15. Jänner 2014: Mageres Regierungsprogramm beim Thema „Energie“

 

Im nun auslaufenden Kyoto-Vertrag hätte sich Österreich dazu verpflichtet gehabt, die Treibhausgas-Emissionen des Jahres 1990 (79 Millionen Tonnen) bis 2012 um 13 % zu senken, also auf einen Wert von 68,7 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente zu kommen. In Wirklichkeit steigerte Österreich aber seine Treibhausgas-Emissionen. Im Jahr 2012 emittierte Österreich 80,2 Millionen Tonnen Treibhausgase. Dafür musste Österreich um mindestens 500 Millionen Euro CO2-Zertifikate ankaufen. Das war eine Art Freikauf von der Reduzierung der Treibhausgase. Mit diesem Geld hätte man sicher sinnvollere Maßnahmen treffen können, um die Emissionen im Land tatsächlich zu reduzieren.

 

Dennoch war der Klimaschutz bei der Regierungsklausur in Waidhofen an der Ybbs kein Thema. Daraus schließen wir, dass der Klimaschutz der Bundesregierung nicht besonders wichtig ist. Und dass der Druck gegen wirksame Klimaschutzmaßnahmen von Seiten der Wirtschaft, vor allem von der Industrie, enorm groß ist.

 

Das österreichische Regierungsprogramm könnte man bezüglich Energiezukunft mit vier Punkten charakterisieren:

1)      Bekenntnis zum im Dezember 2008 verabschiedeten Energie- und Klimapakt mit der EU bis 2020 („EU-2020-Ziele“) und der entsprechenden „Energiestrategie Österreich“, die am 18. 3. 2010 veröffentlicht wurde.

2)      Stabilisierung des Endenergieeinsatzes auf dem Stand von 2005 (1.100 PJ).

3)      Erarbeitung einer Energiestrategie 2030 und aktive Unterstützung der EU-Klimastrategie 2030.

4)      Österreich für die energiepolitischen Herausforderungen rüsten und die EU-Energiepolitik mitgestalten, besonders bezüglich Atompolitik.

5)      Laufende Evaluierung/Monitoring der österreichischen Energiepolitik und stärkere Konzentration der E-Control auf Regulierungstätigkeit. 

 

Zu 1) Mit der „Energiestrategie Österreich“ ist Österreich 2010 folgende Verpflichtungen bis 2020 eingegangen:

-          Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien auf 34 % des Bruttoendenergieverbrauchs, im Verkehrssektor um 10 % (des Endenergiesektors)

-          Steigerung der Energieeffizienz um 20 % gegenüber 2005

-          Reduktion der Treibhausgasemissionen um 16 % gegenüber 2005, vor allem durch thermische Sanierung von Häusern (3 % Sanierungsrate/Jahr), durch eine Offensive bei der E-Mobilität (250.000 E-Mobile bis 2020: reine E-Fahrzeuge und Plug-In-Hybridfahrzeuge, ohne einspurige Fahrzeuge), durch steigenden Einsatz von Biotreibstoffen und durch Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

  

 

Quelle: Österreichische Energieagentur. In: „Energiestrategie Österreich“, Lebensministerium und Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010

Graphik: ks-i (in Anlehnung an die Graphik auf Seite 9 der "Energiestrategie Österreich")

3,6 PJ (Petajoule) = 1 TWh (Terawattstunde) = 1.000.000.000 kWh

 

 

Zu 2) In der „Energiestrategie Österreich“ ist lediglich eine Stabilisierung auf dem Stand von 2005 (ca. 1.100 PJ) bzw. eine minimale Senkung des Endenergieverbrauchs vorgesehen – obwohl eine starke Reduktion notwendig wäre.

 

2.1 Der Rückgang bei den fossilen Energien ist zu gering:

 

Nur um 16 % sollen laut Energiestrategie Österreich bis 2020 die Treibhausgasemissionen, also der Einsatz fossiler Energieträger, reduziert werden. Das hat damit zu tun, dass bei den erneuerbaren Energien nur ein Anstieg von 282 PJ (2005) auf 396 PJ vorgesehen ist – also nur um 114 PJ – und beim gesamten Endenergieeinsatz nur eine Reduktion um 40 PJ.

 

Bei den fossilen Energieträgern, deren Endverbrauch in Österreich derzeit bei 800 PJ liegt, wäre aber bis 2020 ein starker Rückgang dringend nötig. Konsequente Energiewende erfordert ja bis etwa 2050 eine Reduktion der fossilen Energien (und von Atomstrom) gegen Null.

 

Einerseits soll laut Regierungsprogramm der Rückgang mit Hilfe des Emissionshandels erreicht werden (derzeit können sich jene energieintensiven Betriebe, die zum Emissionshandel verpflichtet sind, diese Zertifikate leider zu viel zu niedrigen Preisen kaufen), andererseits nimmt das Regierungsprogramm – bei Schonung der Wirtschaft – die privaten Haushalte in die Pflicht und fordert verstärkte Anstrengungen bezüglich Senkung des Verbrauchs fossiler Energien und vermehrter Energieeffizienz (thermische Sanierung der Häuser, Fernwärmeanschlüsse, E-Mobilität, Ausbau des öffentlichen Verkehrs…).

 

2.2 Weder in der Energiestrategie Österreich noch im Regierungsprogramm ist die Einführung einer CO2-Abgabe vorgesehen:

 

Dabei ist ohne Einführung einer in kleinen Schritten steigenden CO2-Abgabe die Reduktion des Einsatzes fossiler Energien nicht vorstellbar. Denn nur eine kleine Gruppe von Idealisten ist von sich aus bereit, den Einsatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare zu ersetzen und zugleich den Energieverbrauch generell zu senken.

 

Infos zum Vorschlag unseres Vereins Klimaschutz-Initiative zu einer CO2-Abgabe: hier  

 

2.3 Das Mehr an Energieeffizienz (+ 20 %) wird von der zunehmenden Nachfrage nach Energie- und Verkehrsdienstleistungen „aufgefressen“:

 

Die steigende Energieeffizienz führt nicht zu einer Reduktion des Energieeinsatzes, sondern bloß zu einem Stopp beim Energiewachstum. Einerseits wird von weiterem Wachstum bei der Nachfrage nach Energie- und Verkehrsdienstleitungen auf ca. 1.300 PJ ausgegangen, andererseits wird durch die beabsichtigte Steigerung der Energieeffizienz um 20 % weiterer Anstieg des Energieeinsatzes vermieden, sodass der Endenergieverbrauch annähernd auf 1.100 PJ gleich bleibt.

 

Die Effizienz wird demnach nur als Hemmschuh gegen weiteres Energiewachstum eingesetzt, und vom Energie- und Verkehrssparen ist im Regierungsprogramm überhaupt keine Rede. Wie soll es da zu stetem Rückgang des Endenergieeinsatzes kommen? Bei Energie aus erneuerbaren Quellen ist doch bis 2050 laut Aussagen von Experten und laut Studien nur ein Jahresaufkommen von etwa 50 % erreichbar. Das heißt, die andere Hälfte muss durch Energie- und Verkehrseffizienz und durch Energie- und Verkehrssparen eliminiert werden.

 

2.4 Es besteht die Gefahr, dass nicht einmal die Ziele „Stabilisierung auf 1.100 PJ“ und „34 % erneuerbare Energien“ erreicht werden:

 

Dass bis 2020 250.000 E-Autos auf Österreichs Straßen unterwegs sein werden, ist zu bezweifeln. Maßnahmen zur Weckung von mehr Interesse an E-Autos (Förderungen…) findet man im Regierungsprogramm nicht. Das Wahnsinns-Projekt „E-10“ (10 % Bioethanol im Benzin) ist gescheitert. Und die Sanierungsrate von 3 % im Gebäudesektor wurde bisher stets deutlich unterschritten.

 

 

2.5 Es ist zu befürchten, dass auch die Energieeffizienz nicht um 20 % gesteigert werden kann:

 

Die Energieeffizienz-Richtlinie der EU muss bis 5. Juni 2014 umgesetzt werden. Aber die Wirtschaft wehrt sich gegen ein wirksames Energieeffizienz-Gesetz – aus Angst, die Betriebe könnten die Vorschriften nicht erfüllen, dadurch finanziell überlastet werden und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt werden. Dabei würden sich Investitionen in die Energieeffizienz in kurzer Zeit amortisieren und den Unternehmen auch Vorteile bringen. Einerseits sprechen die Wirtschaftseliten andauernd davon, dass Innovationen nötig seinen. Sie weigern sich aber, Innovationen im Bereich der Energieeffizienz umzusetzen.

 

Das heißt, es muss mit einem stark „verwässerten“ Energieeffizienzgesetz gerechnet werden, das bloß auf dem Papier existiert, aber wenig Erfolg bringen wird.

 

 

Zu 3) Erarbeitung einer Energiestrategie 2030 und aktive Unterstützung der EU-Klimastrategie 2030

 

Knapp vor der Präsentation der EU-Klimastrategie 2030 am 22. Jänner gibt es innerhalb der EU-Kommission Uneinigkeit über die künftigen Ziele. Fix scheint nur, dass es ein verbindliches Ziel zur Reduktion des CO2-Ausstoßes, einen unverbindlichen Richtwert für erneuerbare Energien und vorläufig kein neues Einsparungsziel geben wird. Also ein Rückschritt, der der Atom- und Fossillobby und der Industrie (auch der österreichischen) zuzuschreiben ist.

 

 

Zu 4) Österreich müsste sich als Energiewende-Schrittmacher in der EU einbringen

 

4.1 Anti-Atom-Politik ist enorm wichtig, aber als alleiniger Schwerpunkt zu wenig:

 

Positiv – und eigentlich selbstverständlich – ist die Tatsache, dass sich das Regierungsprogramm zur Atomenergie mehrfach negativ äußert: gegen Förderungen, für weitere Stresstests, für Betreiberhaftpflichtversicherung, gegen grenznahe AKWs bzw. Lagerstätten, für verpflichtende Stromkennzeichnung…

 

Aber Österreichs Anti-Atom-Politik müsste begleitet sein von einer konsequenten Klimapolitik mit zurückgehendem Energieverbrauch.

 

Bezüglich Klimaschutz tritt das Regierungsprogramm für ein ambitioniertes Weltklimaabkommen ein („< 2oC-Ziel“), was angesichts der geringen Anstrengungen Österreichs und des Verfehlens des Kyoto-Ziels geradezu lächerlich wirkt.

 

 

4.2 Der Stromspeicherung widmet das Regierungsprogramm zu wenig Aufmerksamkeit:

 

Von der Notwendigkeit der Errichtung von Speichern, die dem Ausgleich des stark schwankenden Aufkommens bei Wind- und Solarstrom dienen sollen, spricht das Regierungsprogramm nur im Zusammenhang mit dem europäischen Wettbewerb und weist auf die Notwendigkeit von Gas- und Pumpspeichern und von Infrastrukturausbau (offensichtlich Höchstspannungsleitungen) hin. Hier ist die Handschrift der großen EVUs, vor allem des Verbundkonzerns, erkennbar (mit billigem Windstrom aus Norddeutschland oder von Atomkraftwerken möglichst viele österreichische Alpenspeicher füllen und daraus teuren Spitzenstrom machen).

 

In Wahrheit ist das Missverhältnis zwischen Stromaufbringung und Speicherung bereits so arg, dass Feuer am Dach ist. Man hat es verabsäumt, parallel zur Expansion bei Strom aus Wind und Sonne auch die Speicherstrukturen- und Speicherkapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energiequellen massiv auszubauen. Weil Wind- (und Kohle-) Strom aus Deutschland so billig ist, können bereits bewilligte österreichische Pumpspeicherwerke aus mangelnder Rentabilität nicht gebaut werden. Mit dem Bau dieser Speicher muss mit Hilfe von Förderungen schleunigst begonnen werden – im Sinne der Versorgungssicherheit. Denn die Versorgungssicherheit muss über den taktisch-ökonomischen Strategien mancher EVUs stehen.  

 

Außerdem ist zu bedenken, dass dezentrale Speicheranlagen besser zur dezentral anfallenden Sonnen- und Windenergie passen als riesige Alpenspeicher. Die höheren Kosten werden dadurch kompensiert, dass nicht so intensiv in den Leitungsbau investiert werden muss. Aber wahrscheinlich werden wir auch zusätzliche Alpenspeicher brauchen.

 

Eine Speicherungs-Offensive ist zu starten, auch bei der Forschung. Österreich müsste sich diesbezüglich fordernd in der EU einbringen. Neben der mechanischen Speicherung mit Hilfe von Pumpspeicherwerken bietet sich auch die chemische Speicherung an, indem entweder Batterien aufgeladen werden oder durch Elektrolyse von Wasser Wasserstoff gewonnen wird, mit dem sowohl Brennstoffzellen betrieben werden können als auch Kohlenwasserstoffe erzeugt werden können - durch Synthese des Wasserstoffs mit dem Kohlenstoff von CO2. Auf diese Weise entsteht eine wichtige Grundlage für die Substitution von fossilen Energieträgern durch erneuerbare, indem mit Hilfe von Strom aus Wasser- und Windkraft und aus Photovoltaik brennbare Stoffe als Endenergieträger erzeugt werden. 

 

4.3 Positiv: Regierungsprogramm gegen zunehmende Spekulation mit Strom:

 

Das Regierungsprogramm tritt unter „Europäische Energiepolitik / Wettbewerb…“ für die Schaffung spezifischer Rahmenbedingungen an den Strombörsen ein, „die eine transparente und sachgerechte Preisbildung garantieren und rein spekulative Transaktionen hintanhalten.“ 

 

 

Zu 5) Obwohl sich das Regierungsprogramm zum Ausbau der erneuerbaren Energien bekennt, enthält es mehrere „bremsende“ Bemerkungen, besonders in Bezug auf Förderungen für Ökostrom:

 

-          Förderungen müssen immer wieder evaluiert werden und müssen „umwelt-, wirtschafts- und sozialverträglich“ sein (eine Reaktion auf die massive Kritik an der Ökostromförderung).

 

-          Dass die Einspeisung von Solarstrom ins Stromnetz von den großen Stromversorgungsunternehmen (EVUs) nicht besonders geliebt wird, zeigt im Regierungsprogramm der Hinweis „Stärkung des Fokus auf Eigenstromversorgung“. Der Einspeisetarif wurde ja mit 2014 von 18,12 Cent pro eingespeister kWh (plus 200 Euro Investitionszuschuss pro kWp) auf 12,5 Cent gesenkt. Die maximale Größe geförderter Anlagen wurde von 500 kWp auf 350 kWp reduziert.

 

 

 

Endenergieverbrauch Österreichs (PJ) laut „Energiestrategie Österreich“:

 

2005

  2008

   2020

Erdölprodukte

496

    444

    362

Kohle

  25

      24

      27

Erdgas

203

    188

    191

Fernwärme

  55

      62

      59

Strom konventionell

  58

      44

      43

Strom erneuerbar

148

    163

    180

Fernwärme erneuerbar

  15

      24

      38

Wärme erneuerbar

117

    122

    143

Biotreibstoffe

    2

      18

      34

Summe fossil

836

    763

    682

Summe erneuerbar

282

    326

    396

Summe Endenergie

  1.118

 1.089

 1.078

Eigenverbrauch

(Verluste Strom/Fernwärme)

       38

      43

      37

Bruttoendenergieverbrauch

  1.156

 1.132

 1.115

 

Quelle: Österreichische Energieagentur. In: „Energiestrategie Österreich“, Seite 11, gerundete Werte; Lebensministerium und Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend 2010

3,6 PJ (Petajoule) = 1 TWh (Terawattstunde) = 1.000.000.000 kWh

 

 

 

Energie-Umwandlungskette:

Primärenergie = Energieträger, wie er uns in der Natur zur Verfügung steht (Erdöl, Kohle, Erdgas, Holzstämme und -äste, Wasserkraft, Windkraft, Energie von Solaranlagen…

Endenergie = Energie, wie sie dem Konsumenten zur Verfügung steht (Heizöl, Treibstoff, Holzpellets, Strom von der Steckdose …

Nutzenergie = Energie, die vom Heizkörper abgegeben wird, von den Antriebsrädern eines Kfz´s auf die Straße übertragen wird …

Energiedienstleistung (Beispiele) =

= behagliche, helle Räume

= Fahrten von A nach B mit bestimmtem Komfort und in bestimmter Zeit

= Bearbeitung von Materialien/Gegenständen

= Bereitung/Aufbewahrung von Lebensmitteln

= Sauberkeit von Wäsche, Geschirr und Wohnung …

Wir brauchen eigentlich nicht Energie, sondern Energiedienstleistungen.

Ziel der Energie- und Verkehrswende: Dieselbe Energiedienstleistung mit halbem Energieaufwand.