1. April 2016: „Helikopter-Geld“ für Belebung der Wirtschaft

 

 

Als EZB-Chef Mario Draghi bei einer Pressekonferenz die Null-Zinsen-Entscheidung bekanntgab, wurde er gefragt, was er von „Helikopter-Geld“ halte. Wäre das auch ein potentielles Instrument der EZB, den privaten Konsum anzukurbeln? Und siehe da, Draghi schmetterte die Frage nicht als absurd ab. Im Gegenteil. Er finde die Diskussion über diese Idee interessant, sagte er. Diese Idee sei durchaus zu erwägen.

 

So weit sind wir also, dass „Helikopter-Geld“ von Mario Draghi, dem mächtigen Währungshüter Europas, tatsächlich in Betracht gezogen wird.

 

Was ist „Helikopter-Geld“? Es handelt sich um eine Metapher für die Verteilung von neu gedrucktem Geld, das den Konsumentinnen und Konsumenten direkt zugewendet, also geschenkt wird, d. h. es besteht keine Verpflichtung zur Rückzahlung.

 

Zum massenhaften Ankauf von Anleihen und zur Null-Zinsen-Politik käme somit eine weitere Maßnahme der EZB, mit der die Wirtschaft und der private Konsum belebt werden sollen. Obwohl das Helikopter-Geld-Konzept sehr radikal ist und bisherige Denkmuster sprengt, erscheint es aktuell doch plausibel. Die Grundidee ist ganz gegen die Marktgläubigkeit des Neoliberalismus gerichtet, und doch geht sie paradoxerweise auf Milton Friedman, den „Papst“ des Neoliberalismus, zurück.

 

„Wenn  das Geld nun – anders als bisher – an den Banken vorbei direkt an die Konsumen-tinnen und Konsumenten ginge, wenn also die Leute plötzlich ein paar Tausender mehr auf ihrem Konto hätten, dann belebte das sehr wahrscheinlich direkt die Wirtschaft, wird argumentiert. So würde das ängstliche Geld aus der Lethargie gerissen – besonders dann, wenn die EZB-Euros an die unteren und mittleren Einkommensbezieher vereilt werden. Die geben das geschenkte Geld nämlich mit Sicherheit aus.“ (1)

 

„Also kann sich jeder Einzelne von uns auf eine großzügige Überweisung aus Frankfurt einstellen? Darauf verlassen sollte man sich nicht. ‚Aber die Hubschrauber der Notenbanken könnten schneller starten, als viele Menschen sich das heute vorstellen mögen’, meint die deutsche Tageszeitung ‚Die Welt’. Und für Unerwartetes ist Draghi bekanntlich immer gut.“ (1)

 

„Aber gegenwärtig könnte man die Menschen mit Geld zuschütten, ohne damit etwas zu erreichen“ (2), lautet ein berechtigtes Argument gegen die Sinnhaftigkeit des Helikopter-Geldes. Denn es fehlt das Vertrauen. Man hortet lieber Geld, statt es auszugeben, statt zu investieren. Was hilft es, einem Pferd jede Menge Heu vor die Vorderbeine zu legen, wenn es nicht frisst? Außerdem befindet sich der private Konsum ja in vielen Bereichen an der Wachstumsgrenze.

 

Außerdem: Ist es nicht eigenartig, dass für wichtige öffentliche Bautätigkeiten kein Geld da ist, obwohl Mario Draghi Unmengen an Geld drucken lässt? Warum will er nur den privaten Bereich beleben? Im öffentlichen Sektor wartet nämlich enorm viel Arbeit auf Erledigung.

 

Diesem Missverhältnis müsste durch neue Geldpolitik entsprochen werden. „So wäre nur zum Beispiel auch eine Variante des Helikopter-Geldes denkbar, bei der nicht die Konsumentinnen und Konsumenten Empfänger wären, sondern die Regierungen. Diese könnten mit nicht rückzahlbaren EZB-Zuwendungen Investitionen im öffentlichen Bausektor tätigen.“ (2) So könnten die Regierungen die Wirtschaft beleben, die Arbeitslosigkeit senken und den Staaten zu höheren Einnahmen verhelfen.

 

Allerdings müsste sichergestellt werden, dass mit Hilfe dieser „Staatsfinanzierung“ in erster Linie dort investiert wird, wo es aus sozialen und ökologischen Gründen notwendig ist: Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, energetische Optimierung öffentlicher Gebäude, öffentlicher Verkehr, Bahnausbau etc. Daher müsste sichergestellt werden, dass dieses EZB-Geld

 

  • nicht die Regierungen direkt erhalten (denn es bestünde die Gefahr, dass Politiker mit diesem Geld ihre Lieblingsprojekte – Straßenbau etc. – und/oder populistische Geschenke an ihre Klientelen finanzieren),

  • sondern demokratisch legitimierte, unabhängige Kommissionen der Staaten, also eine Art nationale Gremien der EZB,

  • die bestimmte Projekte definieren und ausschreiben (vornehmlich Bauprojekte in den Bereichen Ökologie, Klimaschutz und Soziales),

  • die Bautätigkeit überwachen

  • und je nach Baufortschritt die Projekte finanzieren.

 

 

Die Eigentumsverhältnisse der geschaffenen Bauten wären klar, weil es sich ja um die Errichtung öffentlicher Bauten handelt.

 

 

Staatsfinanzierung ist verpönt und in der EU verboten. Aber es wäre zu begrüßen, wenn sich der EZB-Chef dennoch zur hier dargestellten Art von Staatsfinanzierung durchringen würde.    

 

 

 

Quellen:

(1) Georg Hoffamnn-Ostenhof, „Nur Mut, ängstliches Geld!“ In: Wochenzeitung „profil“ vom 21. März 2016

(2) Richard Wiens, „Nur auf die Wende zu warten ist zu wenig“ In: „Salzburger Nachrichten“ vom 30. März 2016

 

Link: http://ksi.jimdo.com/aktuell/news/geld/