27. Mai 2011: Wer macht in Österreich eigentlich Energie- und Klimapolitik?

 

Dass Österreich ca. 2/3 des Stroms aus Wasserkraft gewinnen kann und über große Waldflächen verfügt, ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk. Dennoch betont Wirtschafts- und Energieminister Mitterlehner, dass Österreich keine Energiewende brauche, weil unser Land bei den erneuerbaren Energien im Spitzenfeld liege.

 

Während Umweltminister Berlakovich bei jeder Gelegenheit wie ein einsamer Rufer – Gott sei Dank – verkündet, dass Österreich auf der Basis heimischer erneuerbarer Energiequellen energieautark werden könne und solle, sieht Mitterlehner keine Notwendigkeit einer Energieautarkie. Er argumentiert ganz und gar im Sinne der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und von VERBUND-Chef Anzengruber: Österreich habe die Chance, im aktiven Stromverbund mit ganz Europa die „grüne Batterie“ Europas zu werden. Soll heißen, das stark schwankende Stromangebot von den Windanlagen im Norden und der ebenfalls variierenden Stromfluss von den Solaranlagen im Süden können mit Hilfe der bestehenden und geheim geplanten Alpen-Pumpspeicherkraftwerke ausgeglichen werden. Selbstverständlich lässt sich da auch mit Atomstrom Wasser in die Speicher hinaufpumpen. Und natürlich lässt sich damit zugleich am Verkauf von teurem Spitzenstrom ganz im Sinne der Aktionäre viel Geld verdienen.

 

Österreichs Bundesregierung ist ganz stark Spezialinteressen, Lobbys und Klientelen verpflichtet. In der Energiepolitik spielt die Sozialpartnerschaft eine sehr zentrale und leider negative Rolle. Während bei der Lohn- und Gehaltspolitik und bei klassischen Arbeitskonflikten die Sozialpartner stets eine ausgleichende, vermittelnde Funktion ausübten, sind Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Arbeiterkammer und Gewerkschaft bei der Energiepolitik die großen Bremser: Nicht die Energiewende, sondern billige Energie hat für sie Priorität. So gibt es in Österreich bei einem historisch bedingten hohen Niveau an erneuerbaren Energien keine aktuell klare Entwicklung nach oben. Bei der Industrie sind es die Riesen, die bei den CO2-Zielen den Ton angeben: VOEST, OMV und VERBUND (in „Österreichs Energie“, vormals VEÖ). Jener Teil der Wirtschaft, der der Energiewende positiv gegenüber steht bzw. von ihr profitieren würde, wird kaum gehört.

 

Obwohl es sowohl bei den Wirtschaftsverbänden als auch bei den Arbeitnehmerverbänden zahlreiche ökologisch orientierte Personen und Teilorganisationen gibt, konnten sie die Energiewende-feindliche Linie der Verbände nicht ändern. Auf der Basis der Pflichtmitgliedschaft finanzieren die Verbände in hohem Maße die Parteien. Verbandsinteressen sind somit den Interessen Österreichs gleichgeschaltet. Das geht sogar bisweilen so weit, dass in internationalen Gremien die Sozialpartner selber verhandeln. Z. B. bei den Verhandlungen für die CO2-Obergrenzen für den Autosektor saß ein Vertreter der Automobilindustrie für die Republik Österreich in Brüssel.