22. September 2014: Brauchen wir wieder einen autofreien Tag wie 1973?

 

Der 22. September gilt in Europa allgemein als „Autofreier Tag“, an dem auf die Nutzung des Autos verzichtet werden soll. Die Woche um diesen Tag wird als „Europäische Woche der Mobilität“ bezeichnet. So begrüßenswert ein solcher Aktionstag bzw. eine solche Aktionswoche auch sein mag, vor allem für die Bewusstseinsbildung – was bleibt, ist lediglich der Name „Autofreier Tag“, ein Name ohne nachhaltige Verbindlichkeit, ohne weitreichende Folgen.

 

Wir brauchen wahrscheinlich wieder den autofreien Tag, wie er 1973 eingeführt wurde und eine Zeit lang Woche für Woche befolgt werden musste – bei Strafe.

 

Den ersten autofreien Tag gab es in Österreich im November 1973 als Folge der Ölkrise.

 

Anlässlich des Jom-Kippur-Krieges vom 6. bis 26. Oktober 1973 (Angriff von Ägypten und Syrien auf Israel) drosselte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) die Ölfördermengen um etwa 5 %, um die westlichen Länder wegen ihrer Kriegsunterstützung Israels unter Druck zu setzen. Als Folge dieser Ölverknappung stieg der Ölpreis deutlich an. Am Embargo nahmen Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil. Die europäischen Staaten waren gezwungen, Sparmaßnahmen zu ergreifen. Es kam zu einer Wirtschaftskrise, vor allem im Jahr 1974.

 

In Österreich wurde im November 1973 als Sparmaßnahme ein autofreier Tag pro Woche verordnet. Dazu wurden die Fahrzeuge mit einem Aufkleber für den jeweiligen Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet.

 

Damals erkannten die europäischen Politiker, dass die einseitige Abhängigkeit von den arabischen Staaten gefährlich war. Es gab einen für die damalige Zeit brauchbaren Ausweg: zum Beispiel Offshore-Förderung von Erdöl in der Nordsee und technische Fortschritte im Sinne effizienterer Energienutzung.

 

Heute ist die Situation wesentlich gefährlicher

 

Es gibt kein Entkommen aus der Tatsache, dass unsere Atmosphäre deutlich mehr Kohlenstoffdioxid CO2 enthält als noch vor dem Industriezeitalter. Denn das Schlimme ist, dass sich dieser CO2-Überschuss kaum abbauen kann. Er stammt ja von fossilen Energieträgern (Kohlenwasserstoff-Verbindungen), deren Kohlenstoff vor Millionen von Jahren der Atmosphäre entzogen wurde, indem Biomasse im Laufe langer Zeiträume immer wieder von Sedimenten überdeckt wurde und so von der Biosphäre in die Gesteinszone verlagert wurde (vor Millionen von Jahren enthielt die Luft noch mehr CO2 als heute, sodass das Klima wärmer und die Wetterextreme ärger als heute waren).

 

Die Pflanzen besitzen die wichtige Eigenschaft, sich von CO2 und Wasser (H2O) zu ernähren. Mit Hilfe der Sonnenenergie synthetisieren sie die beiden Stoffe – unter Ausscheidung von Wasserdampf (Verdunstung) und Sauerstoff (O2) – und bilden C6H12O6 (Glucose, Traubenzucker), die Grundlage für das Wachstum von Biomasse.

 

Bruttogleichung der Photosynthese: 6CO2 + 12 H2O à C6H12O6 + 6O2 + 6H2O

 

Dieser Vorgang müsste sich in unvorstellbarem Ausmaß beschleunigen, um das laufend freigesetzte CO2 wieder in Biomasse binden zu können. Im selben Tempo müsse die Fossilisation fortschreiten.

 

Da dies aber nicht möglich ist, gelangt nun seit ca. 150 Jahren durch die Verbrennung fossiler Energieträger zusätzlicher Kohlenstoff in zunehmendem Ausmaß in die Atmosphäre, wo er sich – gebunden an Sauerstoff im Kohlenstoffdioxid CO2 – anreichert. Beachtliche Mengen an CO2 werden auch vom Meer aufgenommen, was zur Übersäuerung des Meerwassers führt.

 

Diese Anreicherung in der Atmosphäre (und im Meer) hat – wie oben dargestellt wurde –damit zu tun, dass die Natur diesen Kohlenstoff über den Umweg der Pflanzen nur extrem langsam fossilisieren (wieder im Boden einlagern) kann – unvorstellbar langsamer als das heutige Tempo der Kohlenstoff-Freisetzung.

 

Das CO2, das Menschen und Tiere ausatmen, unterscheidet sich chemisch nicht vom CO2 aus der Verbrennung von Ölprodukten, Kohle und Erdgas. Aber es befindet sich im Kreislauf. Denn es entsteht in ihren Körpern bei der langsamen Verbrennung des Kohlenstoffs, der in der Nahrung enthalten ist. Das heißt, dieser Kohlenstoff stammt von den Pflanzen. Die Pflanzen aber ernähren sich vom CO2 aus der Luft (und vom Wasser aus dem Boden). Sie nehmen also den Kohlenstoff auf, den Menschen und Tiere ausatmen. Es handelt sich demnach um einen Kohlenstoff-Kreislauf.

 

Der Klimawandel ist deshalb so gefährlich, weil er schleichend fortschreitet

 

Der Ölschock von 1973 war ein akutes Ereignis, das den Nerv der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft traf. Konsequente Maßnahmen der Politik waren die Folge.

 

Der Klimawandel ist aber eine schleichende Gefahr, die leider noch viel zu wenig erkannt und beachtet wird. Er ist mit Krankheiten vergleichbar, die unauffällig und langsam fortschreiten. Während eine akute Erkrankung sofort Konsequenzen zur Folge hat, werden Krankheiten, die erst allmählich zu Beschwerden führen, lange Zeit nicht ernst genommen.

 

Mobilität ist eigentlich etwas Positives, aber…

 

Die Entdeckung der fossilen Energieträger und bahnbrechende Erfindungen ermöglichten die Motorisierung und somit einen hohen Grad an Mobilität. Aber die Grenzen wurden in den Industrieländern (also auch in Österreich) beim Straßenverkehr und beim Flugverkehr bereits überschritten: Zu viele Autokilometer pro Jahr, zu stark motorisierte und zu schwere Autos, zu viele Flugreisen, zu viel LKW-Verkehr…

 

Folgen, an denen viele zu leiden haben:

 

Lärm, Abgase, Stress, Staus, Belastung der Anrainer, Verletzte, Verkehrstote, Bewegungsmangel usw.

 

 

Hohe Kosten für das Gemeinwesen, den Staat:

 

  • Ausgaben für Errichtung und Erhaltung der Straßen-Infrastruktur

  • Volkswirtschaftliche Schäden durch Krankheiten (Unfallfolgen, Folgen des Bewegungsmangels…)

  • Importabhängigkeit bei den fossilen Treibstoffen (2013: 12,8 Mrd. Euro für Nettoenergieimporte, hauptsächlich fossile Energieträger)

  • Finanzielle Verluste wegen nicht ausgelasteter öffentlicher Verkehrsmittel

 

 

Weltweite Folgen:

 

  • Negative Vorbildwirkung auf die ärmeren Länder (wir „exportieren“ unseren verschwenderischen Lebensstil)

  • Ressourcenverknappung (Energie, Rohstoffe)

  • Müll: Wir entsorgen das Verbrennungsprodukt, das Kohlenstoffdioxid, als gasförmigen Müll einfach in die Atmosphäre – kostenlos – und ohne zu bedenken, dass es sich in die gesamte Atmosphäre rund um die Erde verteilt. Folge: Das Kohlenstoffdioxid und andere Treibhausgase reichern sich in der Atmosphäre an und führen zur Klimaerwärmung und stärkerer Wasserverdunstung. Das heißt, in der Atmosphäre ist mehr Energie, die die zunehmenden Wetterextreme verursacht. 

     

 

Fakten der Maßlosigkeit:

 

  • Österreichs Energieverbrauch wuchs im Verkehrssektor enorm. 1990 wurden 194 PJ verbraucht (hauptsächlich in Form von Diesel und Benzin), im Jahr 2009 aber bereits 370 PJ (einschließlich Tanktourismus).

  • Im Flugverkehr stiegen die Passagierzahlen in Österreich zwischen 2005 und 2012 von 20 auf 26,6 Millionen. Der Flugverkehr emittiert die Verbrennungsgase in einer Höhe, wo die Schadwirkungen schlimmer sind als in Bodennähe.

     

 

Wahrscheinlich brauchen wir wieder einen autofreien Tag wie 1973, um aus dem Alltagstrott aufgescheucht zu werden und zu erkennen, dass wir nicht wie bisher weitermachen können.

 

 

 

Morgen kommen in New York viele Staatsoberhäupter zum von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon organisierten Klimagipfel zusammen. Er hofft auf Impulse für einen Weltklimavertrag mit mehr als 190 Staaten, der Ende 2015 in Paris vereinbart werden soll. Hoffen wir, dass die Politiker endlich den Mut zu Konsequenzen aufbringen.