11. Mai 2018: Bienensterben – ein Indikator für weltweites Insektensterben

 

 

 

Seit geraumer Zeit sind die Nachrichten voll vom Bienensterben, von Neonicotinoiden, von Glyphosat. Sind Umwelt- und Naturschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

 

In den vergangenen Jahren ist die Gesamtmenge der Fluginsekten um 80 Prozent zurückgegangen. Einerseits geht es um den Rückgang der Artenvielfalt, andererseits schrumpft auch die Zahl an Individuen je Art.

 

Dass Arten verschwinden, ist ja schon länger der Fall. Naturforscher haben deshalb vor 30, 40 Jahren die Roten Listen ins Leben gerufen, Für die Öffentlichkeit aber war das lange Zeit wenig sichtbar. Nur sehr aufmerksame Menschen stellten in den vergangenen 20 Jahren fest, dass weniger Vögel ans Futterhaus kommen oder dass es keine großen Starenschwärme mehr gibt. Schleichende Vorgänge sind ja immer ein riesengroßes Problem, denn es dauert lange, bis man etwas merkt.

 

Ein kritischer Stand ist nun erreicht. 80 Prozent Abnahme der Vogelindividuen in Deutschland, 80 Prozent Insektenrückgang! Wenn man jetzt die Leute mit der Nase darauf stößt, fällt allen wieder ein, dass früher die Windschutzscheibe vom Auto ja immer mit Insekten vollgekleistert war. Das gibt es nicht mehr. Wenn man jetzt hört, dass möglicherweise in fünf oder sechs Jahren die Insekten nicht mehr da sind, die unsere Nutzpflanzen bestäuben, und man auf die Bäume steigen und das mit dem Pinsel machen muss, dann kommen Grundängste auf.

 

Die drei wichtigsten Ursachen für das Bienensterben und generell für das Fluginsektensterben sind:

 

1) Einsatz von Giften in den Gärten und auf den Feldern

 

2) Schrumpfen der Lebensräume

 

3) Klimawandel

 

 

 

Grundeinstellung vieler Gartenbesitzer: Ordnung muss sein!

 

Der Ordnungssinn (vielleicht auch Bequemlichkeit) hat immer mehr Gartenbesitzer zu Rasenpflegern gemacht. Rasen besteht aber in erster Linie aus Gräsern, also aus Windbestäubern (wenn sie überhaupt zum Blühen kommen). Kräuter, also Insektenbestäuber, die durch Blütenblätter in verschiedenen Farben auffallen, findet man – außer Gänseblümchen – auf Rasenflächen kaum. Bienen brauchen aber gerade diese Insektenbestäuber.

 

Der Ordnungssinn der Gartenbesitzer hasst es, wenn Rosen von Blattläusen befallen sind. Sie müssen alle weg, diese Viecher! Kohlmeisen aber lieben Blattläuse. Würden die Menschen leichten Blattläusebefall dulden, würden sich die Kohlmeisen freuen. Da die Menschen aber Ordnung lieben und daher Gift streuen, fehlt den Kohlmeisen das Futter bzw. sie fressen die mit Gift belasteten Blattläuse und sterben. Weniger Kohlmeisen bedeuten aber mehr Blattläuse – und das heißt noch mehr Gift.

 

Eine Katastrophe! Nur Vielfalt schafft Stabilität. In jedem Garten sollte es eine Chaos-Insel mit Sträuchern und Wildnis geben.

 

 

 

Wie konnte es passieren, dass der Einsatz von Giften in der Landwirtschaft zur Normalität wurde?

 

Es ist klar, dass der Gifteinsatz in der Landwirtschaft eine von mehreren Ursachen für das Bienensterben ist. Wie ist es zu erklären, dass sich die Landwirtschaft in eine falsche Richtung entwickelte? Dass die Bauern sich in die Sackgasse manövrieren ließen?

 

Dazu ein kurzer Rückblick: Früher war weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung nur damit beschäftigt, mit hartem körperlichen Einsatz für die Ernährung zu sorgen. Kriege und Missernten verursachten Hungersnöte. Lebensmittel waren ein knappes Gut. Das begann sich zu ändern, als es gelang, durch Erfindungen in den Bereichen Chemie, Technik und Zucht die Erträge zu steigern und sogar vermehrt Vorräte anzulegen.

 

Was aber zunächst klein begonnen hatte, entwickelte eine Eigendynamik und wurde Teil des Wachstumssystems. Es entstanden sogar Überschüsse („Butterberg“…). Produktivität galt in zunehmendem Maße als oberstes Gebot, wurde in den Landwirtschaftsschulen gelehrt und von den Agrarökonomen gepredigt: Mit so wenig wie möglich Arbeits- und Kapitaleinsatz hohe Erträge zu erzielen. Es herrschte nicht nur der natürliche Neidkomplex der Bauern untereinander (wer wirtschaftet am besten), sondern auch Konkurrenzkampf mit den Nachbarländern, denn man wollte ja vom Überschuss exportieren.

 

Dem Wachstumstrend waren viele Kleinbauern nicht gewachsen. Aber man sah in der Tatsache, dass jedes Jahr Kleinbauern ihren Hof verließen und den Grund verkauften oder verpachteten, keine Tragik, sondern einen natürlicher Prozess. Heute setzt sich dieser Trend ungebrochen fort. Man spricht bereits vom „Bauernsterben“ (Mehr als 2000 Bauernhöfe sperren in Österreich jedes Jahr zu). Für die agrarökonomischen Eliten ist dies ein normaler Vorgang. „Strukturbereinigung“ nennen sie es. „Wachsen oder Weichen“ lautet die beinharte Devise.

 

Diejenigen, die trotzdem weiterhin ihren Hof bewirtschaften, tun dies zumeist im Nebenerwerb. Oft ist es die Gattin, die den Hof bewirtschaftet. Sie rackert und muss trotzdem die Produkte zu lächerlich niedrigen Preisen verkaufen. Die einzige Chance ist das Ausweichen in Richtung Bio-Landwirtschaft, wozu sich Gott sei Dank immer mehr Kleinbauern entscheiden.

 

Das Problem ist die mangelnde Solidarität der Großbauern mit den Kleinbauern. In letzteren sehen die Agrarriesen z. T. sogar eine Belastung des gesamten Systems. Aber auch bei den Kleinen ist noch viel Umdenken notwendig. Auch Kleinbauern investieren in große Traktoren. Die Begeisterung für Großtechnik griff und greift um sich (Lehrer in der Schule: Was ist das Wichtigste auf einem Bauernhof? Einstimmige Antwort der Schüler: Der Traktor). Der große Traktor ist der Stolz vieler Bauern, und der nächste, der gekauft wird, muss natürlich noch größer sein.

 

Dieses Denken verdrängt noch heute bei vielen Landwirten das Bewusstsein, dass gesunde, unverdichtete Böden mit hohem Humusgehalt und viel Bodenleben viel wichtiger sind als der neue Traktor und die Voraussetzung sind für nachhaltige Landwirtschaft.

 

Für viele Bauern ist der Einsatz von Insekten- und Unkrautvernichtungsmitteln auf ihren Monokultur-Feldern normaler Alltag. Mit synthetischen Düngern werden die verarmten Böden gedopt. Die Spurenelemente gelangen mit den Fäkalien aus den Dörfern und Städten gemeinsam mit den Abwässern von Straßen und Betrieben in die Kläranlagen, von wo diese Mischung wegen der Toxizität als Sondermüll in Deponien gelagert wird – statt gesondert erfasst und als Dünger zu den Bauern zurückgeführt zu werden.

 

Das Bewusstsein für biologische Kreisläufe und sanfte Methoden muss erst Fuß fassen bzw. zum Teil wieder entdeckt werden – auch von den Bauern selber. Die steigende Zahl von Biobauern und die wachsende Nachfrage nach Bioprodukten ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Und die z. T. noch kleinstrukturierte Landwirtschaft ist ein großer Schatz, der in erfreulicher Weise immer mehr erkannt wird. Der Bauer ist ja auch Landschaftsgärtner.

 

Jene Bauern, die konventionell wirtschaften, begaben sich mit der Überproduktion in die Abhängigkeit von Subventionen und lieferten sich der Macht der Lebensmittelkonzerne und des Lebensmittelhandels aus.

 

Statt sich zu ländlichen Gewerkschaften zusammenzuschließen und vereint für gerechte Bezahlung zu demonstrieren (zu Fuß, nicht auf Traktoren!), lassen sich die Bauern eher von den Lebensmittelriesen gängeln. Sie sind gezwungen, ihre Produkte zu Spottpreisen zu verkaufen und werden sogar noch dafür gescholten, dass sie 70 Prozent ihrer Einkommen von der öffentlichen Hand erhalten. Der Bauer, der das Wichtigste erzeugt, nämlich unsere Lebensmittel, wurde zum Bittsteller degradiert und zu immer höherer Effizienz getrieben. Da stimmt etwas nicht !!!

 

 

Schrumpfende Lebensräume für die Insekten

 

In Gärten werden Wiesen in Rasen umgewandelt. „Vielfalt-Flächen“ werden immer weniger und kleiner, Nassbiotope werden trockengelegt. Raine und Wege werden umgeackert, unproduktive Flächen werden produktiv gemacht. Durch zu frühe Mahd wird verhindert, dass die Wiesenkräuter zum Blühen kommen. Alles wird der Produktivität geopfert. Aber das ist falsch verstandene Produktivität. Denn dass wir dabei gedankenlos unsere kleinen fliegenden Helfer beseitigen, das wird uns erst jetzt bewusst.

 

Lassen wir wieder Wiesen wie früher wachsen und reifen bis zur Mahd im Juni. Rückkehr zur Heu-Wirtschaft ist notwendig.

 

 

Klimawandel

 

Höhere Temperaturen stören das sensible biologische Gleichgewicht zwischen den Organismen.

 

Neben eingeschleppten Krankheiten und Arten wie der Varroa-Milbe setzt die Klimaerwärmung den Bienen zu. Forscher der UniversitätToronto untersuchten in einer Langzeitstudie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bestäubungsleistung der Insekten. Insgesamt 17 Jahre beobachteten sie unberührte Wiesen der Rocky Mountains. Hier bestäuben vor allem Hummeln die früh blühende Gletscherlilie. Die im Jahre 2010 veröffentlichten Ergebnisse zeigten einen signifikanten Zusammenhang von Klimawandel und Bestäubungsleitung. Die zeitliche Abfolge der Bestäubung geriet durch die steigenden Temperaturen immer mehr in Schieflage. Der Hummelflug stimmte zeitlich von Jahr zu Jahr weniger mit der Blütezeit der Pflanzen überein. Die Hummeln befanden sich noch im Winterschlaf, während schon Blüten zum Bestäuben vorhanden waren.

 

Es ist klar erkennbar, dass Pflanzen im Frühjahr wesentlich früher ihre Blütephase erreichen. Ausschlaggebend dafür sind höhere Temperaturen aufgrund des Klimawandels. Die Insekten schaffen es einfach nicht, die schon blühenden Pflanzen ausreichend zu bestäuben.

 

Höhere Bodentemperaturen schaffen optimale Voraussetzungen für die Ausbreitung von Bodenpilzen und anderen Schädlingen. Im Obstbau gehört der Apfelschorf zu den gefährlichsten Krankheitserregern. Das immer wärmer werdende Wetter öffnet zudem wärmeliebenden Schädlingen Tür und Tor. In Österreich besonders relevant wird die vermehrte Ausbreitung von Kartoffelkäfer, Blattläusen und dem Maiszünsler, die schon jetzt verantwortlich für teils erhebliche Ertragsverluste sind.

 

Das warm-trockene Wetter der letzten Jahre ließ den Borkenkäfer zu einem unübersehbaren Problem werden. Seit dem Jahr 2000 haben Borkenkäfer österreichweit insgesamt 20 Millionen Festmeter Holz befallen. Die durch den Borkenkäfer in Mitleidenschaft gezogenen Bäume sind zudem anfälliger auf Extremwetterereignisse wie Stürme.