2015

 

 

Wie bekommt man die Turbulenzen am Energiemarkt in den Griff?

 

Die Megawattstunde (MWh) Strom kostete 2008 an der Leipziger Strombörse noch 80 Euro (8 Cent pro kWh), seit einigen Monaten grundelt der Strompreis jedoch zwischen 30 und 40 Euro pro MWh (3 bzw. 4 Cent pro kWh). Ein niedriger Strompreis ist interessant für die Konsumenten und für die In-dustrie. Er fällt aber der Energiewende in den Rücken und führt außerdem am Strommarkt zu Chaos. Was ist passiert? Wo liegen die Ursachen für diese Fehlentwicklung?

 

 

1) Zur Wind- und Solarstromoffensive gehört unbedingt eine Speicheroffensive

 

Das zunehmende Aufkommen bei Wind- und Photovoltaikstrom ist räumlich und zeitlich starken Schwankungen ausgesetzt. Deshalb muss in Ergänzungsstrukturen (zusätzliche Stromspeicheran-lagen, Hochspannungsleitungen…) investiert werden, um die Schwankungen ausgleichen zu können.

 

Plötzlicher Stromüberschuss kann gefährlich sein

 

Von Strom-Überproduktion, die nicht abgeführt werden kann, geht noch größere Gefahr aus als vom Strommangel. Das Fehlen von Speicherkapazitäten zum Auffangen von Stromüberschuss führte z. B. im Herbst 2013 in Deutschland zu einem ernsten Vorfall: Eines Tages wurde die Deutsche Bahn er-sucht, die Weichenheizungen einzuschalten, weil der Windstromüberschuss so groß war, dass ausrei-chender Verbrauch nicht mehr garantiert werden konnte und daher die Netzstabilität in Gefahr war. 

 

Denn „wird eine Netzfrequenz von 50,2 Hertz überschritten, schalten beinahe alle dezentralen Erzeu-ger zeitnah ab, da es hier eine ‚Sollbruchstelle’ gibt. Damit können Kleinigkeiten zu einer Kettenreak-tion führen. Alleine in Deutschland stand das Stromnetz in den letzten eineinhalb Jahren vier Mal vor dem Zusammenbruch, zuletzt Ende März dieses Jahres“ (im Jahr 2013, Anm.).1

 

Eine Möglichkeit, der steigenden Windstromproduktion zu entsprechen, bestünde darin, Windgegen-den zu E-Mobilitäts-Regionen zu erklären und so fossile Treibstoffe durch Windstrom zu ersetzen. Norddeutschland wäre wegen des starken Windstromaufkommens geradezu prädestiniert, als E-Mobilitäts-Region zu fungieren. Dasselbe gilt für Ostösterreich.

 

 

Für die Speicherung von Wind- und Photovoltaikstrom gibt es mehrere Möglichkeiten:

 

a) Mechanische Speicherung (Pump-, Druckluft- und Schwungradspeicherung)

 

b) Chemische Speicherung:

  • durch Aufladen von Batterien

  • durch Erzeugung von solarem Wasserstoff (Wasser wird mit Hilfe von Wind- und Photovol-taikstrom durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt)

  • durch Erzeugung von solaren Kohlenwasserstoffen durch Synthese von solarem Wasserstoff mit CO2: 2 H2 + CO2 -> CH4 + O2 (CH4 ist Methan)

  

c) Elektrostatische Speicherung (Aufladen von Kondensatoren)

 

d) Wärmespeicherung durch Umwandlung von Strom in Wärme (wobei zu berücksichtigen ist, dass hier die Rückverwandlung in Strom nur mit enormen Verlusten möglich ist).

 

 

Dezentrale Speicher favorisieren


Die Errichtung einer größeren Zahl von kleineren Speichern ist zwar teurer als der Bau von riesigen Hochgebirgs-Pumpspeichern. Dafür ermöglicht es die Nähe an den Stromproduzenten und Stromkon-sumenten, dass man mit geringeren Investitionen in die Stromleitungs-Infrastruktur auskommen kann. Es bietet sich an, dass sich Gemeinden zusammenschließen und gemeinsame „dezentrale Speicher-zentren“ betreiben. Die Einnahmen gehen dann an die Gemeinden und nicht an Privataktionäre.


Speichereinheiten sind selbst in kleinsten Dimensionen vorstellbar, z. B. in Einfamilienhäusern. Auch die Batterien der E-Autos können als Speicher fungieren.



Funktionsweise eines Pumpspeicherwerkes: Wenn im Stromversorgungsnetz zusätzlicher Strom benötigt wird, dann fließt das Wasser vom oberen in den unteren Speicher und versetzt die Turbine mit großer Kraft in Drehbewegung. Diese Drehbewegung wird über die Turbinenwelle auf den Generator übertragen, der Strom produziert. Wenn aber Wind- und Solaranlagen mehr Strom erzeugen, als gerade gebraucht wird, dann wird der Generator zum Motor und treibt die Pumpe an, die Wasser vom unteren Speicher in den oberen hinaufpumpt und somit Energie speichert.


 

2) Mit zunehmender Gewinnung von solarem Strom muss der Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe zurückgehen

 

Vor allem in Deutschland, aber auch in anderen EU-Ländern boomt der Ausbau der Solarstromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik, ohne dass die Politik dafür sorgt, fossile Brenn- und Treibstoffe (und Atomstrom) staatlich geregelt schrittweise zu verteuern. Die Folge ist, dass die Energiewende derzeit kein Substitutionsprozess ist, sondern ein Additionsprozess. Das heißt, Strom von Wind und Photovoltaik dient nicht dazu, den Einsatz fossiler Energieträger zurückzudrängen, sondern insgesamt das Energieangebot zu erhöhen und somit Energie zu verbilligen. Derzeit kommt außerdem die Tatsa-che dazu, dass der Weltmarktpreis bei Öl sehr niedrig ist.

 

Energieverbrauch halbieren und fossile Energieträger gegen null reduzieren

 

Die Devise muss lauten: Je mehr Strom aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse/Biogas erzeugt wird, desto stärker muss der Einsatz fossiler Energien zurückgehen.

 

Österreichs Gesamtenergieverbrauch betrug 2013 1423 PJ und setzte sich wie folgt zusammen: 947 PJ fossil, 423 PJ erneuerbar, 26 PJ Importüberschuss bei Strom und 27 PJ brennbare Abfälle. Da wir im Sinne konsequenten Klimaschutzes total auf erneuerbare Energieträger umsteigen wollen bzw. müssen, ist zu bedenken, dass bei den erneuerbaren Energieträgern die inländische Aufbringung trotz massivem Ausbau aus heutiger Sicht bis 2050 nur – je nach Studie – auf etwa 600 bis 700 PJ, also auf etwa die Hälfte des heutigen Gesamtenergieverbrauches steigerbar ist. Daher ist es sehr wichtig, dass der Energieverbrauch insgesamt durch Energie- und Verkehreffizienz und durch Energie- und Verkehrssparen in Richtung Halbierung reduziert wird, wobei sich diese Reduktion vor allem im fossi-len Sektor vollziehen muss: Bis 2050 von 947 PJ auf null zu kommen heißt, dass der Rückgang beim Einsatz fossiler Energieträger drei Mal so schnell vor sich gehen muss als der Ausbau der erneuerba-ren Energien.


Quelle: Für 2050 Berechnungen und Schätzungen der Klimaschutz-Initiative ks-i

Graphik: Klimaschutz-Initiative ks-i

 


Manchmal können fossile Brenn- und Treibstoffe nicht durch Wind- und Photovoltaikstrom ersetzt werden, sondern nur durch solare Brennstoffe. Hier bieten sich einerseits solarer Wasserstoff und solare Kohlenwasserstoffe an, andererseits sind dafür Biomasse und Biomethan 2 prädestiniert.

 


Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen

 

Damit bei den fossilen Energieträgern tatsächlich eine Reduktion erreicht werden kann, müssen alle Subventionen für fossile Energien (und für Atomkraft) gestrichen werden:

  • International: Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung des Luft- und Schiffsverkehrs und der direkten und indirekten Förderungen für Fossil- und Atomstrom

  • Angleichung der Besteuerung von Diesel an die von Benzin

  • Ökologisierung der Pendlerpauschale

  • Ende der Steuerbegünstigungen für Dienstwägen

  • Dem Heizölhandel und den Ölkesselproduzenten muss verboten werden, den Einbau neuer Ölheizkessel zu fördern.


Belastung fossiler Energien durch eine in kleinen Schritten steigende CO2-Abgabe

 

Ein Vorschlag für eine solche Abgabe: http://ksi.jimdo.com/aktivitäten/projekt-2012/co2-abgabe-neu/ 


Tabelle: Studien über die Nutzung erneuerbarer Energiequellen 2050 aus inländischer Aufbringung:

Primärenergie

Derzeitiges

Energie-aufkommen

 

 

„Energie-

Autarkie für

Österreich“

Konstant-

Szenario      

„Energie-

Autarkie für

Österreich“

Wachstums-

Szenario

„Energie-R/evolution

Österreich

2050“

 

Klima-schutz-

Initiative

 

„Energie der

Zukunft“ Szenario Forciert  

„Energie der Zukunft“

Szenario

Pragmatisch

 

 

  2013

    2050

    2050

  2050

 2050

   2050

   2050

Öl

 515 PJ

        0 PJ

      0 PJ

    22 PJ

      0 PJ

    0 PJ

  84 PJ

Kohle

 138 PJ

        0 PJ

     0 PJ      

minimal

      0 PJ

    0 PJ

  90 PJ

Erdgas

 294 PJ

        0 PJ

      0 PJ

    58 PJ

      0 PJ

    0 PJ

  16 PJ

Strom Export- Import-Saldo

+ 26 PJ

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

- 50 PJ

- 27 PJ

Brennbare Abfälle

   27 PJ

Keine Angabe

Keine Angabe

   20 PJ

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

Feste/flüssige Biomasse, Biogas

244 PJ

   244 PJ

   293 PJ

 213 PJ

  275 PJ

398 PJ

415 PJ

Wasserkraft

151 PJ

   161 PJ

   177 PJ

 134 PJ

  160 PJ

152 PJ

152 PJ

Photovoltaik

    2,25 PJ

     58 PJ

     70 PJ

   44 PJ

    85 PJ

  95 PJ

 95 PJ

Wind

  10,80 PJ

     49 PJ

     52 PJ

   19 PJ

    30 PJ

  61 PJ

 61 PJ

Solarthermie

    7,38 PJ

     50 PJ

     75 PJ

   25 PJ

    53 PJ

  18 PJ

 32 PJ

Oberflächennahe

Umweltwärme 2)

    6,63 PJ

     49 PJ

     68 PJ

   25 PJ

    45 PJ

  20 PJ

 28 PJ

Tiefe Geothermie

    0,70 PJ

     11 PJ

     71 PJ

     0 PJ

      2 PJ

    7 PJ

   7 PJ

Industrielle Abwärme

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

Keine Angabe

    6 PJ

   6 PJ

Summe erneuerbare En.

  423 PJ

   622 PJ

   806 PJ

  460 PJ

 650 PJ

707 PJ

796 PJ

Gesamtenergie-verbrauch

1423 PJ

   622 PJ

   806 PJ

  540 PJ

 650 PJ

707 PJ

 959 PJ


Quellen und Erläuterungen unter: http://ksi.jimdo.com/kurzinfos/energieaufbringung-ö-12-50/

3,6 PJ (Petajoule) = 1 TWh (Terawattstunde) = 1.000.000.000 kWh

 

Die obige Tabelle zeigt, dass beim Ausbau der Sonnen- und Windenergie mehr Tempo nötig wäre.


Die in der „Energiestrategie Österreich“ bis 2020 vorgesehenen 34 Prozent erneuerbare Energien sind ein wenig ambitioniertes Ziel, das schon jetzt fast erreicht ist. Wesentlich mehr wäre möglich. Wäh-rend in Österreich der Photovoltaik-Anteil an der Stromerzeugung lediglich bei gut einem Prozent liegt, bezieht Italien schon acht Prozent des Stroms von Photovoltaikanlagen 3 und Bayern gar 13 Prozent.4


 

3) Die Chefs der Stromkonzerne müssen dafür gewonnen werden bzw. dazu verpflichtet werden, dem Gemeinwohl Vorrang einzuräumen

 

Neuer Wein gehört in neue Schläuche

 

Nach einem Bibelzitat müsste man sagen: Es handelt sich bei der Energiewende um „neuen Wein“, mit dem man besser nur „neue Schläuche“ befüllen sollte (Matthäus 9, 17). Mit der Energiewende vollzieht sich nämlich ein massiver Umbau der Erzeugerlandschaft bei Strom mit vielen dezentralen Anlagen, die noch dazu eine schwankende Erzeugung aufweisen. Das vermindert die Gewinne und die Macht der Stromkonzerne, steigert aber die Komplexität erheblich. Das System stößt immer häufiger an seine Belastungsgrenzen und wird anfälliger für Störungen.

 

Dazu kommt, dass einerseits mit dem Wachstum bei Wind- und Photovoltaikstrom der massive Aus-bau von Speicheranlagen und anderen Komplementärstrukturen einhergehen müsste, andererseits aber sich dieser Ausbau für die Stromkonzerne nicht rentiert, weil Strom an den Strombörsen zu extrem niedrigen Preisen zu bekommen ist. Die Ursache für diese „Verwerfungen“ beim Strommarkt

 

sehen die Chefs der Stromkonzerne bei der Energiepolitik europäischer Länder, die den Ausbau der Wind- und Solarstromerzeugung fördern (besonders Deutschland) und dadurch den Preisverfall bei Strom verursachen. Die Stromkonzerne werden daher nicht müde, die Förderungen für erneuerbare Energien zu kritisieren und in diesem Sinne die Politik zu beeinflussen. In Wirklichkeit sind die Sub-ventionen für Fossil- und Atomenergie höher als für den Wind- und Solarstromausbau. In der Fossil-branche fließen außerdem viel größere Beträge als bei der Energiewende. Allein im vorigen Jahr wurden 700 Milliarden Dollar in die Suche und Gewinnung von Erdöl, Kohle und Erdgas investiert.5

 

Wer ist also schuld an den Turbulenzen beim Strommarkt? Sicher die EU-Energiepolitik, die es verabsäumt hat, einen vollständigen ordnungspolitischen Rahmen für die Energiewende zu schaffen, d. h. den Ausbau der Stromgewinnung aus Wind und Sonne einerseits ganzheitlich zu fördern, also auch den Bau von Speichern und anderen Komplementärstrukturen in den Förderrahmen einzuschlie-ßen (es gibt z. B. in Österreich fertige Pläne für Pumpspeicher-Kraftwerke, die  einfach nicht umge-setzt werden), andererseits aber auch Druck auszuüben, dass die Stromkonzerne solche Strukturen errichten. Weiters hat die Energiepolitik es leider unterlassen, bei fossilen Energieträgern und bei Fossil- und Atomstrom Förderungen zu streichen und fossile Brenn- und Treibstoffe (und Atom-strom) durch eine schrittweise steigende CO2-Abgabe zu verteuern. Deshalb gibt es beim Um-stieg von Fossilenergie auf Ökostrom kaum Fortschritte. Außerdem ist bei den Stromkonzernen auf Grund der niedrigen Strom-Großhandelspreise die Bereitschaft gering, in Komplementärstrukturen zu investieren. Ebenso trägt die Fossillobby zu den Problemen bei, indem sie nicht bereit ist, die Energiewende mitzutragen, d. h. die Reduktion des Verbrauches fossiler Energieträger zuzulassen. So bewirkt die Fossillobby eine Energieschwemme und somit extrem niedrige Preise. 

 

Die herkömmlichen kaufmännischen Praktiken der E-Wirtschaft taugen für das neu entstehende Energiesystem nicht

 

Österreichische Stromkonzerne tätigen Stromzukäufe im Ausland – z. B. an der Strombörse in Leipzig –, weil der Strom dort häufig extrem billig ist, z. T. sogar verschenkt wird oder gar mit einer Belohnung („Negativpreis“) zu haben ist. Da kann es schon vorkommen, dass österreichische Flusskraftwerke zeitweise zurückgefahren werden (also das Wasser ungenutzt das Kraftwerk passiert), weil gerade der Import von deutschem Windstrom lukrativer ist. Vernachlässigt wird dabei die Errichtung von Er-gänzungsstrukturen im Inland – z. B. von Speichern. Es wurden sogar österreichische Gaskraftwerke wegen mangelnder Rentabilität eingemottet (z. T. nur vorübergehend), obwohl die nötigen Speicher-kapazitäten für Ausgleichsstrom fehlen und daher die Gaskraftwerke die einzigen derzeit zur Verfü-gung stehenden Kapazitäten für Ausgleichsstrom sind (Sie sind notwendig, um einzuspringen, wenn es Verbindungsprobleme zu den norddeutschen Windenergieanlagen gibt oder wenn bei einer plötz-lichen Windflaute die österreichische Stromversorgung wegen des mangelnden Ausgleichsstroms nicht mehr gewährleistet werden kann).

 

Es wird von den Stromkonzernen auch die Möglichkeit rege genutzt, Strom an der Börse im Voraus zu kaufen (Termingeschäfte), um preisliche Vorteile nutzen zu können. Wenn dann aber zum Lieferzeit-punkt die vertraglich gesicherte Windstrommenge nicht lieferbar ist, muss Strom von Fossil- oder Atomkraftwerken einspringen. Das ist ganz gegen die Energiewende!

 

Der niedrige Marktpreis bei Strom trifft jene Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die keine Förderung erhalten oder für die die Förderung ausgelaufen ist, besonders hart, denn sie müssen mit indirekt oder direkt gefördertem Strom von Atom- und Braunkohlekraftwerken bzw. mit billigem Windstrom konkurrieren. Besonders ernst ist aus diesem Grund die Situation bei den Klein-wasserkraftwerken. Ein Drittel steht vor dem Aus.6 Ein unhaltbarer Zustand!

 

Wo die wahren Interessen des größten österreichischen Stromkonzerns, des Verbundkonzerns, lie-gen, zeigt sich auch in den Diskussionen um die geplante 380-kV-Leitung im Salzburger Land, gegen die sich Bürgerinitiativen vehement zur Wehr setzen: Es wird von Seiten der Austrian Power Grid APG so getan, als sei diese Höchstspannungsleitung für Österreichs Versorgungssicherheit unbedingt not-wendig. In Wirklichkeit soll sie dem Verbundkonzern zu satten Gewinnen verhelfen, indem sie dem Stromtransit zwischen dem „Pufferspeicher“ Kaprun und Deutschland dient.

 

Volkswirtschaftliche Anliegen müssen Vorrang haben

 

Derzeit stehen im Vordergrund des Agierens der Strombosse eher das Bremsen bei der Energiewen-de und der Stillstand beim Aufbau von Komplementärstrukturen, die als Ergänzung zum Wind- und Photovoltaikstrom nötig sind. Wichtiger ist den Stromanbietern, im Sinne des freien Strommarktes die Konsumenten mit dem billigsten Strom zu ködern und sich um das „Wohl“ der Aktionäre zu kümmern (Von den Strom-Billigangeboten geht außerdem das fatale Signal aus, dass wir einfach so weiter-machen könnten wie bisher).

 

Betriebswirtschaftlicher Erfolg ist wichtig und die Höhe der Dividenden ist für die Aktionäre interessant, aber das Gemeinwohl und die Versorgungssicherheit müssen Priorität haben. Diese Umdeutung von rein betriebswirtschaftlichem Erfolg hin zu positiven Effekten für eine breite Allgemeinheit müsste auch Auswirkungen haben auf die Höhe der Chef-Gehälter: Belohnung für sozial und gesellschaftlich er-wünschte Unternehmenspolitik, Abzüge im Negativfall.

 


4) Der OMV-Konzern muss sich auf eine gewaltige Umstellung gefasst machen

 

Er muss sich darauf einstellen, dass der Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe – zunächst bei Ölprodukten, dann auch bei Erdgas – zurückgehen wird, und sich rechtzeitig darum kümmern, auf Alternativprodukte umzusteigen, wie z. B. auf die Produktion von Wasserstoff mit Hilfe von solar erzeugtem Strom oder von Kohlenwasserstoffen auf Basis erneuerbarer Energiequellen. Durch Einführung einer in kleinen Schritten steigenden CO2-Abgabe muss verhindert werden, dass der Preisverfall bei den fossilen Energien kontraproduktiv wirksam werden kann.  

 

 

5) Die energieintensive Industrie muss für die Energiewende gewonnen werden

 

Die Drohungen der Chefs der energieintensiven Industrie, ihre Standorte wegen Emissionsvorgaben der EU in Billig-Energie-Länder zu verlegen, ist nicht nur lächerlich, sondern auch verantwortungslos. Derzeit kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eigentlich die Aktionäre Politik machen, und zwar nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung, und dass die Politiker bloß ihre Marionetten sind.

Andererseits muss der energieintensiven Industrie für die Integration in die Energiewende eine Über-gangsphase zugestanden werden, in der ihr mit reduzierter CO2-Abgabe und eventuell sogar mit öffentlichem Geld unter die Arme gegriffen wird.

 

Einen Vorschlag, wie die voestalpine die Roheisengewinnung auf CO2-neutrale Methoden umstellen könnte, finden Sie unter: http://ksi.jimdo.com/kurzinfos/voestalpine/ 

 

 

6) So manche Turbulenzen und Brüche lassen sich nicht vermeiden

 

Der Machtkampf zwischen den Vertretern der herkömmlichen Großstrukturen und der Zivilgesellschaft ist voll im Gange. Auf der einen Seite sind es die gewachsenen Großstrukturen, die sich bewährt haben und die man deshalb nicht gerne aufgibt. Auf der anderen Seite wächst in der Zivilgesellschaft der Anteil derer, die sich der Energiewende verpflichtet fühlt und auch von dieser Revolution „von unten“ begeistert sind. Dieser Machtkampf wird Brüche verursachen, auf die man sich auch vorbereiten sollte. Zum einen fehlt es manchen Chefs der alten Strukturen an Aufgeschlossenheit, zum anderen sind sie in gewisser Weise Gefangene herkömmlicher kaufmännischer Strukturen oder sie sind einfach überfordert. Dies gilt auch für Politiker, die in manchen Ländern dazu neigen, wieder mehr auf die Bremser zu hören und die Energieszene wieder den alten Strukturen unterzuordnen.

 

Die Energiewende ist in erster Linie eine Revolution der Zivilgesellschaft – und muss es auch sein. Einstweilen sind es noch wenige Staaten, Politiker und Firmen, die sich dieser Revolution anschließen. Die EU, ja die ganze Welt braucht Pioniere, die als Trendsetter vorausgehen!

 



Quellen und Anmerkungen:

1 Herbert Sauregg, „Blackout – Stromnetz vor dem Kollaps?“ In: Lebensart, das Magazin für nachhaltige Lebenskultur, Nr. 4, Juli/Aug 2013, Seite 28

2 Die Hauptbestandteile des Biogases sind Methan (ca. 60 %) und Kohlenstoffdioxid (ca. 40 %). Biomethan ist auf Erdgasqualität aufbereitetes, d. h. entschwefeltes, entfeuchtetes und von CO2 gereinigtes Biogas.

3 Tageszeitung „Oberösterreichische Nachrichten“ (OÖN) vom 5. November 2014;

4 Ruggero Schleicher-Tappeser, Referat beim Oberösterreichischen Umweltkongress 2015, 10. Juni 2015, Linz

5 Radiokolleg-Sendung des ORF auf  Ö1 vom 8. Juni 2015, 9.05 bis 9.30 Uhr

6 OÖN vom 27. Juni 2015