22. Jänner 2013: Zähes Ringen mit den Autoproduzenten
Trotz hoher Treibstoffpreise verkaufen sich Stadt-Geländewagen (SUVs) und PS-starke Autos gut, besser als Sparautos. „Was bei der Energieeffizienz in einem Jahr verbessert wird, geht im nächsten Jahr durch 20 PS mehr wieder verloren“, sagte ein Teilnehmer einer Klimaschutz-Diskussion.
Die Autoproduzenten erzeugen selbstverständlich das, was vom Konsumenten gekauft wird. Man kann es ihnen in der gegenwärtigen Absatzflaute nicht verübeln, dass sie auf ordnungspolitische Eingriffe der Politik empfindlich reagieren und die EU-Vorgabe, ab 2020 dürfe der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte 95 Gramm pro Kilometer nicht übersteigen, mit Entrüstung zurückweisen und mit einer empfindlichen Verteuerung der Neuwagen-Produktion drohen.
Eine Studie der deutschen Regierungsberatungs-Organisation ICCT widerspricht den Angaben der Autoproduzenten aber: „Technologien, um den EU-Gesetzen gerecht zu werden, sind schon auf dem Markt. Mehrkosten gibt es nicht.“ Selbst Lars Holmqvist, Leiter der Vereinigung der Automobilzulieferindustrie, bezeichnete den neuen Granzwert als „keine große Hürde“ und schlug eine Verschärfung auf 80 Gramm vor.
Gefordert ist nun die Politik, die nicht wieder vor der Autoindustrie in die Knie gehen darf, wie es schon passiert ist. Als nämlich im Jahr 1995, also vor 17 Jahren, die EU-Kommission das Ziel festlegte, bis 2012 sollte für die Neuwagenflotte ein Wert von 120 Gramm CO2 pro Kilometer gelten, folgten ein Aufschrei der Autoindustrie und herbe Kritik an unnötigen ordnungsstaatlichen Zwangsmaßnahmen.
Man fand einen Kompromiss. Die Autoindustrie ging die feierliche Selbstverpflichtung ein, freiwillig bis 2008/2009 auf 140 g/km zu reduzieren. Das war leider ein Versprechen, das nichts wert war und nur Jahre vergeudete. 2009 ersetzten Europäischer Rat und EU-Parlament die sinnlose Selbstverpflichtung durch eine Verordnung, doch wieder konnte die Autobranche bremsen. 120 g/km sollen nun erst bis 2015 gelten.
Daher ist wichtig, dass die EU – trotz Wirtschaftskrise und Flaute in der Autobranche – bei der Vorgabe, ab 2020 dürfe der durchschnittliche CO2-Wert der Neuwagenflotte höchstens 95 g/km betragen, Entschlossenheit zeigt. Ebenso wichtig ist es, dass auch die Politiker der Nationalstaaten dieser harten Linie folgen.
Die Politik muss aber den Autobauern auch zeigen, in welche Richtung die Entwicklung zu gehen hat. Tatsache ist, dass im Zuge des Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen sich der Energiemix in Richtung Strom ändern wird. Somit wird die elektrische Energie für den Verkehr die energetische Hauptsäule werden – zum Aufladen von Batterien und/oder zum Betrieb von Brennstoffzellen und/oder zur Herstellung solarer Treibstoffe (durch Synthese von solar erzeugtem Wasserstoff mit dem Kohlenstoff von CO2).
Aber der Einfluss der Politik muss auch beim Kaufverhalten und generell beim Mobilitätsverhalten stärker ansetzen.
- Z. B. muss der Kauf eines SUV oder eines Jeep deutlich erschwert werden. Zwei ernstzunehmende Vorschläge für Limits lauten:
- Wer ein solches Auto kaufen will, muss den Nachweis erbringen, dass es für die berufliche Tätigkeit gebraucht wird (Jäger, Landwirt…).
- Die Einfahrt in Städte soll für solche Autos verboten werden.
- Das Interesse an weniger stark motorisierten Autos, vor allem an Sparautos und E-Mobilen, muss durch Förderungen (mit sozialer Staffelung) geweckt werden – wenn es sich nicht um Zweitautos handelt. Durch höhere Besteuerung PS-starker Autos soll das Geld für die Förderungen aufgebracht werden.
- Die Autofahrer müssen für den Umstieg auf Öffis (und für das Radfahren und Gehen) motiviert werden: Man darf nicht vergessen, dass das Sparauto und das E-Auto weiterhin Autos bleiben und öffentliche Gelder noch dringender in die Schaffung zumutbaren öffentlichen Verkehrs fließen sollen: flächendeckend Angebot, mit Bahn als Rückgrat, Busse als Zubringer, in dünn besiedelten Gebieten außerhalb der Hauptverkehrszeiten Rufsysteme als Ersatz für die Zubringerbusse, Stundentakt als zeitliche Mindeststruktur, billige Tickets, einfache Tarifstruktur…
Die Politik ist gefordert! Sie muss das Allgemeinwohl (auch das der künftigen Generationen) vor das Prestigedenken und vor den Eigennutz setzen.
Infos:
Bis 2010 emittierten Neuwagen in der EU 140 g/km, in Österreich bis 2011 137 g/km bei Benzin und 140 g/km bei Diesel. Wenn man 95 Gramm CO2-Emissionen pro Kilometer auf den Treibstoffverbrauch umrechnet, ergeben sich folgende Werte: 3,6 Liter Diesel und 4 Liter Benzin pro 100 km.
In den USA, wo derzeit der durchschnittliche Emissionswert der Neuwagenflotte bei 200 g/km liegt (Verbrauchsdurchschnitt: 8,6 Liter pro 100 km), wurde beschlossen, die Emissionen bis 2025 zu halbieren.
Die Treibhausgase aus Fahrzeugmotoren sind weitweit für 13 Prozent aller Emissionen verantwortlich. In Österreich sorgte der Verkehr für 27 Prozent aller Emissionen. Der Klimawandel beschleunigt sich immer mehr – doch die Autoindustrie hat jede Menge Zeit.