12. März 2021: Plötzlich ist die Atomkraft wieder begehrter denn je

 

Gestern vor zehn Jahren ereignete sich östlich von Japan ein Seebeben, und der dadurch ausgelöste Tsunami verursachte einen Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima. Noch immer kämpft man hier gegen die verheerenden Folgen des Reaktorunfalls. Es wird unermüdlich aufgeräumt, abgetragen und dekontaminiert. Dennoch wird es für weitere Jahrzehnte „Zonen“ geben, „in die man schwer zurückkehren kann“. Und niemand weiß, wohin mit den Tonnen an abgetragener verstrahlter Erde.

 

Die Welt hat erschüttert nach Japan geblickt. Seither sind aber zehn Jahre vergangen, und plötzlich ist die Atomkraft wieder begehrter denn je. Manche sehen in ihr sogar eine einfache Lösung im Kampf gegen den Klimawandel.

 

China ist weltweiter Spitzenreiter beim Neubau von Atomkraftwerken, Frankreich kommt von der Atomkraft nicht los, Boris Johnson steckt Geld in neuen Reaktoren, und Bill Gates und Joe Biden investieren in die Zukunft von Mini-Kernkraftwerken. Atomkraft wird wieder als „saubere“ Energie vermarktet. Die Probleme des verseuchten Atommülls, des Uranabbaus und der Gefahren eines Unfalls sind aber alles andere als sauber. Ein Blick nach Fukushima zeigt, wie „strahlend“ die Zukunft mit Atomkraft sein kann.

 

Und Österreich, das seinen Mailer in Zwentendorf nie in Betrieb genommen hat, ist in einer Entfernung von gerade einmal 150 Kilometern von zwölf Atomkraftwerken umgeben, von denen sieben von Umweltschutzorganisationen als „hochriskant“ eingestuft werden.

-          Das slowakische Mochovce stand – abgesehen von laufenden Störfällen – schon vor der Fertigstellung der Reaktoren 3 und 4 in der Kritik von GLOBAL 2000.

-          Die Atommeiler im slowenischen Krsko wurden auf einer Erdbebenlinie errichtet.

-          Seit mehr als 20 Jahren wird im südböhmischen Atomkraftwerk Temelin Atomstrom produziert. In dieser Zeit gab es viele Zwischenfälle und Fehlermeldungen. Der Ausbau dieses Atomkraftwerkes mit zwei weiteren Reaktoren wurde - mangels Bereitschaft der tschechischen Regierung, Staatshilfen für das Projekt zu gewähren -  bis auf weiteres eingestellt. Dennoch informierte das tschechische Umweltministerium nun über eine erfolgte Verlängerung des 2013 zeitlich befristet ausgestellten, für das Projekt positiven Standpunktes für die Umweltverträglichkeitsprüfung für weitere fünf Jahre bis 2025.

-          Vier Reaktorblöcke wurden 1985 bis 1987 im tschechischen Atomkraftwerk Dukovany in Betrieb genommen. Ebenso hat die Atombehörde am 8. März - unter Protesten aus Österreich - zwei neue Reaktoren in Dukovany genehmigt.

-          In Tschechien gibt es außerdem nach wie vor Pläne für ein Atommüll-Endlager.

 

Die Atomindustrie versucht ihre Atomkraftwerke als das Mittel gegen die Erderwärmung zu verkaufen.

 

Initiativen und Vorkämpfer in ganz Europa stemmen sich gegen dieses Marketing, das CO2 gegen die Strahlengefahr tauschen will. Für die Kämpfer gegen die Kernkraft ist die Klimawandel-Kampagne der Atomlobby eine neue Herausforderung, die auch Initiativen europaweit zu einen vermag: So veröffentlichte die „Bewegung für Klimagerechtigkeit“ am 9. März ein von vorerst 84 Gruppen aus 15 Ländern getragenes Manifest. Es hat den plakativen Titel „Don´t nuke the Climate“, in etwa: „Werft keine Atombombe auf das Klima ab!“

 

In Österreich wird dieses Manifest von der Initiative „System Change, not Climate Change“ mitgetragen. Ein Kernsatz des Papiers lautet: „Atomkraft wird nie in der Lage sein, die Klimakrise zu stoppen: Sie ist schmutzig, langsam teuer und gefährlich für alle lebenden Wesen auf der Erde“, und zwar jetzt und in aller Zukunft.

 

Gerade diese Aspekte sehen auch Vertreter von Umweltorganisationen (Greenpeace, GLOBAL 2000) und traditionsreiche Anti-Atom-Initiativen (atomstop.at; Anti-Atom-Komitee) in Österreich so. Dalibor Strasky, Oberösterreichs Landesbeauftragter für die grenznahen Atomanlagen, bringt es recht drastisch auf den Punkt, worum es am Ende geht: „Momentan spielt Kernkraft im weltweiten Energiemix eine untergeordnete Rolle. Trotzdem ist es in den letzten 60 Jahren zu schweren Unfällen mit Kernschmelze in sechs Reaktoren gekommen. Ein massiver Ausbau der Kernkraft bedeutet gleichzeitig eine massive Zunahme weiterer schwerer Unfälle mit erheblichen Folgen auf Umwelt und Menschen.“

 

Zugleich würde viel Geld und Energie für die echten notwenigen Klimaschutz-maßnahmen fehlen.

 

Kleine Reaktoren sind der aktuelle PR-Gag der Atomlobby. „Small Modular Reactors“ werden diese transportablen Mini-Atomkraftwerke genannt. Es handelt sich um „kleine modulare Reaktoren“ bis 300 Megawatt Leistung, für die viel Werbung betrieben wird. Microsoft-Gründer Bill Gates investiert gerade in diese „nächste Generation“ von Atomtechnik auch für abgelegene Regionen. Man merkt, es wird das Argument strapaziert, der Kampf gegen den Klimawandel komme ohne Nutzung der Atomenergie nicht aus.