15. Mai 2014: Verbund schließt Kraftwerke

 

Leider regiert im Stromsektor Planlosigkeit, an der sowohl die Politik als auch die Chefs der großen Stromkonzerne schuld sind. Letztere fühlen sich in erster Linie gegenüber den Aktionären verantwortlich und nicht der Energiewende. 

 

Einerseits ist zu begrüßen, dass Verbund-Chef Anzengruber bei fossil betriebenen Großkraftwerken zurückfährt. Das Gaskraftwerk Mellach bei Graz, das erst 2011 in Betrieb ging, wird für einige Jahre stillgelegt. Ebenso zwei Verbund-Gaskraftwerke in Frankreich. Das niederösterreichische Steinkohlekraftwerk Dürnrohr (in der Nähe von Zwentendorf) und das steirische Ölkraftwerk Neudorf/Werndorf II will der Verbund endgütig schließen.

 

Dadurch schrumpft die thermische Leistung des Verbundkonzerns auf 246 MW, also auf 1/10 des bisherigen Volumens. Diese Reduktion bei Fossil-Kraftwerken ist an sich zu begrüßen, wenn da nicht einige Misstöne mitschwingen würden.

 

Denn Anzengruber begründet diese Maßnahmen mit „Verwerfungen“ am europäischen Strommarkt und gibt vor allem der Ökostromförderung in Deutschland die Schuld.

 

Was ist unter „Verwerfungen“ zu verstehen?

 

  • Die Strompreise an der Strombörse in Leipzig sind wegen des häufigen Überangebots bei Windstrom so niedrig, dass es billiger ist, Strom zuzukaufen als selber (z. B. mit teurem Gas) zu erzeugen. Es gibt Zeiten, da bekommen Österreichs Stromhändler sogar Geld dafür, wenn sie Strom von Deutschland bezieht („Negativpreis“).

  • Da der Handel mit CO2-Zertifikaten nicht funktioniert, weil zu viele solche Zertifikate auf dem Markt sind und daher das Klimagas CO2 viel zu billig ist, rentiert es sich für die deutschen Stromversorger sogar, ihre Braunkohle zu verstromen – obwohl dabei wesentlich mehr CO2 emittiert wird als bei Erdgasverstromung.

     

 

Anzengrubers Plan, den Windstromüberschuss aus Norddeutschland kostengünstig zu den Verbund-Pumpspeicherseen der Alpen zu holen, scheitert, weil die Kapazität der Hochspannungsleitungen nicht reicht. Obwohl er weiß, dass es zu Versorgungsengpässen führen kann, wenn er Gaskraftwerke stilllegt (da solche Kraftwerke rasch hochgefahren werden können, eignen sie sich als Lückenbüßer für Zeiten der Windflaute), setzt er dennoch diese Trotzmaßnahme. Er kann sich darauf berufen, dass er (und E-Control-Chef Boltz) oft genug vor Stromengpässen gewarnt hat. Andere österreichische Strombosse sympathisieren mit ähnlichen Maßnahmen – statt sich der Herausforderung der Energiewende zu stellen. Sie alle bezeichnen die deutsche Ökostromförderung als Hauptursache des Chaos beim Strommarkt.

 

Aber nicht die großzügige Ökostromförderung in Deutschland ist schuld an der Misere…

 

  • sondern der Umstand, dass CO2 zu billig ist. Um zu erreichen, dass die fossilen Energieträger (vor allem Kohle) durch Wind- und Solarstrom in zunehmendem Maße ersetzt werden (Substitution), müssen die fossilen Brenn- und Treibstoffe generell mit einer Kohlenstoffabgabe (CO2-Abgabe) steigend belastet werden (und den nicht funktionierenden Zertifikatenhandel ersetzen). Nur so kann der Markt im Sinne der Energiewende reagieren.

  • Strom von Wind und Sonne braucht als Ergänzung Speicherstrukturen, um das schwankende Aufkommen ausgleichen zu können. Es werden aber keine Speicher gebaut – selbst solche nicht, die bereits genehmigt sind –, „weil sie sich nicht rentieren“. Somit sind wir bei des Pudels Kern: Energiewende heißt, die Chefs der Stromkonzerne müssen dazu verpflichtet werden, in erster Linie der Energiewende zu dienen und nicht den Aktionären.        

 

 

Dass Österreichs Bundesregierung nicht besonderen Wert auf einen ganzheitlichen Energiewende-Plan legt, zeigt sich u. a. auch daran, dass beim Thema Elektromobilität nur auf den Straßenverkehr Bezug genommen wird, während die Bahn weder in der „Energiestrategie Österreich 2020“ noch im Entwurf vom „Energieeffizienzgesetz“ eine angemessene Rolle spielt.

 

Problematisch ist auch das Verhalten von Chefs großer österreichischer Industriebetriebe. Statt die Energiewende und den Klimaschutz als Herausforderung zu sehen, der man sich stellen muss, drohen sie wegen der EU-Klimapolitik mit Abwanderung nach Amerika oder Asien. Sie setzen Politiker unter Druck und fordern von ihnen, sich auf EU-Ebene für eine Rücknahme der in der EU-Klimastrategie 2030 vorgesehenen Klimaziele einzusetzen – obwohl diese Ziele ohnehin wenig ambitioniert sind.

 

 

 

In der Presseaussendung der „OÖ Plattform Klima, Energie und Verkehr“ vom März 2014 finden Sie nähere Informationen zum Thema „Energie- und Klimastrategie“ unter:

 

www.probahn.at/pa.asp?i=1142