22. Oktober 2014:


Es besteht die Gefahr, dass Österreichs Bundeskanzler dem Drängen der energieintensiven Industrie nachgibt und die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klimaziele, die ohnehin zu niedrig sind, nicht akzeptiert und Lockerungen fordert. Der Vorschlag der EU-Kommission lautet: In der EU im Jahr 2030 um 40 % weniger Treibhausgase und um 27 % mehr erneuerbare Energien gegenüber 1990.

 

KS-I-Obmann Höbarth schrieb deshalb einen fordernden Brief an Österreichs Spitzenpolitiker. 

 

 

OFFENER BRIEF

 

Per E-Mail

 

Betrifft: Österreich soll sich für ambitionierte EU-Klimaschutzziele einsetzen

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!

 

Sehr geehrter Herr Vizekanzler!

 

Sehr geehrter Herr Umweltminister!

 

Ich ersuche Sie im Namen des Vereins Klimaschutz-Initiative, dem Drängen der energieintensiven Industrie Österreichs nicht nachzugeben. Österreich soll im Gegenteil die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klimaschutzziele für 2030, die ohnehin niedrig sind, unterstützen und es vermeiden, Lockerungen („Schlupflöcher“) zu fordern. Abgesehen von dem Verlust an Glaubwürdigkeit, den Österreich in Kauf nehmen würde, wenn es in der EU als Klimaschutz-Bremser auftritt: Es muss einen Weg geben, die energieintensive Industrie Österreichs (und der EU) dafür zu gewinnen, nicht abzuwandern und ambitionierte Klimaschutzziele aktiv mitzutragen.

 

Von Seiten der Industrie beschwört man immer wieder die Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation. Nun: Gerade Klimaschutz ist eine enorme Herausforderung, die nur mit einem gerüttelt Maß an Innovationen gemeistert werden kann. Wieso versucht die Industrie hier abzublocken und sich Innovationen in den Weg zu stellen?

 

Für die Industrie wäre es natürlich am einfachsten, weiterhin das zu produzieren, was sie schon bisher produziert hat, und so zu produzieren, wie sie es bisher getan hat. Klimaschutz betrachten daher manche Industrie-Chefs als Störfaktor, denn er erfordert Umdenken, Änderungen, Umschichtungen – sowohl bezüglich Produktionsweisen und Energieeinsatz als auch in Bezug auf die Produktpalette. Für die großen Energieversorger bedeutet die Energiewende Verlust an Macht.  

 

Aber „Wirtschaft“ ist nun einmal nicht ein absoluter Bereich für sich, sondern Produktion von Gütern und Leistung von Diensten zur Befriedigung von Bedürfnissen – z. B. des Grundbedürfnisses nach Erhaltung der Lebensgrundlagen und des Schutzes des Klimas. Klimaschutz und Industrie sind kein Widerspruch. Klimaschutz bedeutet Arbeit, Gewinn, Arbeitsplätze!

 

Beispiel voestalpine:

 

Die voestalpine ist zweifellos ein wichtiger und erfolgreicher Industriebetrieb, und Wolfgang Eder ist ein sehr fähiger Konzern-Chef. Aber vergessen wir nicht: Eder agiert in erster Linie im Sinne der Aktionäre, die möglichst hohe Dividenden erzielen wollen. Deshalb weicht er ins Erdgas-Billig-Land USA aus. „Verederung“ der österreichischen Energiepolitik hieße: Weg mit Abgaben auf fossile Energieträger! Weg mit Emissionszertifikaten! Einstieg ins Fracking zur Gewinnung von Schiefergas in Österreich bzw. in Europa usw.

 

Aber so ist die Energiewende nicht machbar. Nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Notwendigkeit, von Energieimporten immer weniger abhängig zu werden, erfordert den Umstieg auf erneuerbare Energien und auf Energieeffizienz.

 

Andererseits kann man Eders Vorgehen verstehen. Denn Roheisengewinnung ist zu konkurrenzfähigen Kosten ohne CO2-Emissionen nicht möglich. Um dem Eisenoxid den Sauerstoff zu entziehen (Reduktion), braucht man Kohlenstoff (in der voestalpine ist das der Koks) oder Kohlenstoff und Wasserstoff (bei der Eisenschwammgewinnung in den voestalpine-Werken in den USA Erdgas CH4). Außerdem muss man dem voestalpine-Konzern zugute halten, einer jener Stahlkonzerne zu sein, die am meisten zur CO2-Reduktion beigetragen haben. Insofern ist es verständlich, dass sich Eder gegen jedwede Vorgaben bezüglich Reduktion von CO2-Emissionen wehrt.

 

Andererseits muss klar sein, dass die Umstellung der Roheisenerzeugung auf CO2-neutrale Methoden das Ziel sein muss.

 

Um aber trotz der dazu nötigen Investitionen wettbewerbsfähig bleiben zu können, braucht die voestalpine Geld. Das heißt, sowohl die Aktionäre als auch die öffentliche Hand sind gefordert. Die Aktionäre haben die nötigen Investitionen finanziell mitzutragen, denn auch sie sind Menschen, für die das Prinzip Verantwortung gelten muss. Und auch die öffentliche Hand (Steuerzahler) muss ihren Energiewende-Unterstützungsbeitrag leisten.

 

Je früher sich Konzernchef Eder dazu entschließt, desto besser für die voestalpine. Denn die voestalpine würde – wie seinerzeit mit dem LD-Verfahren bei der Stahlerzeugung – wieder Technologie-Vorreiter, was sich gut verkaufen ließe. Außerdem bedeuten der Umstieg auf CO2-neutrale Methoden bei der Eisenerzeugung und Maßnahmen zu mehr Energieeffizienz, dass die voestalpine ihre Energiekosten und ihre Kosten für Klimagas-Emissionen senken kann. 

 

Ja, aber die Chinesen…

 

China emittiert große Mengen CO2, vor allem aus der Kohleverbrennung, aber erst seit einigen Jahrzehnten. Man tut China  unrecht, wenn man die Treibhausgas-Emissionen der EU mit denen Chinas vergleicht, ohne darauf Bezug zu nehmen, dass China fast 2 1/2 Mal so viele Einwohner hat wie die EU. Bis vor kurzem lagen die Pro-Kopf-Emissionen Chinas noch unter denen der EU.

 

Weiters muss man berücksichtigen, dass die Industrieländer schon seit 150 Jahren fossile Energieträger in steigendem Ausmaß verbrennen. Deshalb stammt der CO2-Müll, der sich in der Atmosphäre angesammelt hat, hauptsächlich von uns Menschen der Industrieländer – und nicht von den Chinesen.

 

Das heißt, wir dürfen uns nicht auf die Chinesen ausreden, sondern müssen selber beim globalen Klimaschutz vorangehen.

 

Sich dafür einzusetzen ersuche ich Sie und verbleibe

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Heinrich Höbarth

 

Obmann des Vereins Klimaschutz-Initiative