Heinrich Höbarth
April 2015
Initiative Pyhrnbahn kritisiert:
Die Abqualifizierung der Pyhrnbahn ist inakzeptabel!
Am 17. April dieses Jahres präsentierte ÖBB-Chef Christian Kern die ÖBB-Bilanz 2014, und zwar aus kaufmännischer Sicht. Und in den Printmedien erschien der Bericht auf den Wirtschaftsseiten.
Viele beurteilen das System Bahn nur danach, wie viel Steuergeld es beansprucht. Aber ist der öffentliche Verkehr, dessen Rückgrat die Bahn ist, nicht ein Gemeinwohlsystem – wie Schule, Bildung, Spitäler, Exekutive usw.? Heißt Bahnausbau nicht, die Mobilitätsalternative zum Auto zu stärken und Verkehrsverlagerung zur Schien zu ermöglichen? Man bedenke, dass auf den elektrifizierten Strecken, also vor allem auf dem hochrangigen Netz, die Bahn die bereits vorhandene Struktur für E-Mobilität ist, betrieben mit über 80 Prozent Wasserkraftstrom, also ein Klimaschutzsystem! Daher muss es zu einer massiven Verkehrsverlagerung von der Straße zur Schiene kommen.
Allerdings wird beim Ausbau dieses hochrangigen Schienennetzes leider nach zweierlei Maß vorgegangen: Während für die Bahnverbindungen zwischen den Landeshauptstädten und Wien (West- und Südbahnstrecke) hohe Qualität vorgesehen ist, werden für die Hauptstecken zwischen den Landeshauptstädten nur minimale Beschleunigungs-Ziele verfolgt. Es gibt auf den Relationen Linz-Graz, Salzburg-Graz und Innsbruck-Graz große Streckenabschnitte, die nur „im Bestand erhalten“ werden, also eingleisig und kurvenreich bleiben, wie sie unter Kaiser Franz Josef errichtet worden sind.
Eines der Opfer dieser Verkehrspolitik in Richtung Zwei-Klassen-Bahn ist die Pyhrnbahn Linz-Selzthal.
Dass der Ausbau der West- und Südbahnstrecke Vorrang hat vor dem Ausbau der Pyhrnbahn, ist verständlich. Diese zeitliche Priorität akzeptieren wir. Aber es geht bei der Ausbaureihung nicht um zeitliche, sondern um qualitative Priorität – zum Nachteil für die Pyhrnbahn. Dies äußert sich darin, dass im 55 Kilometer langen Flaschenhals Kirchdorf-Selzthal, also in der Pyhrn-Priel-Region, von vornherein Schnellzugtauglichkeit nicht vorgesehen ist und statt durchgehender Zweigleisigkeit nur drei zweigleisige Abschnitte geplant sind, wovon der kürzeste als Güterzug-Ausweiche derzeit nördlich des Bosrucktunnels im Bau ist, während die anderen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben sind.
Brücke über die Steyr im oberen Kreis, Teichl-Brücke im unteren (Die schwarze Linie ist die Bahnstrecke)
Eine solche Abqualifizierung dieses Pyhrnbahn-Abschnitts, der immerhin Teil der wichtigen Bahn-Relation Linz-Graz und der internationalen Pyhrn-Schober-Achse ist, lehnen wir entschieden ab. Wir können nicht zulassen, dass trotz Erneuerungen – wie kürzlich bei der Errichtung neuer Betonbrücken über die Steyr und über die Teichl – der Pyhrnbahn-Abschnitt Kirchdorf-Selzthal auch für die nächsten 100 Jahre weitgehend im derzeitigen kurvenreichen 70-km/h-Linienverlauf verbleiben muss.
Wir fordern daher, dass für den Ab-schnitt Kirchdorf-Selzthal rasch ein Ausbauplan erstellt wird, der Zweiglei-sigkeit und Schnellzugtauglichkeit vorsieht.
Wir haben Verständnis dafür, dass die Umsetzung eines solchen Planes
vielleicht
viele Jahre dauern wird. Aber es muss
jeder auch noch so kleine Ausbauschritt diesem Plan entsprechen. Wo ohnehin Erneuerungen
bei der Infrastruktur
fällig sind, muss aufwärts kompatibel vorgegangen werden. Kleine Schritte sind finanziell verkraftbar.
Es gibt Abschnitte, wo man das bestehende Gleis mit dem neuen Gleis begradigen kann, sodass beide Gleise gemeinsam geführt werden können. Auf anderen Abschnitten wird man das alte Gleis im bestehenden Verlauf belassen bzw. nur in geringem Ausmaß verflachen/begradigen und das neue, schnellzugtaugliche Gleis getrennt vom bestehenden Gleis führen.
Die durchgehende Zweigleisigkeit ermöglicht es, dass Güterzüge ohne Ausweichhalte durchfahren können und so den energetischen Schienenvorteil nutzen können (Ausweichen und neuerliches Beschleunigen eines Güterzugs ist Energievernichtung). Die höhere Kapazität ist auch Voraussetzung für eine Attraktivierung des Nah- und Regionalverkehrs in der Pyhrn-Priel-Region.
Auf Grund der Schnellzugtauglichkeit wird es möglich, dass Schnellzüge wirklich schnell fahren können und Fahrzeiten erreichen, die mit den PKW-Fahrzeiten auf der parallelen Autobahn konkurrieren können. Auf der Pyhrnautobahn schafft man die 225 km lange Strecke Linz-Graz mit dem PKW in gut zwei Stunden – und ist noch dazu an keinen Fahrplan gebunden. Daher müssen auch für die Bahnverbindung zwischen Linz und Graz, also zwischen der zweit- und drittgrößten Stadt Österreichs, eine attraktive Fahrzeit von zwei Stunden und Taktverkehr (Zweistundentakt, langfristig Einstundentakt) anzustrebende Ziele sein.
Juli 2013 bis Oktober 2014: Erneuerung der Eisenbahnbrücke über die Steyr (zwischen Klaus und St. Pankraz, Bezirk Kirchdorf an der Krems); bestehende Strecke in schwarzer Farbe, neuer Streckenverlauf in Rosa:
So wurde gebaut:
So hätte man bauen können:
Auf der linken Landkarte ist in Rosa dargestellt, wie die neue Brücke über die Steyr links von der bestehenden Brücke (die entfernt wird) gebaut wurde: eingleisig und im Verlauf des
70-km/h-Streckenverlaufes, also ohne Streckenbeschleunigung. Bei der Erneuerung der Teichl-Brücke südlich des Falkensteins wurde ähnlich vorgegangen.
Die rechte Karte zeigt in Rosa einen zweigleisigen Trassenvorschlag für eine neue Strecke, in dessen schnellzugtauglichem Bogen (großer Radius) die neue Steyr-Brücke situiert werden hätte können. Südlich der Steyr-Brücke wäre für das schnellzugtaugliche Gleis ein kurzer Tunnel nötig gewesen (strichlierte Linie). Für das andere Gleis wäre eine Einbindung in das bestehende Gleis möglich gewesen. Das wäre zwar eine teure, aber aufwärts kompatible Lösung gewesen. Um den finanziellen Aufwand in Grenzen zu halten, hätte es die Möglichkeit gegeben, die Teichl-Brücke einige Jahre später zu erneuern.
Für einen optimalen Ausbau sind nicht – wie auf der Westbahnstrecke – vier Gleise und Spitzen von 200 bis 230 km/h nötig, aber zwei Gleise und eine Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h sehr wohl. Dass für ein solches Ziel es nicht genügt, nur zwischen Linz und Kirchdorf – wie offiziell vorgesehen – die Strecke zu optimieren, sondern dass diese Optimierung auch für den Abschnitt Kirchdorf-Selzthal notwendig ist, müsste doch selbstverständlich sein. Dass der für diesen Abschnitt notwendige Ausbau mit verkraftbarem Aufwand möglich ist, haben Untersuchungen ergeben.
Zuerst muss man attraktiven Bahnverkehr anbieten, dann kommen auch die Fahrgäste
Das beste Beispiel dafür, dass die Menschen bei attraktivem Angebot gerne mit der Bahn fahren, ist die Westbahnstrecke: IC-Verkehr im Stundentakt, zwei weitere Schnellzüge pro Stunde, mit dem PKW konkurrenzfähige Fahrzeiten.
Dem Vorschlag von ÖBB und Verkehrsministerium, abzuwarten, ob auf der Pyhrnbahnstrecke Fahrgastzuwächse stattfinden, und den Abschnitt Kirchdorf-Selzthal erst dann zweigleisig und schnellzugtauglich auszubauen, wenn die Zuwächse zu Kapazitätsengpässen führen, können wir absolut nichts abgewinnen. Wie soll es zwischen Kirchdorf und Selzthal und auf der Fernreiseverbindung Linz-Graz zu Zuwächsen bei den Fahrgastzahlen kommen, wenn das Angebot derart unbefriedigend ist?
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70-km/h-Kriechstrecke zwischen Kirchdorf und Selzthal
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Zu dünner Fahrplan im Regional- bzw. Nahverkehr zwischen Kirchdorf und Selzthal
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Zwischen Linz und Graz nur zwei umsteigefreie Verbindungen mit einer unattraktiven „Schnellzug“-Fahrzeit von drei Stunden (wobei das bereits ein Fortschritt ist, denn zwischen Dezember 2010 und Dezember 2013 gab es überhaupt keine Direktverbindungen mehr)
Mit der Erneuerung der beiden Brücken über den Klaus-Stausee und über die Teichl stellten ÖBB und Verkehrministerium unter Beweis, dass sie die Abqualifizierung in die Tat umsetzen.
Hier wurden im betreffenden vier Kilometer langen Streckenabschnitt die beiden Brücken lediglich in den bestehenden eingleisigen 70-km/h-Linienverlauf eingefügt, statt sie als ersten Schritt einer Pyhrnbahn-Ertüchtigung schnellzugtauglich und zweigleisig zu dimensionieren.
Der blaue Kreis zeigt die Lage der beiden ehemaligen Eisenfachwerk-Brücken, die um 20 Millionen Euro durch Betonbrücken ersetzt wurden – aber leider nur eingleisig und nur im bestehenden 70-km/h-Linienverlauf.
Verlagerungspotenzial ist sehr wohl vorhanden
Das Argument von ÖBB und Verkehrsministerium, dass das Potenzial für eine Verkehrsverlagerung von der Autobahn zur Bahn zu gering sei, um einen solchen Ausbauplan zu rechtfertigen, ist an den Haaren herbeigezogen. Denn auf der Pyhrnautobahn passierten im Jahr 2014 laut ASFINAG im Schnitt 18.000 Kraftfahrzeuge pro Tag in beiden Richtungen den Lainbergtunnel (Gem. St. Pankraz in der Pyhrn-Priel-Region). Tendenz steigend. Im August 2014 waren es zwischen Mo und Fr im Schnitt gar 24.000 Kraftfahrzeuge pro Tag in beiden Richtungen, an Wochenenden sogar 30.000.
Man hätte sich bei der Erneuerung der beiden Brücken dafür entscheiden können, zuerst den oben genannten Plan zu erstellen, dann entsprechend dieses Planes zuerst nur eine Brücke zweigleisig und schnellzugtauglich zu erneuern und die beiderseits anschließenden Streckenabschnitte zu optimieren. Die Erneuerung der zweiten Brücke hätte man einige Jahre später vornehmen können – um der Geldknappheit entsprechen zu können –, und zwar ebenfalls in zweigleisiger und schnellzugtauglicher Ausführung und mit Optimierung der anschließenden Bahnabschnitte beiderseits. Resultat dieser zwei Bau-Aktivitäten: ein erster, vier Kilometer langer Abschnitt einer optimierten Pyhrnbahn.
Apropos Geldknappheit: Für die Errichtung der zweiten Pyhrnautobahn-Tunnelkette Klaus ist Geld vorhanden – und massiver politischer Rückenwind von Seiten des Landes Oberösterreich. Für den schnellzugtauglichen Ausbau der Pyhrnbahn fehlt hingegen das Geld, und der politische Druck der oberösterreichischen Verkehrspolitik ist nur gering. Das heißt, hier wird generell beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach zweierlei Maß vorgegangen. Populismus nennt man das!
Neue Betonbrücke der Pyhrnbahn über die Steyr (Klaus-Stausee), daneben die alte Eisen-Fachwerk-brücke, die man entfernen wollte, die aber gemäß neueren Informationen für einen Radweg genutzt werden soll.