16. März 2018 I: Nochmals: Energie- und Verkehrswende kann nur mit CO2-Abgabe gelingen

 

 

Ohne CO2-Abgabe dient die zunehmende Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik nicht dazu, den Einsatz fossiler Energieträger zurückzudrängen, sondern insgesamt das Energieangebot zu erhöhen und somit Energie zu verbilligen. 

 

Vor allem in Deutschland, aber auch in anderen EU-Ländern kam es auf Grund von Förderungen zu einem Boom beim Ausbau der Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik, ohne dass die Politik dafür gesorgt hätte, fossile Brenn- und Treibstoffe und Strom von fossil betriebenen Wärmekraftwerken staatlich geregelt durch eine CO2-Abgabe schrittweise zu verteuern (auch Atomstrom müsste verteuert weren, um ein Ausweichen zu verhindern).

 

Die Folge ist, dass die Energiewende derzeit kein Substitutionsprozess ist, sondern ein Additionsprozess: Mit der - Gott sei Dank - zunehmenden Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik wird fossile Energie nicht verdrängt, sondern insgesamt das Energieangebot gesteigert. Energie wird dadurch billiger. Das führt zu Chaos am Strommarkt und zu einem Stocken der Energiewende. Derzeit kommt außerdem die Tatsache dazu, dass der Weltmarktpreis bei Öl niedrig ist.

 

Die Politik hat es auch verabsäumt, dem stark schwankenden Stromaufkommen aus Photovoltaik und Windkraft in der Form zu entsprechen, dass in die Bereitstellung von Ausgleichsstrom investiert wird, damit Flauten durch gespeicherten Grünstrom überbrückt werden können.

 

 

Die schlimmen Folgen dieser Versäumnisse

 

Sinkende Energiepreise und Förderungen für erneuerbare Energien kommen bei der Bevölkerung gut an, stegende Energiepreise hingegen nicht, schon gar nicht das Drehen an der Steuerschraube. Preise bzw. Steuern haben aber nun einmal eine wichtige steuernde Funktion. Und wenn man fossile Energie nicht verteuert, dann entsteht nur ein Energiewende-Torso. Andere sagen, ein Energiewende-Chaos. Es kommt nur schleppend oder gar nicht zur Nutzung der Effizienz-Potenziale bei der Energie und beim motorisierten Verkehr. Und es entsteht auch kein Druck, das Energie- und Verkehrsverhalten zu korrigieren.

 

Tatsache ist: Trotz Förderungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und trotz Fortschritten bei der Energieeffizienz kam und kommt es zu keinem Rückgang bei den Treibhausgas-Emissionen.

 

Da Öl und somit Treibstoffe billig sind, herrscht ein deutlicher Trend zu mehr Flug- und Schiffsreisen und zu schweren, stark motorisierten Autos. 

 

Die Ökostromförderung ist ständiges Diskussionsthema, obwohl viele Grünstromanlagen (vor allem Kleinwasserkraftwerke, Biogasanlagen und Holzkraftwerke) wegen der niedrigen Börsen-Strompreise ohne deutliche Förderung nicht überleben können. Gäbe es eine CO2-Abgabe, so würde die Ökostromförerung nach einiger Zeit überflüssig. Grünstrom würde sich dann wegen höherer Energiepreise rentieren.

 

Die herkömmlichen kaufmännischen Praktiken der Stromkonzerne taugen nicht für die Energiewende. Ihnen ist es am wichtigsten, Konsumenten zu gewinnen, indem sie ihnen billigen Strom anbieten. Deshalb tätigen sie Stromzukäufe im Ausland – z. B. an der Strombörse in Leipzig –, weil der Strom dort häufig extrem billig ist, z. T. sogar verschenkt wird oder gar mit einer Belohnung („Negativpreis“) zu haben ist.

 

Eine weitere häufige Praktik der Stromkonzerne besteht darin, die Möglichkeit zu nutzen, Strom an der Börse im Voraus zu kaufen (Termingeschäfte), um preisliche Vorteile lukrieren zu können. Wenn dann aber zum Lieferzeitpunkt die vertraglich gesicherte Windstrommenge nicht lieferbar ist, muss Strom von Fossil- oder Atomkraftwerken einspringen. Das passt absolut nicht zur Energiewende!

 

Die Versorgungssicherheit bei Strom leidet unter der Tatsache, dass sich auf Grund der niedrigen Strompreise an den Stromhandelsbörsen die Errichtung von Stromspeicheran-lagen nicht rentiert. Selbst fertig geplante, bewilligte und ökologisch verträgliche Pumpspeicherwerke werden nicht errichtet, weil sie sich wegen der häufig sehr niedrigen Börsen-Strompreise nicht rechnen. Gaskraftwerke müssen einspringen, wenn in Deutschland bei einer plötzlichen Windflaute die österreichische Stromversorgung wegen des mangelnden Ausgleichsstroms nicht mehr gewährleistet werden kann. Gaskraftwerke sind aber Fossilkraftwerke! Ist das Energiewende?

 

Von Strom-Überproduktion, die nicht abgeführt werden kann, geht noch größere Gefahr aus als vom Strommangel. Das Fehlen von Speicherkapazitäten zum Auffangen von Stromüberschuss führte z. B. im Herbst 2013 in Deutschland zu einem ernsten Vorfall: Eines Tages wurde die Deutsche Bahn er-sucht, die Weichenheizungen einzuschalten, weil der Windstromüberschuss so groß war, dass ausrei-chender Verbrauch nicht mehr garantiert werden konnte und daher die Netzstabilität in Gefahr war. 

 

Denn „wird eine Netzfrequenz von 50,2 Hertz überschritten, schalten beinahe alle dezentralen Erzeu-ger zeitnah ab, da es hier eine ‚Sollbruchstelle’ gibt. Damit können Kleinigkeiten zu einer Kettenreak-tion führen. Alleine in Deutschland stand das Stromnetz in den letzten eineinhalb Jahren vier Mal vor dem Zusammenbruch, zuletzt Ende März dieses Jahres“ (im Jahr 2013, Anm.).

 

Quelle: Herbert Sauregg, „Blackout – Stromnetz vor dem Kollaps?“ In: Lebensart, das Magazin für nachhaltige Lebenskultur, Nr. 4, Juli/Aug 2013, Seite 28

 

 

 

Die Versäumisse nachholen

 

1) Die Politik muss sich zu interfraktioneller Geschlossenheit durchringen und den Mut aufbringen, fossile Energieträger (und Atomstrom) mit einer CO2-Abgabe zu belasten – mit einem niedrigen Satz beginnend (nach Thematisierungs- und Vorbereitungsphase), in kleinen Schritten steigend, ergänzt durch sozialen Ausgleich und durch Berücksichtigung energieintensiver Wirtschaftszweige. Ein Teil des Aufkommens aus dieser Abgabe könnte zur Senkung der Arbeitskosten verwendet werden, der andere Teil müsste in Richtung Energie- und Verkehrswende umgeschichtet werden, z. B. für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

 

2) Es muss massiv in die Errichtung von Ergänzungsstrukturen investiert werden, vor allem in Speicheranlagen – in erster Linie für Strom. Denn mit dem Umstieg auf erneuerbare Energiequellen vollzieht sich ein massiver Umbau der Erzeugerlandschaft, gekennzeichnet durch eine Zunahme dezentraler Wind- und Photovoltaikanlagen, die noch dazu eine schwankende Erzeugung aufweisen.

 

 

 

Endlich muss es zu einer wirksamen nationalen Energie- und Klimastrategie kommen

 

Die nationalen Energie- und Klimastrategie wurde im Vorjahr monatelang mit Experten beraten, die Präsentation mehrmals verschoben und schließlich ausgesetzt. Ministerin Köstinger hat eine Präsentation in diesem März in Aussicht gestellt. Müssten nicht im letzten Moment doch noch die Öko-NGOs in Gschlossenheit Druck ausüben, dass die oben genannten zwei Anliegen in die Energie- und Klimastrategie aufgenommen werden?

 

 

 

Nur mit einer CO2-Abgabe kann es im Energie- und Verkehrsbereich zu einem Reduktions- und Substitutionsprozess kommen

 

Österreich könnte mit anderen Pionierstaaten in der EU als Vorreiter fungieren.  Außerdem würden wir mit dieser Abgabe die Entwicklung in Richtung Klimaschutz selber in die Hand nehmen und würden uns nicht länger von den Ölstaaten gängeln lassen.

 

Wir müssen ja nicht nur auf erneuerbare Energien umsteigen, sondern auch den Gesamtenergieverbrauch in Richtung Halbierung deutlich reduzieren. Durch Nutzung der Effizienzpotenziale können wir die CO2-Abgabe kompensieren. Die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen würde generell konkurrenzfähig werden, sodass sich Förderungen bald erübrigen würden. Und die Errichtung von Speicheranlagen, die für Ausgleichsstrom als Ergänzung zu Wind- und Sonnenstrom enorm wichtig sind, würde sich rentieren.