21. Juli 2014: Australiens Abschied vom Klimaschutz
Die Organisation Global Carbon Project schätzt Australiens Anteil am weitweiten Asstoß von 35,4 Milliarden Tonnen CO2 zwar nur auf rund ein Prozent. Mit seinen 23 Millionen Einwohnern lag das Land im Jahr 2012 aber mit 16,1 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf neben den USA an der Weltspitze.
Es ist daher deprimierend, dass Tony Abbott, der konservative Regierungschef Australiens, der Klimaschutzpolitik seiner Vorgängerin ein jähes Ende bereitet hat. Er begründet die Abschaffung der CO2-Steuer damit, dass sie der Wirtschaft schade, Arbeitsplätze koste, im Übrigen nichts bringe und nur Kosten verursache, die von den Konsumenten zu tragen sind.
Es handelt sich beim australischen Premierminister Abbott um das typische Verhalten eines Klimawandel-Skeptikers und Dieners mächtiger Industrie- und Bergbaubosse.
Er erkennt offensichtlich nicht, dass Wirtschaft nichts anderes ist, als Produktion von Gütern und Leistung von Diensten zur Befriedigung von Bedürfnissen – z. B. des Grundbedürfnisses nach Erhaltung der Lebensgrundlagen und des Schutzes des Klimas.
Für die Industriechefs ist es natürlich am einfachsten, weiterhin das zu produzieren, was sie schon bisher produziert haben. Klimaschutz ist für sie ein Störfaktor, denn er erfordert Umdenken, Änderungen, Umschichtungen – sowohl bezüglich Produktionsweisen und Energieeinsatz als auch in Bezug auf die Produktpalette. Für die großen Energieversorger bedeutet die Energiewende Verlust an Macht.
Wieso ist es so schwer zu begreifen, dass Klimaschutz und Wirtschaft kein Widerspruch sind? Klimaschutz ist Produktion von Gütern und Leistung von Diensten, bedeutet somit Arbeit, schafft und sichert Arbeitsplätze!
Klimaschutz ist allerdings kein unmittelbares und persönliches Grundbedürfnis, wie Nahrung, Kleidung und Wohnung, um dessen Befriedigung sich die Menschen weitgehend selber kümmern können. Klimaschutz ist ein gemeinschaftliches Anliegen, wo jeder Mensch seinen Beitrag leisten muss, der Mensch für sich allein aber kaum etwas ändern kann. Klimaschutz ist außerdem ein extrem langfristiges Anliegen, Veränderungen des Klimas vollziehen sich langsam.
So kommt es, dass zwar die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger den Klimaschutz befürworten, aber sich ohnmächtig wissen, selber einen wesentlichen Beitrag leisten zu können. Deshalb muss Klimaschutz von der Politik organisiert werden (wie Bildung, Sicherheit, Gesundheitswesen, Rechtssprechung, Infrastruktur, Landesverteidigung usw.).
Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik wäre es daher, den Klimaschutz zu organisieren und dafür zu sorgen, dass aus der latenten Nachfrage nach Klimaschutz immer mehr eine reale Nachfrage werden kann. Politiker müssen den Menschen erklären, wohin die Entwicklung gehen muss (Totalumstellung unserer Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen bis 2050) und was das zu bedeuten hat (Halbierung des Energieverbrauchs). Sie müssen die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Medien für diese Ziele gewinnen und eine Diskussion in Gang bringen, welche Maßnahmen für die Erreichung dieser Ziele notwendig sind. Sie müssen – neben Schaffung von Anreizen – die Bereitschaft wecken, Klimaschutz und Energiesparen als Verhaltensprinzip zu sehen und einzuüben und das „Produkt“ Klimaschutz auch zu „kaufen“ (z. B. energieeffiziente Haushaltsgeräte, sparsame Kraftfahrzeuge, Energieeffizienzmaßnahmen an Häusern und Fabrikshallen) bzw. Klimaschutzmaßnahmen der Wirtschaft finanziell mitzutragen (z. B. Bereitschaft, dass Betriebe für Energiewende-Maßnahmen Förderungen erhalten).
Überzeugungsarbeit muss auch in Richtung CO2-Abgabe geleistet werden, denn ohne eine in kleinen Schritten steigende Belastung fossiler Energieträger durch eine solche Abgabe ist ein zügig fortschreitender Umstieg auf erneuerbare Energiequellen und auf Energiesparen nicht vorstellbar.
Näheres zur CO2-Abgabe hier
Aber eine CO2-Abgabe ist an sich, also ohne Vorbereitung der Bevölkerung und ohne einen minimalen interfraktionellen Konsens, nicht mehrheitsfähig. Die Vorgängerin von Abbott, Premierministerin Gillard von der Labour-Party, die 2012 die CO2-Steuer eingeführt hatte, hatte es sicher gut gemeint und sogar ein brauchbares Paket an flankierenden Maßnahmen geschnürt (Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen als Ausgleich; finanzielle Unterstützung für besonders stark betroffene Industriezweige; massive Förderungen für Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und emissionsarme Technologien).
Hatte sie die Vorbereitung der Bevölkerung zu wenig ernst genommen? Oder hatte sie den Populisten Abbott unterschätzt?
Auch in Österreich gewannen die Energiewende-Bremser die Oberhand. Man merkt nichts von einem Energiewende-Dialog zwischen Regierung und Bevölkerung. Der Energiewende-Horizont der österreichischen Regierung reicht leider nur bis 2020, vielleicht ein bisschen bis 2030. Es ist doch lächerlich, dass – wie im Energieeffizienzgesetz vorgesehen – den Energielieferanten aufgebürdet wird, dafür zu sorgen, dass die Energiekonsumenten den Energieverbrauch reduzieren.
Die vielen Halbheiten und das Zaudern der Politiker, die Zwischenrufe von Populisten, Klimawandel-Skeptikern und Energiewende-Kritikern, die Unbeweglichkeit und das Bremsen mancher Industriechefs, die Vorherrschaft der Aktionäre, die Angst großer Energieversorger vor Machtverlust usw. sind Ursachen dafür, dass beim Klimaschutz nicht viel weitergeht und die Maßnahmen wenig effizient sind – auch auf EU-Ebene. Im Bereich der Medien gibt es ebenfalls Mitschuldige.
Man wirft dem Klimaschutz ständig Prügel vor die Füße und macht ihm dann den Vorwurf, nicht weiter zu kommen.
Wir können nicht warten, bis 100%ig bewiesen ist, dass der Mensch die Klimaerwärmung verursacht. Die Klimawandel-Skeptiker werden sich nicht bekehren lassen, auch wenn immer häufiger halb Europa von Hochwässern geplagt wird. Bei den eingefleischten Atomenergiebefürwortern ist es ähnlich: Sie werden ihre Meinung nicht ändern, selbst wenn jedes Jahr ein Super-GAU passiert.
Wir müssen uns den Klimaschutz leisten. Am effektivsten (und billigsten) ist er, wenn alle an einem Strang ziehen.