommenge nicht lieferbar ist, muss Strom von Fossil- oder Atomkraftwerken einspringen. Das passt absolut nicht zur Energiewende!

 

Die Versorgungssicherheit bei Strom leidet unter der Tatsache, dass sich auf Grund der niedrigen Strompreise an den Stromhandelsbörsen die Errichtung von Stromspeicheran-lagen nicht rentiert. Selbst fertig geplante, bewilligte und ökologisch verträgliche Pumpspeicherwerke werden nicht errichtet, weil sie sich wegen der häufig sehr niedrigen Börsen-Strompreise nicht rechnen. Gaskraftwerke müssen einspringen, wenn in Deutschland bei einer plötzlichen Windflaute die österreichische Stromversorgung wegen des mangelnden Ausgleichsstroms nicht mehr gewährleistet werden kann. Gaskraftwerke sind aber Fossilkraftwerke! Ist das Energiewende?

 

Von Strom-Überproduktion, die nicht abgeführt werden kann, geht noch größere Gefahr aus als vom Strommangel. Das Fehlen von Speicherkapazitäten zum Auffangen von Stromüberschuss führte z. B. im Herbst 2013 in Deutschland zu einem ernsten Vorfall: Eines Tages wurde die Deutsche Bahn ersucht, die Weichenheizungen einzuschalten, weil der Windstromüberschuss so groß war, dass ausreichender Verbrauch nicht mehr garantiert werden konnte und daher die Netzstabilität in Gefahr war. Denn „wird eine Netzfrequenz von 50,2 Hertz überschritten, schalten beinahe alle dezentralen Erzeuger zeitnah ab, da es hier eine ‚Sollbruchstelle’ gibt. Damit können Kleinigkeiten zu einer Kettenreak-tion führen. Alleine in Deutschland stand das Stromnetz in den letzten eineinhalb Jahren vier Mal vor dem Zusammenbruch, zuletzt Ende März dieses Jahres“ (im Jahr 2013, Anm.).

 

Quelle: Herbert Sauregg, „Blackout – Stromnetz vor dem Kollaps?“ In: Lebensart, das Magazin für nachhaltige Lebenskultur, Nr. 4, Juli/Aug 2013, Seite 28

 

 

Die Versäumisse nachholen

 

1) Die Politik muss sich zu interfraktioneller Geschlossenheit durchringen und den Mut aufbringen, fossile Energieträger (und Atomstrom) mit einer CO2-Abgabe zu belasten – mit einem niedrigen Satz beginnend, in kleinen Schritten steigend, flankiert durch eine Sozialkomponente (Vermeidung von Härtefällen) und unter Berücksichtigung energieintensiver Wirtschaftszweige. Ein Teil des Aufkommens aus dieser Abgabe könnte für die Senkung der Arbeitskosten verwendet werden, der andere Teil muss in Richtung Energie- und Verkehrswende umgeschichtet werden, z. B. für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

 

2) Es muss massiv in die Errichtung von Ergänzungsstrukturen investiert werden, vor allem in Speicheranlagen – in erster Linie für Strom. Denn mit dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen vollzieht sich ein massiver Umbau der Erzeugerlandschaft, gekennzeichnet durch eine Zunahme dezentraler Wind- und Photovoltaikanlagen, die noch dazu eine schwankende Erzeugung aufweisen.

 

 

Endlich muss es zu einer wirksamen nationalen Energie- und Klimastrategie kommen

 

Die nationale Klima- und Energiestrategie wurde im Vorjahr monatelang mit Experten beraten, die Präsentation mehrmals verschoben und schließlich ausgesetzt. Ministerin Köstinger hat eine Präsentation im kommenden März in Aussicht gestellt. Müssten nicht im letzten Moment doch noch die Öko-NGOs in Gschlossenheit Druck ausüben, dass die oben genannten zwei Anliegen in die Energie- und Klimastrategie aufgenommen werden?

 

 

Nur mit einer CO2-Abgabe kann es im Energie- und Verkehrsbereich zu einem Reduktions- und Substitutionsprozess kommen

 

Österreich könnte mit anderen Pionierstaaten in der EU als Vorreiter fungieren.  Außerdem würden wir mit dieser Abgabe die Entwicklung in Richtung Klimaschutz selber in die Hand nehmen und würden uns nicht länger von den Ölstaaten gängeln lassen.

 

Wir müssen ja nicht nur auf erneuerbare Energien umsteigen, sondern auch den Gesamtenergieverbrauch in Richtung Halbierung deutlich reduzieren. Durch Nutzung der Effizienzpotenziale können wir die CO2-Abgabe kompensieren. Die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen würde generell konkurrenzfähig werden, sodass sich Förderungen bald erübrigen würden. Und die Errichtung von Speicheranlagen, die für Ausgleichsstrom als Ergänzung zu Wind- und Sonnenstrom enorm wichtig sind, würde sich rentieren.