16. Oktober 2014: Ist der Klimaschutz für die Industrie ein Störfaktor?


Da beschwört man auf Seiten der Industrie immer wieder die Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Nun: Gerade Klimaschutz ist eine enorme Herausforderung, die nur mit einem gerüttelt Maß an Innovationen gemeistert werden kann. Wieso versucht die Industrie, hier abzublocken, sich Innovationen in den Weg zu stellen? 

 

Für die Industrie wäre es natürlich am einfachsten, weiterhin das zu produzieren, was sie schon bisher produziert hat, und so zu produzieren, wie sie es bisher getan hat. Klimaschutz betrachten daher manche Industriechefs als Störfaktor, denn er erfordert Umdenken, Änderungen, Umschichtungen – sowohl bezüglich Produktionsweisen und Energieeinsatz als auch in Bezug auf die Produktpalette. Für die großen Energieversorger bedeutet die Energiewende Verlust an Macht.  

 

Aber „Wirtschaft“ ist nun einmal nicht ein absoluter Bereich für sich, sondern Produktion von Gütern und Leistung von Diensten zur Befriedigung von Bedürfnissen – z. B. des Grundbedürfnisses nach Erhaltung der Lebensgrundlagen und des Schutzes des Klimas. Klimaschutz und Industrie sind kein Widerspruch. Klimaschutz bedeutet Arbeit, Gewinn, Arbeitsplätze!

 

Die Verlagerung von Industriebereichen in Niedriglohnländer bzw. in Länder, in denen Energie billig ist, womit Industriebosse oft drohen, ist  praktisch nur möglich, weil die Transportkosten dadurch weniger steigen als bei Lohn- und Energiekosten eingespart werden kann. In Summe müsste die Verlagerung eigentlich zu einer Verteuerung führen.

 

 

Angst vor Eder-Drohungen

 

Wer macht in Österreich Politik? Voestalpine-Chef Wolfgang Eder? Oder doch die Bundesregierung? Die voestalpine ist zweifellos ein wichtiger und erfolgreicher Industriebetrieb, und Wolfgang Eder ein sehr fähiger Konzern-Chef. Aber vergessen wir nicht: Eder agiert in erster Linie im Sinne der Aktionäre, die möglichst hohe Dividenden erzielen wollen. Deshalb fällt ihm nichts anderes ein, als sich im Erdgas-Billig-Land USA breit zu machen. „Verederung“ der österreichischen Energiepolitik hieße: Weg mit Abgaben auf fossile Energieträger! Weg mit Emissionszertifikaten! Einstieg ins Fracking zur Gewinnung von Schiefergas in Österreich bzw. in Europa usw.

 

Aber so ist die Energiewende nicht machbar. Nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Notwendigkeit, von Energieimporten immer weniger abhängig zu werden, erfordert den Umstieg auf erneuerbare Energien und auf Energieeffizienz.

 

Andererseits kann man Eders Vorgehen verstehen. Denn Roheisengewinnung ist zu konkurrenzfähigen Kosten ohne CO2-Emissionen nicht möglich. Um dem Eisenoxid den Sauerstoff zu entziehen (Reduktion), braucht man Kohlenstoff (in der voestalpine ist das der Koks) oder Kohlenstoff und Wasserstoff (bei der Eisenschwammgewinnung in den voestalpine-Werken in den USA Erdgas CH4). Außerdem muss man dem voestalpine-Konzern zugute halten, einer jener Stahlkonzerne zu sein, die am meisten zur CO2-Reduktion beigetragen haben. Insofern ist es verständlich, dass sich Eder gegen jedwede Vorgaben bezüglich Reduktion von CO2-Emissionen wehrt.

 

 

 

Aber Eder könnte sich längst über CO2-neutrale, energieeffiziente Alternativen für die voestalpine Gedanken machen!

 

 

1) Alternativen zu Koks bzw. Erdgas für die Roheisengewinnung:

 

1.1 Verfestigte Holzkohle: Eder könnte - auf der Basis finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand - veranlassen, dass die Kokerei in eine Köhlerei umgewandelt wird und die Hochöfen statt mit dem fossilen Koks mit druckfesten Holzkohle-Pellets beschickt werden. Da die voestalpine viel Stahl exportiert, ist zu verantworten, dass das Holz für die Köhlerei in entsprechender Menge importiert wird.

 

1.2 Einsatz von solar erzeugtem Methan CH4 (Hauptbestandteil des Erdgases): Dafür gibt es drei Möglichkeiten:

 

- Power to Gas: Synthese zwischen CO2 und solar erzeugtem Wasserstoff H2 ergibt Methan.

 

- Biogas: Biogas auf Erdgasqualität zu bringen ist kein Problem. Die Einspeisung ins Erdgasnetz ist heute schon Stand der Technik.

 

- Erzeugung von solarem Erdgas auf Basis von Holzgas: Der Vorteil gegenüber dem Holzkohleeinsatz im Hochofen besteht darin, dass die Asche nicht in der Hochofenschlacke verschwindet, sondern als wertvoller Rohstoff der chemischen Industrie bzw. als Dünger verwendbar bleibt.

 

 

2) Bei der Verwendung des Erzes Eisenspat („Spateisenstein“ vom steirischen Erzberg) mit der chemischen Formel FeCO3 (Eisencarbonat) ist die Emission von CO2 nicht vermeidbar, denn beim Erhitzen spaltet sich dieses Eisenerz in FeO (Eisenoxid) und CO2 auf. Ausgleich ist möglich, indem sich die voestalpine z. B. an Aufforstungsprogrammen beteiligt (Näheres dazu hier).

 


3) Der Energieverbrauch der voestalpine ist gewaltig. Um die bessere Nutzung der enormen Abwärmemengen zu erreichen, könnte die voestalpine in neue Techniken investieren und so aus der Versorgung eines immer größeren Teiles von Linz mit Wärme steigende Einnahmen erzielen.

 

 

Eines ist klar: Für die Umstellung der Roheisenerzeugung auf CO2-neutrale Methoden und für die Steigerung der Energieeffizienz (vor allem für die bessere Nutzung der Abwärme) braucht die voestalpine in erster Linie die Offenheit des Konzern-Chefs für Innovationen und Investitionen. Weiters muss klar sein, dass trotz dieser Investitionen die Konkurrenzfähigkeit der voestalpine erhalten werden muss. Das heißt, einerseits haben die Aktionäre die nötigen Investitionen finanziell mitzutragen, denn auch sie sind Menschen, für die das Prinzip Verantwortung gelten muss. Andererseits muss auch die öffentliche Hand (Steuerzahler) ihren Unterstützungsbeitrag leisten.

 

Vorteil eines solchen mutigen Vorgehens: Die voestalpine wird – wie seinerzeit mit dem LD-Verfahren bei der Stahlerzeugung – wieder Technologie-Vorreiter, was sich gut verkaufen lässt. Außerdem bedeuten der Umstieg auf CO2-neutrale Methoden bei der Eisenerzeugung und Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz, dass die voestalpine ihre Kosten für Klimagas-Emissionen und Energie deutlich senken kann. 

 

 

 

Ja, aber die Chinesen…

 

China emittiert große Mengen CO2, vor allem aus der Kohleverbrennung, aber erst seit einigen Jahrzehnten. Man tut China  unrecht, wenn man die Treibhausgas-Emissionen der EU mit denen Chinas vergleicht, ohne darauf Bezug zu nehmen, dass China fast 2 1/2 Mal so viele Einwohner hat wie die EU. Bis vor kurzem lagen die Pro-Kopf-Emissionen Chinas noch unter denen der EU.

 

 Weiters muss man berücksichtigen, dass die Industrieländer schon seit 150 Jahren fossile Energieträger in steigendem Ausmaß verbrennen. Deshalb stammt der CO2-Müll, der sich in der Atmosphäre angesammelt hat, hauptsächlich von uns Menschen der Industrieländer – und nicht von den Chinesen.

 

Das heißt, wir dürfen uns nicht auf die Chinesen ausreden, sondern müssen selber beim globalen Klimaschutz vorangehen.