15. April 2010: Zahnlose „Energiestrategie Österreich“
Bis Ende Juni 2010 muss jedes EU-Land seinen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des EU-Energie- und Klimapaketes an die EU-Kommission senden. Grundlage dafür ist die am 11. März 2010 von den Ministern Mitterlehner und Berlakovich präsentierte „Energiestrategie Österreich“, die die Schritte bis 2020 vorgeben und die klima- und energiepolitischen Herausforderungen bewältigen soll. Im Zentrum stehen die drei „E“: Ausbau der Erneuerbaren Energien, Energie-Effizienz, Sicherung der Energieversorgung. Österreich ist bei Energie zu über 70 % vom Ausland abhängig. Im Jahr 2007 wurden 9,9 Mrd. Euro für Energieimporte ausgegeben.
Für die etwa 100 Seiten umfassende „Energiestrategie Österreich“ lief seit April 2009 der Prozess des Sammelns, und seit September brachten zahlreiche Experten in 11 Arbeitsgruppen unter Einbindung der Energie-, Verkehrs- und Klimaschutz-NGOs die zahlreichen guten Vorschläge zu Papier. Es bestand die Chance, eine ambitionierte Energiestrategie zu beginnen und den Energieverbrauch auf unter 1.000 PJ zu reduzieren. So wäre es möglich gewesen, bis 2020 45 % des Energieverbrauches aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. Studien zeigen, dass bis 2020 ein Ausbaupotenzial von 450 PJ erschlossen werden kann.
Aber von den zahlreichen Vorschlägen für die „Energiestrategie Österreich“ fielen so manche – wie könnte es anders sein – der Blockade von Lobbys zum Opfer (Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, E-Wirtschaft, Autofahrerklubs …) bzw. wurden von Ministerien gestrichen. So begnügt sich die „Energiestrategie Österreich“ leider mit der Stabilisierung des Energieverbrauches auf dem Stand von 2005 und strebt bloß die Anhebung des Anteils erneuerbarer Energien von derzeit 23 % auf 34 % an, wobei die Photovoltaik weiterhin eine total untergeordnete Rolle spielt. Langfristige Perspektiven findet man in diesem Konvolut kaum. Es fehlt die Vision, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu schaffen.
Einige positive Ansätze, wie die Steigerung der Energieeffizienz, einen Schwerpunkt auf nachhaltige Mobilität oder die Ökologisierung des Steuersystems, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man den großen energiepolitischen Wurf mit dieser „Energiestrategie Österreich“ nicht gewagt hat. Was die Umsetzung betrifft, ist Skepsis angebracht. Wenn der „Energiestrategie Österreich“ nicht das gleiche Schicksal blühen soll wie der „Klimastrategie“ aus dem Jahr 2002 zur Erreichung der Kyoto-Ziele, braucht sie gesetzliche Verbindlichkeit und somit auch ein wirksames Klimaschutzgesetz.
Konkret zeichnet sich lediglich ab, dass unter dem Titel „Ökosteuer“ die Mineralölsteuer zweimal leicht erhöht werden soll (2011 um 5 Cent / 2012 auf 10 Cent) und fossile Brennstoffe mit einer CO2-Steuer belastet werden sollen (bis 30 Euro pro Tonne CO2, d. h. z.B. bei Heizöl ca. 8 Cent pro Liter).
Diese Erhöhungen werden kaum einen Lenkungseffekt haben. Außerdem werden die daraus resultierenden Einnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem Klimaschutz zugute kommen und auch nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden, sondern in Budgetlöchern verschwinden.
Es erhebt sich überhaupt die Frage: Wozu dieser Aufwand? Gibt es nicht schon genug Konzepte? Wissen wir nicht längst, was zu tun ist? Wurden nicht längst fällige Reformen auf die lange Bank geschoben und neue Denkansätze verhindert?
Klimaschutz-Verpflichtungen Österreichs:
1) Im Kyoto-Protokoll hat sich Österreich 1997 verpflichtet, bis 2012 seinen Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 13 % zu senken. Das heißt, von ca. 78 Mio. Tonnen des Jahres 1990 auf einen Wert von ca. 68 Mio. Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente*) zu kommen, also die Jahres-Treibhausgas-Emissionen um ca. 10 Mio. Tonnen zu reduzieren.
Aber der „Musterschüler“ Österreich emittierte 2008 bereits ca. 87 Mio. Tonnen Treibhausgase, also um ca. 9 Mio. Tonnen mehr als 1990.
*) Erklärung zu „Kohlendioxid-Äquivalenten“: Die verschiedenen Treibhausgase haben unterschiedliche Potenziale bei der Erderwärmung (So wird z.B. Methan, der Hauptbestandteil des Erdgases, in weit kleineren Mengen als Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben, ist aber um das 21-fache klimawirksamer als Kohlendioxid). Die Treibhauswirkung wird daher auf ein einheitliches Maß, die so genannte Kohlendioxid-Äquivalente, umgerechnet.
2) Österreich ist gemäß des im Dezember 2008 verabschiedeten Energie- und Klimapakets der Europäischen Union dazu verpflichtet:
Bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energieträger von derzeit 23 % auf 34 % anzuheben und im Verkehrssektor den Anteil erneuerbarer Energieträger auf 10 % zu erhöhen.
Bis 2020 seine Treibhausgasemissionen in Sektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, um mindestens 16 Prozent bezogen auf die Emissionen des Jahres 2005 zu reduzieren (Für die dem EU-Emissionshandel unterliegenden Sektoren ist eine EU-weite Reduktion der Treibhausgase um 21 Prozent gegenüber 2005 beschlossen worden).
Bis 2020 die Energieeffizienz um 20 Prozent im Vergleich zu 2005 zu erhöhen.
EU-weit sollen bis 2020 folgende Ziele erreicht werden („20-20-20“):
20 % Reduktion der Treibhausgase gegenüber 1990.
20 % Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch (10 % im Verkehr durch den Einsatz effizienter biogener Treibstoffe und Elektromobilität).
20 % mehr Energieeffizienz.