2. Jänner 2021: „Ohne Aufforstung geht nichts“

 

Der privaten Initiative von Bernhard Wagenknecht entsprang 2010 das Schulprojekt „Books for Trees“. Inzwischen gibt es drei Standorte. Allerorts steht im Fokus, die durch Abholzung begünstigte starke Bodenerosion zu bekämpfen. Die Ergebnisse der Wiederaufforstung seien auch auf Google Earth zu sehen, betont Wagenknecht, der sich seit fast 20 Jahren im Kleinen um Rezepte gegen den Klimawandel bemüht.

 

Die größere Perspektive: Fünf Jahre ist das Bekenntnis zur Rettung des Klimas inzwischen alt, das sich die Weltgemeinschaft mit dem UNO-Klimavertrag in Paris gab. Seitdem ringen die Industrienationen mit Versprechen, das Zeitalter der fossilen Brennstoffe hinter sich zu lassen. Die EU etwa schärft zuletzt nach: Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 55 Prozent gesenkt werden. Doch die nächste Frage ist: Wie halten es die Schwellen- und Entwicklungsländer mit dem Klimawandel?

 

„Sie müssen die Fehler, die wir in Europa gemacht haben, vermeiden“, unterstreicht Wagenknecht den „Leapfrogging“-Ansatz (1), den der Kognitionspsychologe Christian Stöcker Ende November im „Spiegel“-Artikel „Wir starren auf den falschen Frosch“ skizziert hat. Die wachsenden Nationen, deren Energiebedarf stark steigt, wollen in das Kohlezeitalter erst gar nicht eintreten, dieses Entwicklungsstadium also überspringen wie ein Frosch. Und wo landen? Bei dezentralen, lokalen, kleinen Lösungen, erklärt Stöcker. In der Energieversorgung soll die Zukunft etwa den kleinen bis mittleren Votovoltaik-Installationen, sogenannten Mini- oder Mikro-Grids (2), gehören. Sie ersparen teure Stromnetze und klimaschädliche Dieselgeneratoren, aber auch jene Probleme, die bei großen Wasserkraftprojekten oft auftreten. Das mache unabhängig, sagt Stöcker. Und in der Landwirtschaft?

 

„Ohne Aufforstung geht nichts“, erklärt Wagenknecht. Die von ihm geleitete Schulinitiative „Books for Trees“ will die überlebenswichtige Bedeutung von Bäumen und Wäldern nachhaltig vermitteln – nicht nur als Beitrag zu Klimaschutz, sondern auch als attraktive Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung. Eine zentrale Rolle spielen hier die Kinder in den derzeit 27 afrikanischen Partnerschulen. Mit ihnen schließen die Projektverantwortlichen einen Deal: Sie erhalten Schulbücher – in Kenia sind diese selbst zu finanzieren – und müssen als Gegenleistung zu Hause auf Setzlinge aufpassen. In Baumschulen und Selbsthilfegruppen soll zudem das Problembewusstsein der Erwachsenen gestärkt werden.

 

Das sei viel „Beziehungsarbeit“, erzählt Wagenknecht. Es gehe um einen „Kulturwandel“ und um „Ermächtigung“, nicht um „üppige Verwaltungsstrukturen und großflächige Aufforstung“, die ihren Erfolg in erster Linie in Hektar bemesse. Man verfolge einen „umfassenden Ansatz“, der junge Menschen und Kleinbauern unterstütze, Bäume anzupflanzen, eine breite Palette von Feldfrüchten und Gemüse zu kultivieren sowie Mischkultur zu betreiben.

 

Es ist der Gegenentwurf zur Abholzung, die andere Europäer in Kenia forciert haben – und die China längst für sich entdeckt hat. Am ersten Projektstandort von „Books for Trees“ im Hochland am Rande des Mau Forest wurde in britischer Kolonialzeit der Regenwald für die Weizenproduktion nach europäischem Vorbild abgeholzt. Die Kenianer haben danach nicht damit aufgehört.

 

Der Waldbestand in Kenia ist mittlerweile auf deutlich unter zwei Prozent der Gesamtfläche geschrumpft. „Und der Klimawandel macht der tropischen Landwirtschaft stark zu schaffen, sagt Wagenknecht. Die Regenmuster verschöben sich, alles werde unberechenbarer und die Böden würden durch irre Regenmengen weggeschwemmt. Die Pflug-Landwirtschaft aus Europa ist in den Tropen tödlich. Die organische Substanz wird ausgebrannt, der Boden steril“, sagt Wagenknecht. Eine an den Klimawandel angepasste Landwirtschaft müsse „kleinteilig und gartenbaulich intensiv sein und hohe Ernte auf kleiner Fläche bringen. Dafür gelte es, die Mikroorganismen zu füttern und CO2 in den Boden zu bringen. Denn dieser sei der größte Speicher. Auf ihn müsse man aufpassen. Damit der große Sprung gelinge.

 

 

Quelle: „Der Frosch und der Boden“, Text von Lukas Heinz-Kollnberger in den Salzburger Nachrichten vom 2. Jänner 2021

 

(1) leap = springen, frog = Frosch; leapfrog = Bocksprung machen

(2) grid = Versorgungsnetz