16. März 2018 II: Wir brauchen mehr als bloße Lippenbekenntnisse

 

 

Das Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 wurde als Durchbruch gefeiert. Ist es das wirklich? Der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf zweifelt daran. Dass die USA vom Klimaschutz abgehen, ist für ihn haarsträubende Realitätsverweigerung. Aber auch in Europa gebe es nur Lippenbekenntnisse, sagt er im Interview in der Ö1-Radiosendung „Mittagsjournal“ vom 16. März.

 

Die globale Erwärmung soll 1,5 bzw. 2 Grad Celsius nicht überschreiten. So steht es im Pariser Abkommen. Doch die Zeit wird langsam knapp. Wenn sich an den Emissionen nichts ändert, bleiben für das 1,5-Grad-Ziel nur mehr acht Jahre. Dann ist das CO2-Budget für diesen Wert gewissermaßen aufgebraucht.

 

Der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf ist wenig optimistisch. „Aus meiner Sicht ist es extrem unwahrscheinlich, dass wir die 1,5-Grad-Linie noch halten können. Realistischer ist es schon, die Erwärmung unter zwei Grad zu halten. Aber selbst das wird sehr rasche und wirklich ambitionierte Anstrengungen erfordern.“

 

Von solchen Anstrengungen sei bisher wenig zu sehen, sagt Rahmstorf. „Fast alle haben versagt, muss man ehrlicherweise sagen. Auch die deutsche Bundesregierung aus meiner Sicht, die früher ja mal Vorreiter im Bereich Klimaschutz gewesen ist, aber versäumt hat, die Kohlekraftwerke abzuschalten. Dies wäre eine der schnellsten Möglichkeiten, Emissionen zu senken.“

 

Aktueller Stand in Deutschland: Die Kohlekraftwerke laufen nach wie vor. Sie produzieren Stromüberschüsse, die ins Ausland exportiert werden. Ähnlich in Polen, wo derzeit sogar neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Und in den USA ist der Klimaschutz ohnehin von der Agenda gestrichen. Trump hatte letzten Sommer erklärt, die USA, immerhin der zweitgrößte CO2-Emittent der Welt, steigen aus dem Pariser Abkommen aus.

 

„Ich bin sehr frustriert. Es gibt ja zwei unterschiedliche Arten der Frustration. Der eine Bereich sind die Leute, die einfach aggressiv die Fakten leugnen. (…) Der andere Teil, der mich frustriert, das sind die Politiker, wo auch die alte deutsche Bundesregierung dazugehört, die Lippenbekenntnisse ablegen. Sie leugnen die Fakten nicht. Sie sagen: ‚Ja, das ist alles ganz schlimm, und wir unternehmen was gegen den Klimawandel’, aber die Emissionen sinken eben effektiv doch nicht. Das ist vielleicht noch gefährlicher, wenn Leute einem zustimmen, aber dann doch anders handeln.“

 

So gesehen ist der Pariser Klimavertrag auch dazu gegeignet, ein Täuschungsmanöver hinzulegen. Papier ist bekanntlich geduldig, die Atmosphäre allerdings nur bedingt.