13. September 2020: Gewinn wird privatisiert – Umweltzerstörung wird sozialisiert

 

Im Oktober soll der hoch umstrittene Freihandelsvertrag Mercosur in den EU-Ländern und im EU-Parlament zur Abstimmung gelangen. Das Abkommen könnte zum Klimakiller werden.

 

Nach CETA steht das nächste Freihandelsabkommen vor dem Abschluss. Die EU verhandelt es mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Das sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

 

Zur Erinnerung: Die Mercosur-Staaten sind Agrar-Großmächte. Sie produzieren hauptsächlich billiges Rindfleisch und Geflügel in industrieller Massentierhaltung; oftmals unter Verwendung von Hormonen, Antibiotika und  Wachstumsförderern. Die Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsstandards liegen zumeist unter jenen der EU.

 

Erst vor Monaten kam es in Brasilien zu einem gigantischen Gammelfleisch-Skandal, von dem die gesamte Fleischwirtschaft betroffen war. Mitarbeiter der staatlichen Lebensmittelbehörde wurden von Fleisch-Multis systematisch bestochen, um vergammeltes Fleisch als unbedenklich zu stempeln. „Fleisch-Panscher“ fügten Chemikalien hinzu, um Verwesungsgerüche zu verschleiern. Sie mixten verwurstete Schweineköpfe und Karton als Füllmaterial in verarbeitetes Geflügelfleisch.

 

Die Verhandlungen der EU mit den Mercosur-Staaten sind nun in der Endphase. Sie fanden – wie auch bei CETA – hinter verschlossenen Türen ohne parlamentarische Kontrolle statt. Bei den Gesprächen waren hauptsächlich EU-Kommissionsbeamte, Lobbyisten und Vertreter von Konzernen zugelassen.

 

Im Juni wurde die Einigung über den Abkommenstext erzielt. Im Oktober soll Mercosur dem EU-Parlament und den einzelnen EU-Ländern zur Genehmigung vorgelegt werden. Sollte das Abkommen in Kraft treten, könnte es zum wahren „Klimakiller“ werden. Von August 2018 bis Juli 2019 wurde so viel Regenwald abgeholzt oder brandgerodet wie seit elf Jahren nicht mehr. Dies, um Platz für Rinder oder Gen-Mais zu schaffen. Zum Vergleich: Deutschland produziert schon heute mehr Fleisch, als die Deutschen essen können.

 

Die globalisierungskritische Organisation ATTAC verurteilt nicht nur die Zerstörung des Regenwaldes – der grünen Lunge unseres Planeten –, um Weideplätze für Rinder aufgrund steigenden Fleischkonsums zu schaffen. Befürchtet werden Brände und hoher CO2-Ausstoß, Einsatz von Pestiziden, laxere Lebensmittelkontrollen, Vernichtung der Artenvielfalt sowie Umweltbelastungen durch lange Transportwege, obwohl wir unseren Bedarf auch regional decken könnten.

 

Profite von Konzernen auf Kosten von Verbrauchern, Umwelt und Tieren? Gewinn wird privatisiert – Umweltzerstörung sozialisiert: „In die derzeitigen Preise muss auch alles das eingerechnet werden, was ökologisch an Schäden angerichtet wird. Da wären die Fleischpreise wahrscheinlich 10-mal so hoch… Seit genmanipulierte Pflanzen im Einsatz sind, ist der Pestizideinsatz enorm gestiegen“, sagte Öko-Pionier Werner Lampert im „Krone“-Interview.      

 

Es geht in der Frage von Mercosur nicht um „Freihandel oder nicht Freihandel“. Es geht darum, wie nachhaltig wir leben wollen. Wir sind – wie Hans Dichand schrieb – „zu zerstörerischen Parasiten“ geworden, die immer größere Schäden anrichten, die kaum noch in unser Bewusstsein dringen.

 

Wir müssen unsere Lebensweise ändern, sonst gehen wir zugrunde. Wie sagten die Indianer Nordamerikas: „Der Mensch ist nur ein Teil des Ganzen. Seine Aufgabe ist die eines Hüters, eines Verwalters, nicht die eines Ausbeuters. Der Mensch hat Verantwortung, nicht Macht.“

  

 

Quelle: Wallentin Tassilo, Gewinn wird privatisiert, Umweltzerstörung sozialisiert. Kolumne „Offen gesagt…“ in „Krone Bunt“, Kronen Zeitung vom Sonntag, den 13. September 2020.