11. März 2015: Welche Konsequenzen zieht die EU aus Fukushima?
Vier Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima bricht in Europa wieder eine Debatte über Atomkraft los. Es sind aber nicht die Bilder aus Japan, die zum Jahrestag des Unglücks Stoff für Diskussion liefern, sondern Pläne der EU-Kommission
Laut EU-Verträgen ist die Wahl des Energiemixes Sache der Mitgliedsländer. Somit scheint das Verhältnis zur Atomenergie geklärt zu sein. Neu entflammt ist aber die Atomdiskussion mit dem Investitionspaket, das Jean-Claude Juncker zu seinem Amtsantritt vorgestellt hat. Streitpunkt ist, ob in diesem Paket auch Investitionen in den Neu- oder Ausbau von Atomkraftwerken enthalten sein dürfen.
In 14 der 28 EU-Mitgliedstaaten sind derzeit Atomkraftwerke in Betrieb. Frankreich bezog 2013 laut den aktuellen Zahlen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) 73 Prozent seiner Stromproduktion aus Atomkraftwerken und ist damit Weltspitze. Belgien, Slowakei, Ungarn und Schweden sind weitere EU-Staaten, bei denen der Anteil von Atomstrom in der Gesamtproduktion laut den IAEA-Daten über 40 Prozent lag.
Acht EU-Staaten haben sich in einem Brief an die EU-Kommission vor einigen Wochen dafür eingesetzt, dass man Atomenergie fördern solle. Die Atomstrom-Befürworter argumentieren, Atomkraft sei ein praktischer, kostengünstiger und effizienter Weg, die CO2-Ziele zu erreichen. Österreich wehrt sich auf EU-Ebene vehement, der Atomenergie diesen Status zu verleihen.
In Großbritannien ist eine ganz besondere Art staatlicher Beihilfen geplant: Für die Erweiterung des AKW Hinkley Point garantiert der Staat im „Contract for difference“ den Betreibern einen Strom-Abnahmepreis von elf Cent pro Kilowattstunde über 35 Jahre (Man bedenke: Der Preis an der internationalen Strombörse liegt derzeit bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde). Die EU-Kommission hatte diese Beihilfen im Oktober des vergangenen Jahres als rechtmäßig eingestuft.
Gegen diese Entscheidung will Österreich eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einbringen. Die Beihilfen verletzen das europäische Wettbewerbsrecht, argumentiert Österreich. Es sei nicht in Ordnung, eine jahrzehntealte und ausgereifte Technologie mit staatlichen Mittel zu fördern.
Beim Treffen der EU-Energieminister vergangene Woche erklärte Österreichs Energieminister Reinhold Mitterlehner, dass Atomenergie für Österreich weder als saubere noch als nachhaltige Energiequelle gelte. Klar gegen die Förderung von Atomenergie sprach sich auch sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel aus.
Deutschland beschloss als Konsequenz aus der Katastrophe von Fukushima den Atomausstieg. Italien stimmte ebenfalls 2011 in einer Volksabstimmung gegen den Bau neuer Atomkraftwerke. Auch Spanien und Belgien wollen aus der Atomkraft aussteigen. Das sind Lichtblicke, die man nicht hoch genug einschätzen kann.
Für jene Politiker, die trotz der zwei Reaktorkatastrophen ungerührt bleiben und ihre Pro-Atomlinie weiterhin verfolgen, gilt die entscheidende Frage: Wie viele Unfälle wie in Tschernobyl und Fukushima müssen noch passieren und wie viele Menschen müssen noch an den Folgen radioaktiver Strahlung erkranken und furchtbares Leid erdulden, bis sich diese Sturköpfe von Politikern herablassen, nicht auf die Einflüsterungen der Atomlobby zu hören und nicht auf die Profitgier von Energiekonzernen Rücksicht zu nehmen, sondern die Anliegen der Bevölkerung ernst zu nehmen?